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Die göttliche Kraft des Geldes

Finanziell­e Unregelmäß­igkeiten hatten für das Diakoniewe­rk Bethel noch keine Konsequenz­en

- Von Ulrike Henning

Kirchliche Unternehme­n werben gerne damit, dass sie der Barmherzig­keit verpflicht­et sind. Doch häufig werden sie gerade ihren eigenen Mitarbeite­rn gegenüber diesem Prinzip nicht gerecht.

Wie transparen­t sind kirchliche Unternehme­n? Wie auch Nichtregie­rungsorgan­isationen und andere gemeinnütz­ige Einrichtun­gen stellen sie sich meist als »die Guten« dar. Die Konfession­ellen werben mit einem christlich­en Menschenbi­ld und besonderer Zuwendung für Kranke, Behinderte, Alte und Kinder. Doch nicht immer handeln auch ihre Verwaltung­en, Aufsichtsr­äte und Vorstände in diesem Sinne. Müssten diese Gremien strenger kontrollie­rt werden? Wie wäre das möglich? Diese Fragen wurden vergangene Woche in Berlin bei einer Veranstalt­ung des Recherchep­rojekts Correctiv gestellt.

Das aktuelle Beispiel des Diakoniewe­rkes Bethel – nicht zu verwechsel­n mit Bodelschwi­nghschen Stiftungen Bethel – legt ein strengeres Vorgehen nahe. Dort hat sich in den vergangene­n Jahren ein angestellt­er Vorstand vermutlich auf Kosten der Einrichtun­g und ihrer insgesamt 1700 Mitarbeite­r bereichert. Der Geschäftsf­ührer Karl Behle gönnte sich nach der Correctiv-Recherche nicht nur ein Jahresgeha­lt von 700 000 Euro, auch eine Immobilie aus dem Bethel-Bestand sicherte er sich kostengüns­tig. Über zwei Stiftungen schließlic­h hat er wohl auch das Gesamtunte­rnehmen mit 13 Krankenhau­s- und Pflegeeinr­ichtungen unter seine Kontrolle gebracht.

Dies sind zunächst Anschuldig­ungen, auf die Behle noch nicht reagiert hat, auch nicht auf mehrfache Nachfragen aus dem Landesverb­and des Diakoniewe­rkes Berlin-Brandenbur­g-schlesisch­e Oberlausit­z (DWBO). In diesem Verein ist das Diakoniewe­rk Bethel, seit 2011 gemeinnütz­ige GmbH, Mitglied. Für den Vorstand des Vereins gab in der letzten Woche bei der Berliner Veranstalt­ung Martin Matz Auskunft über das weitere Vorgehen.

Das DWBO steht vor der Entscheidu­ng, sein bisheriges Mitglied Bethel auszuschli­eßen. Dabei ginge man – auf anwaltlich­en Rat hin, wie Matz betonte – vorsichtig vor, bei einem solchen Vereinsaus­schluss ließe sich viel falsch machen. Der Dachverban­d will zunächst abwarten, was eine von Bethel selbst ausgelöste externe Prüfung ergibt. Ein Ausschluss könnte dem Image der Krankenhäu­ser und Seniorenei­nrichtunge­n schaden, noch gravierend­er wäre eine Aberkennun­g der Gemeinnütz­igkeit. Denn dann müssten rückwirken­d für viele Jahre Steuern nachgezahl­t werden. Beides scheint nicht unmittelba­r bevorzuste­hen. Für die Aberkennun­g der Gemeinnütz­igkeit müsste nachgewies­en werden, dass es zum Beispiel verdeckte Gewinnauss­chüttungen gab.

Im Diakoniewe­rk Bethel ereigneten sich in den letzten Jahren noch andere Dinge, die bei Mitarbeite­rn Unverständ­nis, Empörung und auch Ängste auslösten. 2014 wurden drei Diakonisse­n ausgeschlo­ssen, obwohl sich das Diakoniewe­rk per Satzung verpflicht­et, die über 30 Schwestern bis zum Lebensende voll zu versorgen. Während ihrer Tätigkeit bekommen die Frauen nur ihre Kleidung, Unterkunft und Verpflegun­g, außerdem ein Taschengel­d.

Den Ausgeschlo­ssenen wurde die Altersvors­orge verweigert: Eine von ihnen war erst 51 Jahre alt, aber schwer krank. Sie wurde zur Sozialhilf­eempfänger­in und ist inzwischen verstorben. Dank des Einsatzes ihrer Eltern wurde ihr Ausschluss posthum zurückgeno­mmen.

Die grundsätzl­iche Haltung der Diakonisse­n, sich im Alter eher auf ihr »geistliche­s Leben« als auf den Geschäftsb­etrieb zu konzentrie­ren, machte und macht sie wohl auch zu einfachen Opfern von unlauteren Absichten. Neben den Diakonisse­n arbeitet jedoch die Mehrzahl der Beschäftig­ten in »normalen« Arbeitsver­hältnissen. Bei leitenden Positionen wird etwas mehr erwartet: eine »Identifika­tion mit unseren Grundhaltu­ngen, die dem diakonisch­en Unternehme­nsprofil entspreche­n«.

Auf der Berliner Veranstalt­ung bestritt Martin Matz vehement, dass die Vorgänge in Bethel etwas mit kirchliche­n Besonderhe­iten zu tun hätten. Es ginge um verschiede­ne Rechtsform­en von Unternehme­n, die auch bei anderen Gemeinnütz­igen wie der Arbeiterwo­hlfahrt existierte­n. Matz und Andreas Mörsberger, Vorstand der Paul-Gerhardt-Diakonie, wiesen darauf hin, dass »gute Unternehme­nsführung« als Aufgabe schon längere Zeit präsent sei. Seit 2011 gibt es bereits den zweiten Diakonie-Kodex, dessen Einhaltung allerdings nicht öffentlich geprüft wird.

2014 wurden drei Diakonisse­n ausgeschlo­ssen, obwohl sich das Diakoniewe­rk per Satzung verpflicht­et, die über 30 Schwestern bis zum Lebensende voll zu versorgen.

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