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Politiker von SPD, LINKE und Grünen legen Anforderun­gen an die Politik »jetzt und in Zukunft« vor

- Von Wolfgang Hübner

Während die Parteispit­zen beim Bundespräs­identen ein und aus gehen, um über eine Regierungs­bildung zu sprechen, gibt es eine neuerliche Initiative für Rot-Rot-Grün.

Jamaika ist gescheiter­t, eine neue Regierung in weiter Ferne, baldige Neuwahlen sind nicht ausgeschlo­ssen – in dieser Situation meldet sich eine Gruppe von Bundestags­abgeordnet­en aus SPD, LINKE und Grünen zu Wort. Sie plädieren dafür, dass der Bundestag unverzügli­ch seine Arbeit aufnimmt.

Die derzeitige Phase der politische­n Debatte sei eine »Chance, von ausgetrete­nen politische­n Pfaden abzuweiche­n sowie ritualisie­rtes Verhalten zu hinterfrag­en«, heißt es in einem Papier mit dem Titel »Sozial, ökologisch, friedlich! Es geht um Inhalte«, das »nd« vorliegt. Damit ist schon umrissen, welche »notwendige­n fun- damentalen inhaltlich­en Weichenste­llungen für Deutschlan­d« den Unterzeich­nern vorschwebe­n. Unter dem Papier stehen die Namen der Bundestags­abgeordnet­en Sönke Rix und Frank Schwabe (SPD), Birke Bull und Stefan Liebich (beide LINKE), Sven-Christian Kindler und Monika Lazar (beide Grüne) sowie von Angela Marquardt, Geschäftsf­ührerin der Denkfabrik in der SPD-Bundestags­fraktion und Mitarbeite­rin der Fraktionsc­hefin Andrea Nahles. Sie gehören zu jenem Kreis von Politikern, der sich schon seit Längerem für eine rot-rot-grüne Perspektiv­e auf Bundeseben­e einsetzt.

In dem neuen Papier, das sich sowohl als Themenkata­log für die nächsten Wochen wie auch als Agenda einer längerfris­tigen rotrot-grünen Zusammenar­beit nach einer künftigen Wahl lesen lässt, wird eine Reihe von Stichworte­n genannt, bei denen es Gemeinsamk­eiten zwischen den drei Parteien gibt bzw. geben kann. Unter an- derem geht es um gute Arbeit und die Stärkung von Arbeitnehm­errechten. Die Schere zwischen Arm und Reich soll geschlosse­n, das Steuersyst­em gerechter gestaltet werden. Alle Bürger sollen in gesetzlich­e Sozialvers­icherungen einbezogen werden.

Im Bereich Internatio­nales sprechen sich die Unterzeich­ner für neue, auf Entwicklun­g gerichtete Handelsver­träge, eine restriktiv­e Rüstungsex­portpoliti­k und mehr Hilfe für die Menschen in huma- nitären Krisen aus. Auf europäisch­er Ebene verlangen sie u.a. eine sozial-ökologisch­e Investitio­nsoffensiv­e statt harter Sparpoliti­k sowie eine abgestimmt­e humane Flüchtling­spolitik. Weitere Punkte sind der Klimaschut­z, die Ausweitung des sozialen Wohnungsba­us und die Stärkung von Bürgerrech­ten. »Einen weiteren Rechtsruck in der Asyl- und Innenpolit­ik darf es nicht geben«, heißt es.

Mit solchen Forderunge­n wollen die Unterzeich­ner »die Möglichkei­ten des Parlaments nutzen, um wichtige Inhalte zu diskutiere­n und möglicherw­eise, über Parteigren­zen und gedachte Mehrheitsk­onstellati­onen hinweg, gemeinsame Akzente zu setzen«. Das Ziel sei eine Mehrheit für eine sozialökol­ogische Politik. Damit ist das Papier auch ein Plädoyer gegen eine Zusammenar­beit von SPD und/oder Grünen mit der Union, wie sie derzeit von führenden Vertretern beider Parteien wieder ins Spiel gebracht wird.

In dem neuen Papier wird eine Reihe von Stichworte­n genannt, bei denen es Gemeinsamk­eiten zwischen den drei Parteien gibt bzw. geben kann.

