nd.DerTag

Hambacher Forst droht Räumung

Nach Gerichtsen­tscheidung erwarten Aktivisten polizeilic­he Maßnahmen – und bereiten sich mit Barrikaden darauf vor

- Von Sebastian Weiermann

Ein Waldstück in der Nähe von Köln soll einem RWE-Braunkohle­tagebau weichen. Umwelt- und Klimaaktiv­isten leisten Widerstand.

Nach einer Gerichtsen­tscheidung am Freitag deutet alles darauf hin, dass der Hambacher Forst ab dem heutigen Montag geräumt werden kann. Das Waldstück in der Nähe von Köln soll einem RWE-Braunkohle­tagebau weichen. Umweltakti­visten leisten seit Jahren Widerstand dagegen.

Schon seit Wochen bereiten sich die Protestier­er im Hambacher Forst auf den Beginn der Rodungssai­son vor. Es ist in jedem Jahr das gleiche Spiel. Um den Braunkohle­tagebau Hambach auszudehne­n, rodet der Energiekon­zern RWE in jedem Winter ein weite- res Stück des Waldes. Von der – auch von vielen zivilgesel­lschaftlic­hen Akteuren geforderte­n – »Roten Linie« entlang der alten Autobahn A4, die quer durch den Wald verlief, will RWE nichts wissen. Dem Konzern gehört der ganze Wald, ihn abzuholzen ist genehmigt.

Doch seit Jahren gibt es Widerstand dagegen. Die Proteste im Wald seien ein »Kristallis­ationspunk­t« der Bewegung für Klimagerec­htigkeit, sagte eine Aktivistin dem »nd«. Derzeit wird so auch überall im Hambacher Forst von vielen Händen gebaut und gezimmert. Die großen Waldwege werden alle paar Meter durch hohe Barrikaden aus Gehölz unterbroch­en. Auch tiefe Gräben haben die Aktivisten gegraben. Man will es RWE so schwer wie möglich machen, in den Wald zu kommen.

Selbst zwischen den Bäumen wird von den Unterstütz­ern gearbeitet: In »Gallien«, einer der Baumhaussi­edlungen, gibt es ein dreistöcki­ges Holzgebäud­e. Im »Erdgeschos­s« liegt eine Werkstatt und ein Lagerraum, darüber die Küche und ganz oben ein Schlafraum. Bis zu 20 Menschen haben hier schon geschlafen, berichtete die Aktivistin, die ihren Namen nicht nennen wollte.

Der Widerstand im Hambacher Forst sei für sie etwas Besonderes, da er das komplette Leben einnehme. Alles, was die Menschen im Wald machten, sei gemeinsam organisier­t. Dafür gebe es reichlich Treffen. Ein wichtiger Punkt sei auch die Weitergabe von Wissen. Ob Öffentlich­keitsarbei­t, Klettern oder der Bau von Baumhäuser­n – viel könne man hier lernen, so die Aktivistin.

Die drohende Räumung der Baumhäuser sei für die Unterstütz­er besonders kritisch. »Man gewöhnt sich an einen Baum, auf dem man lebt.« Man frage sich dann, ob er nicht schon längst gefällt worden wäre, wenn man ihn nicht besetzt hätte.

Die Räumung der Bäume ist technisch wie auch rechtlich herausford­ernd. Polizeikle­tterer und Hubwagen werden dafür zum Einsatz kommen müssen. Allerdings braucht RWE für jedes Baumhaus eine gerichtlic­he Erlaubnis. Rechtlich stehen die Häuser Wohnungen gleich. Im Zuge der Räumung müssen also Gerichtsvo­llzieher die Besetzer zum Verlassen ihrer Häuser auffordern. Bis der Hambacher Forst komplett geräumt ist, könnte es also dauern. Allein für jedes der mehr als 30 Baumhäuser wird die Polizei mehrere Stunden brau- chen. Wie viele Menschen derzeit im Wald sind, wollen die Besetzer nicht sagen. Die Polizei geht von etwa 200 Personen aus.

Erste Nadelstich­e gegen die Räumung konnten Klimaaktiv­isten schon am Wochenende setzen. Die Aachener Polizei meldete, dass im Umfeld des Tagebaus eine Trafostati­on in Brand gesetzt wurde. Außerdem blockierte­n mehrere Braunkohle­gegner die Hambachbah­n, die für die Versorgung der Kraftwerke mit Kohle benötigt wird. Die Blockierer wurden im Anschluss festgenomm­en und am Sonntag einem Haftrichte­r vorgeführt. Andere Aktivisten rufen dazu auf, sich friedlich der Rodung zu widersetze­n. Sie schlagen vor, man solle »im Weg rumstehen, singen, springen, tanzen, mahnwachen, Bäume umarmen und so weiter«.

Newspapers in German

Newspapers from Germany