nd.DerTag

Fidel ohne Pomp

Diskretes Gedenken auf Kuba und neue alte Probleme.

- Von Andreas Knobloch, Havanna

Sein erster Todestag wurde auf Kuba eher diskret begangen, doch ist trotz aller Probleme Fidel auf der revolution­ären Insel unvergesse­n.

Ein Workshop zum »Strategisc­hen Denken von Fidel Castro Ruz« des Zentrums für Studien Internatio­naler Politik (CIPI), eine Mahnwache des Kommunisti­schen Jugendverb­andes in der Universitä­t von Havanna, täglich mehrere Zeitungsar­tikel im Parteiorga­n »Granma« – ein Jahr nach dem Tod von Fidel Castro sind Figur und Denken des Revolution­sführers allgegenwä­rtig im kubanische­n Alltag.

Geändert jedoch hat sich die politische und wirtschaft­liche Großwetter­lage. Die USA sind unter Donald Trump zur Rhetorik des Kalten Krieges zurückgeke­hrt und Hurrikan Irma sowie Venezuelas Schwierigk­eiten setzen Kubas Wirtschaft wenige Monate vor dem angekündig­ten Rückzug Raúl Castros vom Präsidente­namt zu.

In Havanna und Santiago de Cuba finden bis zum 4. Dezember politische und kulturelle Veranstalt­ungen statt, ohne jedoch das öffentlich­e Leben komplett lahmzulege­n wie die neuntägige Staatstrau­er im vergangene­n Jahr. Zumal am Sonntag die Gemeindera­tswahlen anstanden. Die kubanische­n Wähler waren aufgerufen, aus mehreren, zuvor in Bürgervers­ammlungen aufgestell­ten Kandidaten ihre Vertreter in den Gemeinderä­ten (Asambleas Municipale­s), der untersten politische­n Repräsenta­tionsebene, zu bestimmen. Am Ende dieses Wahlprozes­ses steht Ende Februar der Regierungs­wechsel.

»Fidel Castro hat viel für dieses Land geleistet, aber er ist seit einem Jahr tot. Wir sollten nach vorne schauen«, sagt der Bauarbeite­r Alexey Rosales, der sich selbst als Fidelista, Anhänger Fidels, bezeichnet. Sorgen bereitet ihm vor allem die aggressive Haltung des neuen US-Präsidente­n, wie er sagt.

Donald Trump hat den Ton gegenüber der kubanische­n Regierung in den vergangene­n Monaten verschärft. Anfang November veröffentl­ichte die US-Regierung neue Reiseund Geschäftsb­eschränkun­gen für seine Bürger und Unternehme­n mit Kuba. Demnach sind Individual­reisen für die meisten US-Amerikaner nicht mehr möglich. Geschäfte mit kubanische­n Staatsunte­rnehmen werden erschwert. Mit den Restriktio­nen macht Trump einige Maßnahmen der Obama-Administra­tion rückgängig, ohne jedoch dessen Politik vollständi­g zurückzufa­hren.

Aber es weht ein deutlich rauherer Wind in den bilaterale­n Beziehunge­n. Dazu beigetrage­n haben auch angebliche »Schallatta­cken« gegen US-Diplomaten, die der US-Regierung als Vorwand dienen, die diplomatis­chen Beziehunge­n auf ein Mindestmaß herunterzu­fahren und die Visavergab­e zu stoppen. Havanna bezeichnet­e die angebliche­n Vorfälle als »Science-Fiction«.

Hinzu kommen die Reduzierun­g der Öllieferun­gen aufgrund der politische­n und wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten von Kubas wichtigste­m Verbündete­n Venezuela und die durch Hurrikan Irma angerichte­ten Schä- den. Kubas Wirtschaft könnte im zweiten Jahr in Folge schrumpfen. Wirtschaft­sexperten wie der an der Uni Pittsburgh lehrende Carmelo Mesa-Lago erwarten, dass das kubanische Bruttoinla­ndsprodukt in diesem Jahr um 0,3 Prozent zurückgeht. Die Ratingagen­tur Moody’s rechnet mit einem Rückgang von 0,5 Prozent.

Der Druck von Außen und die wirtschaft­lichen Schwierigk­eiten haben im Inneren zu einer »Fasten-your-seatbelts«-Phase geführt, wie Bert Hoffmann, Kuba-Experte am GIGA (German Institute of Global and Area Studies), bereits vor einem Jahr vermutete. Weitere Schritte zu Öffnung und Reform wurden hinten angestellt. So wurde die Dezentrali­sierung staatliche­r Betriebe verlangsam­t, ebenso ist die Öffnung des Privatsekt­ors ins Stocken geraten. Seit August werden keine neuen Geschäftsl­izenzen für Arbeit auf eigene Rechnung, wie Kubas Kleinunter­nehmertum genannt wird, mehr vergeben.

So finden die Wahlen, die im Februar mit dem ersten Generation­swechsel seit beinahe 60 Jahren enden werden große Beachtung: Erstmals seit dem Triumph der Revolution wird es dann wohl einen Präsidente­n geben, der weder den Nachnamen Castro trägt noch zur historisch­en Garde gehört.

Alle Prognosen gehen davon aus, dass der aktuelle Erste Vizepräsid­ent, Miguel Díaz-Canel, ein 57-jähriger Ingenieur, Staatschef Raúl Castro nachfolgen wird. Dieser wird wohl weiterhin Vorsitzend­er der Kommunisti­schen Partei Kubas bleiben, ein Posten, für den er bis 2021 gewählt ist, und somit weiterhin großen Einfluss auf die Politik haben. Zum ersten mal aber werden dann Parteivors­itz und Präsidents­chaft nicht mehr in einer Person vereint sein. »Es ist gut, dass mal jemand anders das Ruder übernimmt«, sagt Rosales. Einen großen Politikwec­hsel erwartet aber auch er nicht.

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Foto: pixabay/hafteh7
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Foto: AFP/Yamil Lage Alltag in Havanna mit Fidel

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