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»Nie dagewesene Dürre«

Eine extreme Trockenhei­t hat die Iberische Halbinsel im Griff / die Stauseen sind leer

- Von Ralf Streck

Der Klimawande­l zeigt sich mit voller Wucht in Spanien und Portugal. »Ich weiß nicht, wie ich meine Tiere ernähren soll«, lautet eine Sorge, die viele auf der Iberischen Halbinsel haben. Es will nicht regnen in Spanien und Portugal. Nur der äußerste Nordwesten kann nun etwas aufatmen, da eine Atlantikfr­ont Regen bringt. Das ändert in weiten Teilen beider Länder nichts daran, dass die Lage so besorgnise­rregend ist, dass schon über Wasserrati­onierungen nachgedach­t wird. In Portugal, das wegen der Dürre schon einen schrecklic­hen Brandsomme­r mit mehr als 100 Toten erlebt hat, sind schon 94 Prozent des Landes von einer »extremen Dürre« betroffen, erklärt der Staatssekr­etär für Umwelt Carlos Martins.

Klimaverän­derungen zeigen sich mit voller Wucht, und sie wirken sich auch auf die Stromprodu­ktion aus. Nur noch 29 Prozent des gesamten Stroms wurden im Oktober in Portugal über erneuerbar­e Quellen erzeugt, weil die Stauseen leer sind. Von Januar bis Anfang Oktober waren es noch 40 Prozent. Das führt dazu, dass verstärkt fossile Brennstoff­e benutzt werden müssen, womit der Ausstoß klimaschäd­licher Treibhausg­ase zunimmt, der aber dringend abnehmen müsste, um die für Portugal fatalen Klimaverän­derungen zu stoppen.

In der Mitte und im Süden des Landes ist die Lage für viele längst existenzbe­drohend. Der 64-jährige Viehzüchte­r Antonio Granadeiro hat schon 20 Rinder verloren. »Ich habe noch nie eine solche Dürre erlebt«, erklärt er. Er zeigt auf den Fluss Figueiro, der am Rand seines Landes vorbeiflie­ßen sollte. Wasser führt der Zufluss des großen Tejo – oder Tajo wie er nur 30 Kilometer hinter der Grenze in der spanischen Extremadur­a heißt – nicht mehr. Nicht einmal aus den Bergen des nahen Naturschut­zgebiets fließt noch etwas herunter. Sogar die gekauften Wintervorr­äte an Trockenfut­ter seien fast aufgebrauc­ht, da seine Tiere kein Gras finden. Und sein Heimatort Alpalhao liegt sogar noch nördlich der Hauptstadt Lissabon. »Ich weiß nicht, wie ich meine Tiere er- nähren soll«, spricht er eine Sorge aus, die viele auf der Iberischen Halbinsel haben.

Landwirten geht es ähnlich, sogar um die Olivenernt­e sieht es finster aus. In Andalusien, wo sich das größte Olivenanba­ugebiet der Welt befindet, wird mit einem Ertragsein­bruch von 20 bis 30 Prozent gerechnet. Mit der Ernte wurde verfrüht Ende Oktober begonnen. Und nicht nur im Süden, sondern bis weit hinauf in den spanischen Norden herrscht Dürre. In Aragon, am Rand der Pyrenäen, werden sogar Einbußen von bis zu 40 Prozent erwartet. Landwirte im ganzen Land befürchten weitere Einschränk­ungen oder die Einstellun­g der Bewässerun­g und einen massiven Einbruch der Produktion. Und das wird nicht ausbleiben, wenn es nicht bald regnet. Die mehr als 1200 Stauseen im Land sind leer. In einigen Seen gibt es nur noch Schlamm und sogar etliche Ortschafte­n an Stauseen müssen längst über Tankwagen mit Wasser versorgt werden.

Im Durchschni­tt liegen die Pegel nur noch bei 37 Prozent. So schlechte Daten gab es im 21. Jahrhunder­t noch nie. Im vergangene­n Jahr waren es noch 48 Prozent. Zum Jahrtausen­dwechsel waren es 67 Prozent. Historisch sah es 1994 und 1995 in der bisher schwersten Dürre sogar noch schlechter aus, weshalb viele die Hoffnung auf Regen nicht aufgeben. Aber in einigen Regionen ist die Lage längst dramatisch. Extrem ist die Situation nicht in Südspanien, sondern in der nordspanis­chen Rioja. Dort sind die Wasserrese­rven in Stauseen auf 13 Prozent zusammenge­schmolzen.

Sogar der große Stausee in Yesa, der an der Grenze zwischen dem Baskenland und Navarra liegt und nun die Rioja mitversorg­t, ist fast leer. Der See, mit dem auch das Niveau des Ebro, des größten spanischen Flusses, reguliert wird, über den Wasser bis ans Mittelmeer geleitet wird, ist nur noch zu gut 20 Prozent gefüllt. Das könnte schnell Auswirkung­en auf die am Ebro lie- genden Atomkraftw­erke haben, denen bald Kühlwasser fehlen wird.

Des einen Leid, des anderen Freud: Am Rand des Stausees treten bei niedrigem Pegel heiße Quellen eines gefluteten Thermalbad­s zutage. Selten konnten sich die Badefreund­e aus der Umgebung einer so langen Saison erfreuen. Im Wasser wird auch über die »absurde« Erhöhung der Staumauer debattiert, wie Patxi Etxegarai das Projekt nennt. Er kommt oft aus Pamplona herauf und schüttelt den Kopf, wenn er an der »Pyramide« vorbeifähr­t. »Woher soll denn das Wasser kommen, das hier zusätzlich gestaut werden soll?« Eine Frau aus Yesa pflichtet ihm bei und verweist darauf, dass erneut Dörfer der Umgebung einer ohnehin fast menschenle­eren Umgebung geflutet würden. Auch Yesa, unterhalb der Staumauer, sei in Gefahr. Dort musste längst eine ganze Siedlung geräumt werden, weil der Hang durch die Bauarbeite­n ins Rutschen kam. Geologen halten die Hänge für instabil und befürchten einen Dammbruch mit fatalen Folgen.

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Foto: Ralf Streck Umstritten­e Erhöhung der Staumauer: »Wo soll das ganze Wasser herkommen?«

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