Los jetzt hier!
Politiker von SPD, LINKE und Grünen legen Anforderungen an die Politik »jetzt und in Zukunft« vor
Während die Parteispitzen beim Bundespräsidenten ein und aus gehen, um über eine Regierungsbildung zu sprechen, gibt es eine neuerliche Initiative für Rot-Rot-Grün.
Jamaika ist gescheitert, eine neue Regierung in weiter Ferne, baldige Neuwahlen sind nicht ausgeschlossen – in dieser Situation meldet sich eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten aus SPD, LINKE und Grünen zu Wort. Sie plädieren dafür, dass der Bundestag unverzüglich seine Arbeit aufnimmt.
Die derzeitige Phase der politischen Debatte sei eine »Chance, von ausgetretenen politischen Pfaden abzuweichen sowie ritualisiertes Verhalten zu hinterfragen«, heißt es in einem Papier mit dem Titel »Sozial, ökologisch, friedlich! Es geht um Inhalte«, das »nd« vorliegt. Damit ist schon umrissen, welche »notwendigen fun- damentalen inhaltlichen Weichenstellungen für Deutschland« den Unterzeichnern vorschweben. Unter dem Papier stehen die Namen der Bundestagsabgeordneten Sönke Rix und Frank Schwabe (SPD), Birke Bull und Stefan Liebich (beide LINKE), Sven-Christian Kindler und Monika Lazar (beide Grüne) sowie von Angela Marquardt, Geschäftsführerin der Denkfabrik in der SPD-Bundestagsfraktion und Mitarbeiterin der Fraktionschefin Andrea Nahles. Sie gehören zu jenem Kreis von Politikern, der sich schon seit Längerem für eine rot-rot-grüne Perspektive auf Bundesebene einsetzt.
In dem neuen Papier, das sich sowohl als Themenkatalog für die nächsten Wochen wie auch als Agenda einer längerfristigen rotrot-grünen Zusammenarbeit nach einer künftigen Wahl lesen lässt, wird eine Reihe von Stichworten genannt, bei denen es Gemeinsamkeiten zwischen den drei Parteien gibt bzw. geben kann. Unter an- derem geht es um gute Arbeit und die Stärkung von Arbeitnehmerrechten. Die Schere zwischen Arm und Reich soll geschlossen, das Steuersystem gerechter gestaltet werden. Alle Bürger sollen in gesetzliche Sozialversicherungen einbezogen werden.
Im Bereich Internationales sprechen sich die Unterzeichner für neue, auf Entwicklung gerichtete Handelsverträge, eine restriktive Rüstungsexportpolitik und mehr Hilfe für die Menschen in huma- nitären Krisen aus. Auf europäischer Ebene verlangen sie u.a. eine sozial-ökologische Investitionsoffensive statt harter Sparpolitik sowie eine abgestimmte humane Flüchtlingspolitik. Weitere Punkte sind der Klimaschutz, die Ausweitung des sozialen Wohnungsbaus und die Stärkung von Bürgerrechten. »Einen weiteren Rechtsruck in der Asyl- und Innenpolitik darf es nicht geben«, heißt es.
Mit solchen Forderungen wollen die Unterzeichner »die Möglichkeiten des Parlaments nutzen, um wichtige Inhalte zu diskutieren und möglicherweise, über Parteigrenzen und gedachte Mehrheitskonstellationen hinweg, gemeinsame Akzente zu setzen«. Das Ziel sei eine Mehrheit für eine sozialökologische Politik. Damit ist das Papier auch ein Plädoyer gegen eine Zusammenarbeit von SPD und/oder Grünen mit der Union, wie sie derzeit von führenden Vertretern beider Parteien wieder ins Spiel gebracht wird.
In dem neuen Papier wird eine Reihe von Stichworten genannt, bei denen es Gemeinsamkeiten zwischen den drei Parteien gibt bzw. geben kann.
