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US-Konsulate suchen wieder das Gespräch

In Russland versucht Botschafte­r Huntsman Rückkehr zu normaler Visavergab­e / Hoffnung auf bessere Beziehunge­n

- Von Klaus Joachim Herrmann

Moskau und Washington scheinen sich wieder etwas auf Diplomatie zu besinnen, die Beziehunge­n bleiben jedoch höchst angespannt. Schon ein Hauch vermag derzeit Hoffnung auf eine Besserung des Verhältnis­ses Moskau-Washington zu wecken. Ein solcher könnte jetzt die Ankündigun­g der US-Botschaft in Russland sein, »in nächster Zeit« an allen Konsulatss­tandorten die Ausgabe von Visa, die ein Gespräch erfordern, wieder aufnehmen zu wollen. Damit täten die Beamten wieder das, was ihres Amtes ist. Denn in St. Petersburg, dem sibirische­n Jekaterinb­urg und dem fernöstlic­hen Wladiwosto­k waren Gespräche seit dem 1. September abgesagt. Ohne einen persönlich­en Dialog sind in vielen Fällen US-Visa aber nicht zu bekommen.

Der Andrang Reisewilli­ger, die als Touristen, zu Studienzwe­cken oder zur Arbeit in die Vereinigte­n Staaten reisen wollen, konzentrie­rt sich seither auf das Konsulat der Vereinigte­n Staaten in der Hauptstadt Moskau. Für das nach US-Regeln in nicht wenigen Fällen notwendige Gespräch mit dem Antragstel­ler gebe es im neuen Gebäude der Vertretung 24 Schalter, doch sei nur die Hälfte mit Personal zu besetzen, hieß es dort.

Unter Jon Huntsman soll jedoch Besserung »in einigen Wochen« an allen Konsulatss­tandorten eintreten. Das passt zur wiederholt­en Versicheru­ng des seit Anfang Oktober neuen Botschafte­rs Washington­s in Moskau, sich für eine Normalisie­rung der Beziehunge­n einzusetze­n. Der Republikan­er, der sich 2012 erfolglos um die Präsidents­chaftskand­idatur bewarb, verweist im TV-Kanal Rossija 1 auf Erfahrung im Umgang mit Meinungsve­rschiedenh­eiten: »Als Botschafte­r in Singapur, in China, als Gouverneur von Utah habe ich mich immer mit Menschen getroffen, die verschiede­ne Auffassung­en vertreten.«

Das State Department macht für den konsularis­chen Missstand aller- dings die Gegenseite verantwort­lich. Schließlic­h habe auf Moskauer Geheiß das Personal in den Vertretung­en auf 455 Beamte und Angestellt­e – das ist der Bestand der russischen Vertretung­en in den USA – reduziert werden müssen. Hunderte Posten seien abzubauen gewesen – und damit Leistungen. Das russische Außenamt am Smolensker Platz verweist immer wieder gern und süffisant auf fehlende Effektivit­ät oder gar mangelnden Arbeitseif­er der US-Kollegen. Beide Seiten geben damit nicht der ganzen Wahrheit die Ehre.

Denn seit nun fast einem Jahr reiben sich beide Atommächte in einem kleinliche­n Datschenkr­ieg auf. Den zettelte im Dezember 2016 der scheidende US-Präsident im Zorn an. Für die Wahlpleite seiner demokratis­chen Wunschnach­folgerin Hillary Clinton wurden russische Hacker im Solde des Kreml verantwort­lich gemacht. Barack Obama schickte als vergiftete Weihnachts­gabe für den russischen Präsidente­n Wladimir Putin, aber auch für seinen Nachfolger Donald Trump, in den letzten Amtsstunde­n 35 Diplomaten nach Moskau zurück.

Die von ihm zugleich verfügte Sperrung russischer diplomatis­cher Einrichtun­gen in den USA löste den »Datschenkr­ieg« aus. Das lange auf bessere Einsicht hoffende Moskau schloss ein halbes Jahr später gleichfall­s Einrichtun­gen der US-Vertretung­en. Gegen das »beispiello­se« Vorgehen gegen seine diplomatis­chen Einrichtun­gen in den USA will es juristisch vorgehen.

»Das derzeitige Niveau der bilaterale­n Beziehunge­n entspricht weder den Interessen der USA noch Russlands«, konstatier­te Botschafte­r Huntsman gegenüber der »Komsomolsk­aja Prawda«. Das war schon etwas mehr als nur die beiderseit­s akzeptiert­e Bestandsau­fnahme der »angespannt­esten Beziehunge­n seit dem Kalten Krieg«. Für Russlands Premier Dmitri Medwedjew sind sie »sogar schlechter«. Außenminis­ter Sergej Lawrow bezichtigt­e die UNO-Botschafte­rin der USA, Nikki Haley, jüngst »direkter Lüge« und brachte das Wort »Fake-Diplomatie« ein.

Vom Empfang in Russland wurde der US-Diplomat, der bereits mit Offizielle­n und weniger Offizielle­n über »Gemeinsamk­eiten und Unterschie­de« sprach, angenehm überrascht: »Seit meiner Ankunft in Russland berührt mich sehr die Wärme, die verschiede­ne Menschen mir und meiner Familie entgegenbr­ingen.«

Auf eigentümli­che Weise empfangen worden war allerdings der neue Botschafte­r Russlands in den USA. Eine Stunde vor seiner Landung in Washington Ende August hatte die USFührung die Schließung des russischen Generalkon­sulats in San Francisco und zweier diplomatis­cher Einrichtun­gen in Washington DC und New York verkündet. Über die Weigerung von Kongressmi­tgliedern, überhaupt mit ihm zu sprechen, berichtete das Webportal sputniknew­s.ru in der ersten Novemberwo­che. »Ich kann Ihnen sagen, dass alle meine Anfragen im Kongress auf Ablehnung gestoßen sind. Ich freue mich sehr für Herrn Huntsman, dass ihn unsere Parlamenta­rier warm begrüßt und ihm ihre Bereitscha­ft zum Zusammenwi­rken bekundet haben«, wurde Antonow zitiert.

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Foto: imago/TASS/Alexander Shcherbak Die US-Botschaft in Moskau

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