nd.DerTag

Profitmaxi­miererei vor Menschen

- Von Helmut Born

Der Siemens-Vorstand hat mit der Ankündigun­g der Vernichtun­g Tausender Arbeitsplä­tze und der Schließung von mindestens zwei Werken in Erfurt und Görlitz einen Sturm der Entrüstung entfacht. Erst vor Kurzem hatte er bekannt gegeben, dass er 2016 einen Gewinn von 6,2 Milliarden Euro gemacht hatte. Offensicht­lich dachte der Vorstand, dass nach der wie im Frühkapita­lismus durgezogen­en Zerschlagu­ng und dem Rausschmis­s von Tausenden Beschäftig­ten bei Air Berlin die Zeit gekommen sei, ohne Rücksicht auf Beschäftig­te ein Programm der Strukturbe­reinigung durchzuzie­hen. Aber erfreulich­erweise gibt es bei Siemens massive Proteste und eine IG Metall, die sich daran erinnert, dass eine Gewerkscha­ft eine Kampforgan­isation sein sollte und den Abbaupläne­n Paroli bietet. Ihr Kampf erfährt breite öffentlich­e Unterstütz­ung, nicht nur von LINKE und SPD.

Auch wenn klar ist, dass dem Siemens-Vorstand in der Frage des Abbaus der Arbeitsplä­tze die rote Karte gezeigt werden muss, so haben die Pläne auch mit falschen Weichenste­llungen in der Politik zu tun. Hier sei zuallerers­t die Deckelung der Förderung der Windenergi­e zu nennen. Aber auch die Politik der neuen nordrhein-westfälisc­hen Landesregi­erung aus CDU und FDP behindert den weiteren Ausbau der Windenergi­e. Mit ihrem Beschluss, den Mindestabs­tand zur Wohnbebauu­ng auf 1200 Meter zu vergrößern, hat die Landesregi­erung den weiteren Ausbau zum Erliegen gebracht. In dieser Branche wurden schon mehrere Be-

triebe, wie Powerblade­s und Senvion, geschlosse­n. Jetzt sollen auch bei dem Siemens-Windradbau­er Gamesa mehrere Tausend Arbeitsplä­tze gestrichen werden. Die politische Bremsung der Energiewen­de bringt eine ganze Branche an den Rand des Zusammenbr­uchs. Dies gilt auch für die Solarindus­trie, die zusätzlich mit heftiger internatio­naler Konkurrenz zu kämpfen hat.

Weiter führt das Festhalten an der Kohleverst­romung dazu, dass immer weniger neue CO2-arme Kraftwerke gebaut werden. Während RWE, Eon, EnBW und die anderen stromerzeu­genden Unternehme­n, die Belegschaf­ten in den Kraftwerke­n immer weiter verkleiner­n, führt die Politik der Bundesregi­erung zu immer weniger Aufträgen für neue Gaskraftwe­rke. Dies schlägt sich unmittelba­r bei Siemens nieder, die nur noch wenig Aufträge für Turbinen bekommen. Dabei hat der durch die Öffentlich­keit erzwungene Neubau der Düsseldorf­er Stadtwerke gezeigt, dass moderne Gaskraftwe­rke höchst effizient und klimavertr­äglich arbei- ten können. Hinzu kommt, dass viele Gaskraftwe­rke nicht wirtschaft­lich arbeiten können, da durch die Überproduk­tion in der Branche der Preis an der Strombörse für sie viel zu niedrig ist. Einzig die Kohle- und Atomkraftw­erksbetrei­ber können mit ihren großen fossilen Kraftwerke­n noch Gewinne erwirtscha­ften. Gaskraftwe­rke stehen häufig still, während die größten CO2-Emittenten weiter ihren Dreck in die Luft blasen.

Die Klimabeweg­ung fordert seit langem den Ausstieg aus der Verstromun­g der Kohle. Dies ist auch mehr als erforderli­ch, da Deutschlan­d mit seinem großen Anteil an der Verstromun­g der Braunkohle erheblich zur Klimakatas­trophe beiträgt. Das dies nicht zulasten der Beschäftig­ten gehen muss, hat die ver.diStudie zum »Sozialvert­räglichen Ausstieg aus der Kohleverst­romung« gezeigt. Auch wenn die Initiative »Gewerkscha­fter*innen für Klimaschut­z« den dort beschriebe­nen zeitlichen Ausstieg für erheblich zu lang halten, geht der dort beschriebe­ne Weg in die richtige Richtung. Der Weg zur CO2-freien Energiever­sorgung darf nicht durch die Entlassung der in den Kraftwerke­n Beschäftig­ten gegangen werden. Nicht nur ein sozial verträglic­her Ausstieg ist zu gewährleis­ten, sondern auch eine Beteiligun­g breiter Teile der Bevölkerun­g, der Beschäftig­ten, der Gewerkscha­ften, Unternehme­n und der örtlichen Politik am jeweiligen Strukturwa­ndel. Dabei muss auch die Rolle kommunaler Unternehme­n und Genossensc­haften gestärkt werden. Die Macht und der Einfluss der großen Energiekon­zerne müssen der Vergangenh­eit angehören.

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Foto: LINKE NRW Helmut Born ist Mitglied bei ver.di und in der Initiative »Gewerkscha­fter*innen für Klimaschut­z«.

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