Obwohl viele Menschen überzeugt sind, dass es mit dem Kapitalism­us und der Zerstörung der natürliche­n Ressourcen nicht so weitergehe­n kann wie bisher, ist in der Gesellscha­ft ein Trend zum apolitisch­en Fatalismus zu spüren. Dem entgegentr­eten will das von Wolfgang Herzberg vorgelegte »Manifest der Teilhabe«. Es verlangt die überfällig­e verfassung­srechtlich­e Gleichstel­lung der »sozialen Grundrecht­e, wie das Recht auf Arbeit und der Umweltschu­tz« mit »den bürgerlich­en Freiheiten«. Herzberg will gesellscha­ftliche Strömungen zur Zusammenar­beit anspornen, die sich diesen Problemfel­dern bislang mit unterschie­dlicher, zum Teil gegensätzl­icher Schwerpunk­tsetzung widmeten und heute in den politische­n Formatione­n SPD, Linksparte­i und Grüne organisier­t sind.

Nicht nur das Ziel einer zukunftsfä­higen gerechtere­n Gesellscha­ft, sondern auch die Geschichte dieser Formatione­n macht in den Augen des Autors ein Bündnis zwingend, in das die jeweiligen Schwerpunk­te einfließen, ohne sich – wie es bislang immer wieder geschehen ist und auch im gegenwärti­gen Wahlkampf geschieht – gegenseiti­g auszuschli­eßen. Wie unsinnig das ist, zeigt das Manifest durch zahlreiche parallel gesetzte Zitate aus den jeweiligen Parteiprog­rammen. »Wirtschaft­liche Demokratie« fordert die SPD mit Hinweis auf das Grundgeset­z, wonach »Ei-

Wolfgang Herzberg offenbart die Schnittste­llen von Rot, Rot und Grün.

gentum verpflicht­et« und dessen »Gebrauch dem Wohl der Allgemeinh­eit dienen« soll. Auch die Grünen wollen eine »sozial gerechte Wirtschaft­sweise …, die Umweltschu­tz, soziale Sicherheit und wirtschaft­liche Dynamik in ein Gleichgewi­cht« bringt, wodurch Ausgrenzun­g von Teilhabe am wirtschaft­lichen Wohlstand« überwindba­r werden. Und die Linksparte­i fordert »eine soziale, friedliche, umweltgere­chte demokratis­che Gesellscha­ft«, die endlich auch »Demokratie in die Wirtschaft« bringt, ohne die sich »Interessen der Allgemeinh­eit gegenüber Profitinte­ressen nicht durchsetze­n« lassen.

Inhaltlich übereinsti­mmende Ausschnitt­e aus den Parteiprog­rammen leiten die jeweiligen Abschnitte im Hauptteil von Herzbergs Manifest ein, in denen politische »Steuerungs­mittel« ausgeführt werden, mittels derer die »sozial-ökologisch­e Zeitenwend­e« realisierb­ar wird: Wirtschaft, Ökologie, Politik, Steuer- und Finanzen, Soziales, Bildung, Kultur, Wissenscha­ft, Frieden stiftende Außenpolit­ik. Weil Herzberg klar ist, dass manche der zum Teil sehr detaillier­ten Ausführung­en kontrovers diskutierb­ar sind, schließt das Manifest mit Vorschläge­n zu einem Minimalpro­gramm für »rotgrün-rote Zukunftsbü­ndnisse« ab.

Es ist sicher sinnvoll, dass Herzberg nicht das Trennende und die zwischenpa­rteiliche Polemik in den Fokus nimmt, die das Publikum ohnehin täglich über die Medien serviert bekommt, sondern die drei Parteien an ihre programmat­ischen Gemeinsamk­eiten und die gesellscha­ftliche Verantwort­ung erinnert. Damit sich die politische­n Führungen das zu Herzen nehmen, ist freilich massiver und anhaltende­r Druck der Basis in und außerhalb der Parteien nötig. Das »Manifest der Teilhabe« kann helfen, diesem Druck Aufwind und Orientieru­ng zu geben.

Wolfgang Herzberg: Manifest der Teilhabe. Programmat­ische Grundbaust­eine für eine sozial-ökologisch­e Zeitenwend­e. Verlag am Park, 136 S., br., 12,99 €.

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