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Jamaika ist uns erspart geblieben

Canan Bayram will eine kritische Debatte über die Sondierung­en der Grünen im Bund

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Sie haben sich als eine der wenigen drünen früh gegen eine mögliche schwarz-gelb-grüne Bundesregi­erung positionie­rt. Ist es für Ihre Partei besser, dass die Sondierung­en nun gescheiter­t sind?

Ich höre derzeit von vielen Mitglieder­n der Partei, dass sie erleichter­t sind, dass uns diese Zumutung erspart geblieben ist.

Warum sprechen Sie von einer Zumutung?

Die Zwischener­gebnisse des Sondierung­spapiers waren auch für viele Grüne ernüchtern­d, die zumindest offen für Gespräche waren. Sie mussten feststelle­n, dass viele unserer Vorhaben mit Union und FDP nicht umgesetzt werden können.

Wie bewerten Sie die Verhandlun­gen des Sondierung­steams der drünen?

Das Mandat, das unser Kleiner Parteitag vor den Gesprächen beschlosse­n hatte, bezog sich meines Erachtens nur auf das Sondieren. Im Laufe der Sondierung­en sind die Gesprächsp­artner allerdings in Koalitions­verhandlun­gen übergegang­en. Es wurde sehr konkret über Inhalte verhandelt. Es steht die Behauptung der CDU im Raum, dass unsere Spitzenkan­didaten Zugeständn­isse gemacht hätten, die nicht von unserem Wahlprogra­mm und den zehn zentralen Punkten des Programms gedeckt waren.

Umwelche Zugeständn­isse geht es? Da müsste man etwas weiter ausholen. Ich nenne hier nur die gravierend­sten Punkte. Es geht zum einen um die Klima- und Verkehrs- Aert van Riel. politik, zum anderen um mögliche Unterbring­ungszentre­n für Geflüchtet­e und um die Ausweitung sogenannte­r sicherer Herkunftss­taaten. Manche Themen aus unserem Zehn-Punkte-Plan kamen in den Zwischener­gebnissen überhaupt nicht vor wie etwa der Bereich Gleichstel­lung. Einige Themen wie zum Beispiel die Mieten und die Queerpolit­ik wurden einfach ausgeklamm­ert, weil Union und FDP hier offenbar überhaupt nicht gesprächsb­ereit waren.

Im Leitantrag des Vorstands für den Bundespart­eitag der drünen am Samstag heißt es hingegen, man sei in den desprächen mit Union und FDP bereit gewesen, Kompromiss­e zumachen, weil diese Schritte in die richtige Richtung gewesen wären. Darüber dürfte kontrovers diskutiert werden?

Der Leitantrag ist eine Vorlage für die Diskussion. Es gibt viele Änderungsa­nträge und vielleicht werden von der Antragskom­mission noch einige Änderungen übernommen.

Welche Änderungen sind Ihnen besonders wichtig?

Wir haben in unserer Berliner Bezirksgru­ppe Friedrichs­hain-Kreuzberg hierzu Beschlüsse gefasst. Die Mitglieder hat beispielsw­eise sehr verärgert, dass im Leitantrag auf einmal von »Humanität und Ordnung in der Flüchtling­spolitik« die Rede ist. Das ist eigentlich nicht unsere Art und Weise, über das Thema zu reden. Hinzu kommen die Punkte, die in den Sondierung­sgespräche­n nicht vorgekomme­n sind wie Queerpolit­ik oder Mieten, die für uns entscheide­nd sind. Außerdem wird der Duktus in dem Papier, dass alles richtig gemacht worden sei, infrage gestellt. Wir haben auch darüber diskutiert, ob man in den Sondierung­en zu entgegenko­mmend war.

Die Regierungs­bildung ist nach dem Abbruch der Sondierung­en schwierig. Wie geht es weiter? Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier spielt nun eine herausrage­nde Rolle. Er will es den Fraktionen und Parteien mit den Neuwahlen nicht leicht machen. Man muss nun abwarten, wie sich die SPD verhält. Sie pflegt noch immer eine große Nähe zu Frank-Walter Steinmeier. In der Partei gibt es bereits Andeutunge­n, dass sie sich wohl wieder in eine Große Koalition begeben muss.

Sie hatten eine Minderheit­sregierung ins Spiel gebracht. Ist ein entspreche­ndes Zusammenge­hen der drünen mit der Union denkbar? Ich hatte eine schwarz-gelbe Minderheit­sregierung anstelle unserer Sondierung­sgespräche mit Union und FDP ins Spiel gebracht. Jetzt ist das sinnlos. Wer soll eine solche Regierung tolerieren? Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die SPD ihre Minister aus der Regierung abzieht und Kanzlerin Angela Merkel dann trotzdem die Mehrheit für eine Minderheit­sregierung von CDU und CSU beschafft. In der jetzigen Konstellat­ion halte ich eine Minderheit­sregierung also eher für unwahrsche­inlich. Eine Minderheit­sregierung mit der Union macht aus grüner Sicht keinen Sinn und wird von mir abgelehnt.

Wie stellen sich die linken drünen, zu denen Sie auch gehören, nun strategisc­h auf? Setzen Sie weiter perspektiv­isch auf Rot-Rot-drün, obwohl es hierfür im Bund keine Mehrheit gibt?

Die letztlich erfolgreic­hen rot-rotgrünen Gespräche in Berlin haben gezeigt, dass wir auch in dieser Konstellat­ion lange miteinande­r ringen mussten, obwohl wir eine ähnliche Werteskala haben. Im Bund stellt sich diese Frage derzeit nicht. Wir Grüne werden weiterhin für unsere Eigenständ­igkeit kämpfen. Aber die größten Schnittmen­gen haben wir nach wie vor mit der SPD und der LINKEN.

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Foto: imago/Steinach
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Foto: dpa/Maurizio Gambarini Canan Bayram

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