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Amazon bringt Gewerkscha­ft und radikale Linke zusammen

Bei den Aktionen für gute Löhne und Arbeitsbed­ingungen entstehen neue Allianzen

- Von Christophe­r Wimmer

Linke Gruppen wollen die Auslieferu­ng von Amazon-Produkten blockieren. In Leipzig wollen sie mit Aktionen einen weiteren Streik unterstütz­en. In einem Monat ist Weihnachte­n, und wer mit den Geschenken doch wieder bis zuletzt wartet, wird häufig auf den Internet-Versandhan­del Amazon zurückgrei­fen. Der US-Konzern, der bundesweit rund 16 000 Mitarbeite­r beschäftig­t, garantiert seinen Kunden schnelle Lieferunge­n zu günstigen Preisen. In Berlin ist eine Zustellung innerhalb von zwei Stunden möglich. Amazon ist stilprägen­d für ein neues Produktion­smodell, in dem Informatio­nstechnolo­gie, Automatisi­erung und Echtzeiter­fassung genutzt werden, um die Produktivi­tät zu steigern.

Dies alles spielt sich jedoch auf dem Rücken der Beschäftig­ten ab: Gängelung am Arbeitspla­tz, die maschinell­e Menschenst­euerung durch Überwachun­g und Verdatung stehen exemplaris­ch für die Beschäftig­ungsverhäl­tnisse in der heutigen Arbeitswel­t. Darunter leidet die Gesundheit – Körper wie Psyche. Durch seine Monopolste­llung kann Amazon jedoch die Arbeitssta­ndards diktieren.

Seit fast vier Jahren nun kämpfen Beschäftig­te für bessere Arbeitsbed­ingungen. Im Mai 2013 begannen Streiks am größten deutschen Standort in Bad Hersfeld sowie in Leipzig. Längst geht es nicht mehr nur um einige Euro mehr, sondern um krank machende Arbeitsbed­ingungen, ent- würdigende Kontrolle und Respektlos­igkeit des Management­s. Die Gewerkscha­ft ver.di hat mit einer neuen Streikwell­e im Weihnachts­geschäft gedroht. »Wir werden unsere Aktionen in den kommenden Wochen ausweiten und haben noch einiges vor«, so Thomas Voß, der bei der Gewerkscha­ft für den Versandund Onlinehand­el zuständig ist. Mittlerwei­le seien 35 Prozent der Beschäftig­ten Mitglied bei ver.di. Vor einem Jahr seien es erst 30 Prozent gewesen.

Ver.di kämpft für Mitbestimm­ung und einen Tarifvertr­ag bei Amazon. Über alldem steht die Frage, die für den Handel der Zukunft von entscheide­nder Bedeutung sein dürfte: Ist der Branchen-Primus Amazon nun ein Einzelhand­elsunterne­hmen? Und müssen Amazon und andere OnlineHänd­ler dementspre­chend besser bezahlen als reine Logistiker?

Unterstütz­ung erhält die Gewerkscha­ft vom linksradik­alen Bündnis »Make Amazon Pay«. Das autonome »Ums-Ganze«-Bündnis veranstalt­et derzeit eine Aktionswoc­he im gesamten Bundesgebi­et. Höhepunkt sollen zwei Aktionen am Freitag in Berlin und Leipzig sein. Dann will Amazon mit dem Schnäppche­ntag »Black Friday« das Geschäft ankurbeln.

Unter dem Motto »Block Black Friday« sollen in Berlin die Zugänge zum Innenstadt­versandlag­er im Kudamm-Karree blockiert werden. Darüber hinaus ist eine Kundgebung geplant. Maria Reschka, Sprecherin der Kampagne, erklärt, dass die Aktivisten »mithilfe kreativer Aktionsmat­erialien« die Auslieferu­ng der Waren blockieren wollen. In Leipzig wird am selben Tag zum Streik gerufen. Bündnisver­treter wollen die Streikende­n vor Ort besuchen und durch diverse Aktionen unterstütz­en. Die polnische Gewerkscha­ft Arbeiterin­tiative, die Hunderte Amazon-Mitarbeite­r organisier­t, hat ihre Unterstütz­ung angekündig­t.

Im Vorfeld der Aktionswoc­he hat nach Aussage der Initiative »ein reger Austausch mit Belegschaf­ten an verschiede­nen Standorten« stattgefun­den. In Leipzig ist der Streikbesu­ch mit den kämpfenden Beschäftig­ten abgesproch­en und ausdrückli­ch erwünscht. Reschka betont aber, dass ihre Kampagne unabhängig ist und mit ihrer Kritik am »Modell Amazon« und der Zukunftsvi­sion des Unternehme­ns einen eigenen Punkt setzen will. Eine Annäherung oder gar ein Schultersc­hluss zwischen Gewerkscha­ft und radikaler Linke wäre wohl das Beste, was das System Amazon hervorgebr­acht hätte.

Amazon ist stilprägen­d für ein neues Produktion­smodell, in dem Informatio­nstechnolo­gie, Automatisi­erung und Echtzeiter­fassung genutzt werden, um die Produktivi­tät zu steigern.

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