Spanischer Gegenwind für Kaeser
In der Heimat vom Windanlagenbauer Gamesa ist die Wut auf Siemens groß
Die Nordspanische Region Navarra ist besonders hart von Stellenstreichungen bei den spanischen Töchtern von Siemens betroffen. Doch ähnliche Bestrebungen konnten schon mal verhindert werden.
Nun fühlen sich alle im Baskenland von Siemens-Gamesa wegen seinen Umstrukturierungsplänen über den Tisch gezogen. »Das Vertrauen der Regierung ist schwer beschädigt«, erklärte der Verantwortliche für ökonomische Entwicklung der Regionalregierung von Navarra. Manu Ayerdi will seinen Ärger nicht verbergen. In Navarras Hauptstadt Pamplona hatte man den Angaben der Firma geglaubt. Unternehmenssprecher María Solana hatte zunächst »kaum relevante« Kürzungen angekündigt. Damit hat die Regionalregierung die Belegschaften beruhigt und sieht sich nun harter Kritik ausgesetzt.
Denn ausgerechnet in der Region, die als spanisches Mekka der Windenergie gilt und 80 Prozent seines Stroms aus erneuerbaren Quellen deckt, fallen die Einschnitte besonders hart aus. Die schlimmsten Vorhersagen wurden bestätigt, dass Siemens, das den Ökostrom-Anlagen- bauer im April 2017 übernommen hat, besonders in Navarra die Schere ansetzen würde. Von den weltweit insgesamt 7000 von Siemens-Chef Joe Kaeser im Konzern durchgesetzten Stellenstreichungen muss Spanien 272 verkraften – 107 Entlassungen soll es in Navarra geben und weitere 48 in Zamudio nahe dem baskischen Bilbao.
Das mit gut 600 000 Personen dünn besiedelte Navarra ist von knapp 40 Prozent aller Stellenstreichungen betroffen. An anderen Orten sollen nur im einstelligen Bereich Arbeitsplätze wegfallen. Im laufenden Geschäftsjahr, das noch bis Oktober 2018 dauert, sollen es zunächst insgesamt 341 sein. Weitere 67 Jobs sollen im kommenden Geschäftsjahr wegfallen. Das Wo ist dabei noch unklar. Insgesamt ist der Standort Sarriguren bei Pamplona ist am stärksten betroffen. Hier soll es 92 Kündigungen geben, davon 55 im Dienstleistungssektor, 20 in der Produktion von Offshore-Anlagen, 13 bei Onshore-Anlagen und vier in der Verwaltung.
Es zeichnen sich vier harte Verhandlungswochen ab. Porzellan hat die Firma nicht nur bei der Regionalregierung schon zerschlagen, sondern auch in der Belegschaft. Während Betriebsräten und Gewerkschaf- ten die Kürzungspläne Ende vergangener Woche vorgestellt wurden, wurden zeitgleich Mitteilungen an die Beschäftigten verschickt. Das wurde von den Beschäftigtenvertretern als Verletzung der Informationspflicht ihnen gegenüber gewertet, weshalb sie alle den Verhandlungstisch verließen. Siemens-Gamesa hatte sich schriftlich verpflichtet, zunächst mit Vertretern der Belegschaften zu sprechen. Diesen Montag wird auf Betriebsversammlungen über das weitere Vorgehen beraten.
Auf einer Protestkundgebung in Sarriguren brachten die Beschäftigten schon mal ihre Wut zum Ausdruck. Iñaki und Ramon, die ihre echten Namen aus Angst vor Entlassungen und anderen Sanktionen nicht nennen wollten, zeigten sich dort dem »neuen deutschland« gegenüber als besonders sauer. Iñaki, Mitglied der baskischen Gewerkschaft ELA, erzählte etwa, dass er sich »ausnahmsweise« mit Ramon über nötige »massive« Kampfmaßnahmen einig sei. »Ich habe es dir ja gesagt, dass wir uns nicht einlullen lassen dürfen«, sagte er Ramon bezüglich erster Ankündigungen der Firma, dass die Produktion nicht von Kürzungen betroffen sei. Setzt die kämpferische ELA stets auf Kampfkraft und Mobilisierung, ist Ramons spanische Arbeiterunion (UGT) nämlich meist auf Sozialpaktgespräche aus. »Ich dachte, mein Posten ist sicher«, ist Ramon empört. Er hofft, dass sich seine UGT nicht erneut über den Tisch ziehen lässt.
Vor Augen haben beide, dass schon 2010 im nahen Alsasua ein Werk geschlossen wurde. Die ELA kämpfte und klagte. Die Gewerkschaft erreichte vor dem Obersten Gerichtshof in Spanien einen historischen Sieg. 2013 mussten alle 150 Beschäftigten wiedereingestellt werden. »Sie haben uns als verrückt erklärt«, meint der ELA-Generalsekretär in Navarra, Mitxel Lakuntza, mit Blick auf die UGT und CCOO. Die hätten sich »an der Farce« der Abwicklung beteiligt.
Iñaki ist froh, dass schon jetzt Einschnitte in allen Bereichen erfolgen. Eine Spaltung »zwischen Werkstatt und Büros« falle so weg, was die Kampfkraft stärke. Er setzt auf Streik. Aber auch Ramon will »um jede Stelle« in der Firma kämpfen, die »weiter gute Gewinne« mache und Lohnverluste hinnehmen. Für beide ist vor allem auch die rechte spanische Regierung für die Lage verantwortlich. Sie ist beim Ausbau der erneuerbarer Energien ab 2011 voll auf die Bremse getreten, womit der heimische Markt fast zusammengebrochen ist.