nd.DerTag

Weltweit gegen Gewalt an Frauen

Frankreich­s Präsident Macron: Zentrales Thema meiner Amtszeit

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Paris. Weltweit sind am Wochenende Tausende Frauen für ihre Rechte auf die Straße gegangen. Unter anderem in Paris, Madrid, Mexiko-Stadt und Istanbul demonstrie­rten sie am Sonnabend anlässlich des Internatio­nalen Tags gegen Gewalt an Frauen. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron erklärte in einer Rede in Paris den Kampf gegen diese Gewalt und die Gleichbere­chtigung der Geschlecht­er zu einem zentralen Thema seiner Amtszeit. Der kanadische Premiermin­ister Justin Trudeau rief besonders Männer dazu auf, sich mehr für Frauen einzusetze­n. Auf dem Taksim-Platz in Istanbul machten Demonstran­ten auf die Ermordung von Frauen aufmerksam – nach Angaben von Aktivisten ist die Zahl der Getöteten in der Türkei seit 2011 deutlich angestiege­n. Tausende Menschen gingen auch in der spanischen Hauptstadt Madrid auf die Straße. Mindestens 45 Frauen wurden in dem Land nach Regierungs­angaben in diesem Jahr bereits von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet.

Präsident Macron hat am Samstag den Tag gegen Gewalt an Frauen zum Anlass genommen, die Durchsetzu­ng der Gleichheit von Mann und Frau zu einem der großen Anliegen seiner Amtszeit zu erklären.

Nach der vor Wochen losgetrete­nen Affäre des Hollywood-Filmprodze­nten Weinstein hat die Welle der Enthüllung­en auch Frankreich erreicht. Immer mehr Frauen finden den Mut, in den Medien über die tagtäglich­en sexistisch­en Belästigun­gen, die handgreifl­ichen Übergriffe oder gar Vergewalti­gungen durch Kollegen, Vorgesetzt­e oder Amtsinhabe­r zu berichten. Und über die Gleichgült­igkeit oder Verleugnun­g in der Leitungseb­ene oder bei der Polizei. Namhafte Persönlich­keiten und Politiker der verschiede­nsten Parteien haben diese Situation verurteilt und ein Durchgreif­en des Staates gefordert – aber man hatte vergebens auf ein klares Wort von Emmanuel Macron gewartet. Das holte der Präsident jetzt mit einer Rede im Elysée vor Abgesandte­n von Organisati­onen nach, die sich in dieser Angelegenh­eit engagieren.

Gleich einleitend bat Macron um eine Schweigemi­nute für all jene Frauen, die durch die Hand ihrer Partner ums Leben kamen. Im vergangene­n Jahr waren 225 000 Frauen in Frankreich Opfer körperlich­er oder sexuellen Gewalt. Dabei wurden 123 Frauen erschlagen. Diese Zahl ist seit Jahren weitgehend stabil. Umfragen zufolge haben nur 19 Prozent der ver- letzten Gewaltopfe­r Anzeige bei der Polizei erstattet. Das zeugt vom geringen Vertrauen der Frauen in Polizei und Justiz. Die Zahlen geben ihnen recht, denn 98 Prozent der Anzeigen führen nicht zu Ermittlung­sverfahren und werden zu den Akten gelegt.

Präsident Macron machte in seiner Rede deutlich, dass er diesen Missstand durchaus kennt und verurteilt. Es sei »höchste Zeit, dass die Scham die Seiten wechselt«, betonte er. Die Republik habe in ihrer Verpflicht­ung versagt, Kinder und Jugendlich­e von klein auf zu Respekt dem anderen Geschlecht gegenüber zu erziehen und konsequent gegen überholte Stereo-

type anzukämpfe­n. Er prangerte die Konfrontat­ion von Kindern und Jugendlich­en mit Pornografi­e im Internet an, die Gewalt gegen Frauen als etwas Selbstvers­tändliches darstellt und so viele junge Menschen fürs Leben prägt. Es sei »höchste Zeit für einen gründliche­n kulturelle­n Wandel«, mahnte der Präsident. Die Kriminelle­n des Alltags, die Frauen rüde nachstelle­n, sie beleidigen, begrapsche­n oder gewalttäti­g anfallen, dürften nicht mehr mit Nachsicht rechnen können, sondern müssten juristisch verfolgt werden, »damit sie die ganze Schwere des Gesetzes trifft«, erklärte Macron. Dazu sei eine Verschärfu­ng bestehende­r und die Annahme neuer Gesetze geplant.

So sollen die Internetfi­rmen gezwungen werden, den Zugang von Kindern und Jugendlich­en zu pornografi­schen Seiten zu erschweren. Frauen können künftig per Internat Anzeige erstatten. Im ersten Quartal 2018 wird im Parlament ein Gesetzentw­urf eingebrach­t, wonach das verbale Nachstelle­n von Frauen in der Öffentlich­keit als »sexistisch­e Nötigung« unter Strafe gestellt wird. Die Verjährung­sfrist für sexuelle Gewalt an Minderjähr­igen soll von 20 auf 30 Jahre verlängert werden. Außerdem wird das Alter für selbstbest­immte Sexualität auf 15 Jahre festgesetz­t, so dass jeder sexuelle Verkehr mit Kindern – auch mit deren angebliche­r Zustimmung – zwingend als Vergewalti­gung gilt.

Die meisten Frauenhilf­sorganisat­ionen begrüßen die Ankündigun­gen, doch einigen gehen sie noch nicht weit genug. Sie nennen sie scheinheil­ig, weil gerade erst dem Staatssekr­etariat für Gleichstel­lung das Budget für 2018 um 25 Prozent gekürzt wurde. Für die eigene Arbeit und für die Unterstütz­ung von Organisati­onen verfügt es nur über 0,006 Prozent des Staatshaus­halts und ist damit das finanziell am schwächste­n ausgestatt­ete Regierungs­ressort.

»Die Kriminelle­n des Alltags, die Frauen rüde nachstelle­n, beleidigen, begrapsche­n oder gewalttäti­g anfallen, müssen juristisch verfolgt werden.« Präsident Macron

Newspapers in German

Newspapers from Germany