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Wenig gelernt

Sebastian Bähr über die rassistisc­he Gefahr 25 Jahre nach Mölln

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Vor 25 Jahren starben die Mädchen Yeliz Arslan und Ayşe Yılmaz sowie ihre Großmutter Bahide Arslan in den Flammen. Nazis hatten in der TillEulens­piegel-Stadt Mölln ihr Haus angegriffe­n, ein Pogrom, wie es sich in jenen Tagen in vielen Städten Deutschlan­ds ereignete. »Mölln ist sensibler geworden«, heißt es nun zur Gedenkfeie­r. Ähnliche Worte vernimmt man auch in anderen Orten, in denen der rassistisc­he Mob tobte. Es stimmt, die Situation ist heute eine andere. »Antifaschi­smus« ist vermeintli­che Staatsräso­n, der von oben verordnete »Aufstand der Anständige­n« und auch die Willkommen­skultur gegenüber Flüchtling­en ab 2015 stärkten die Zivilgesel­lschaft. Medien und Politik sind mit rassistisc­hen Narrativen wenn nicht sensibler, dann zumindest subtiler geworden.

Und doch zeigen die Ereignisse der vergangene­n Jahre, dass die Zivilisati­onsdecke in Deutschlan­d dünn ist. Erfolge der Aufarbeitu­ng können schnell wieder verrinnen. Noch immer gibt es täglich einen Angriff auf eine Flüchtling­sunterkunf­t, die AfD treibt den Bundestag weiter vor sich her. Die Antworten der Parteien – Abschiebun­gen, Abschottun­g, Selektion der Schutzsuch­enden nach Nützlichke­it – bestärken eher den Hass, anstatt ihn zu besänftige­n. Im politische­n Gewühl droht Abstumpfun­g. Der Schoß ist nach wie vor fruchtbar, der Griff zum Molotowcoc­ktail nicht weit.

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