Obwohl viele Menschen überzeugt sind, dass es mit dem Kapitalismus und der Zerstörung der natürlichen Ressourcen nicht so weitergehen kann wie bisher, ist in der Gesellschaft ein Trend zum apolitischen Fatalismus zu spüren. Dem entgegentreten will das von Wolfgang Herzberg vorgelegte »Manifest der Teilhabe«. Es verlangt die überfällige verfassungsrechtliche Gleichstellung der »sozialen Grundrechte, wie das Recht auf Arbeit und der Umweltschutz« mit »den bürgerlichen Freiheiten«. Herzberg will gesellschaftliche Strömungen zur Zusammenarbeit anspornen, die sich diesen Problemfeldern bislang mit unterschiedlicher, zum Teil gegensätzlicher Schwerpunktsetzung widmeten und heute in den politischen Formationen SPD, Linkspartei und Grüne organisiert sind.
Nicht nur das Ziel einer zukunftsfähigen gerechteren Gesellschaft, sondern auch die Geschichte dieser Formationen macht in den Augen des Autors ein Bündnis zwingend, in das die jeweiligen Schwerpunkte einfließen, ohne sich – wie es bislang immer wieder geschehen ist und auch im gegenwärtigen Wahlkampf geschieht – gegenseitig auszuschließen. Wie unsinnig das ist, zeigt das Manifest durch zahlreiche parallel gesetzte Zitate aus den jeweiligen Parteiprogrammen. »Wirtschaftliche Demokratie« fordert die SPD mit Hinweis auf das Grundgesetz, wonach »Ei-
Wolfgang Herzberg offenbart die Schnittstellen von Rot, Rot und Grün.
gentum verpflichtet« und dessen »Gebrauch dem Wohl der Allgemeinheit dienen« soll. Auch die Grünen wollen eine »sozial gerechte Wirtschaftsweise …, die Umweltschutz, soziale Sicherheit und wirtschaftliche Dynamik in ein Gleichgewicht« bringt, wodurch Ausgrenzung von Teilhabe am wirtschaftlichen Wohlstand« überwindbar werden. Und die Linkspartei fordert »eine soziale, friedliche, umweltgerechte demokratische Gesellschaft«, die endlich auch »Demokratie in die Wirtschaft« bringt, ohne die sich »Interessen der Allgemeinheit gegenüber Profitinteressen nicht durchsetzen« lassen.
Inhaltlich übereinstimmende Ausschnitte aus den Parteiprogrammen leiten die jeweiligen Abschnitte im Hauptteil von Herzbergs Manifest ein, in denen politische »Steuerungsmittel« ausgeführt werden, mittels derer die »sozial-ökologische Zeitenwende« realisierbar wird: Wirtschaft, Ökologie, Politik, Steuer- und Finanzen, Soziales, Bildung, Kultur, Wissenschaft, Frieden stiftende Außenpolitik. Weil Herzberg klar ist, dass manche der zum Teil sehr detaillierten Ausführungen kontrovers diskutierbar sind, schließt das Manifest mit Vorschlägen zu einem Minimalprogramm für »rotgrün-rote Zukunftsbündnisse« ab.
Es ist sicher sinnvoll, dass Herzberg nicht das Trennende und die zwischenparteiliche Polemik in den Fokus nimmt, die das Publikum ohnehin täglich über die Medien serviert bekommt, sondern die drei Parteien an ihre programmatischen Gemeinsamkeiten und die gesellschaftliche Verantwortung erinnert. Damit sich die politischen Führungen das zu Herzen nehmen, ist freilich massiver und anhaltender Druck der Basis in und außerhalb der Parteien nötig. Das »Manifest der Teilhabe« kann helfen, diesem Druck Aufwind und Orientierung zu geben.
Wolfgang Herzberg: Manifest der Teilhabe. Programmatische Grundbausteine für eine sozial-ökologische Zeitenwende. Verlag am Park, 136 S., br., 12,99 €.