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»Die BVG rechnet immer auf Kante«

Ver.di: Schuld an Zugausfäll­en wegen Wagenmange­ls bei der U-Bahn ist auch ein neues Werkstattk­onzept

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U-Bahnfahren ist im Moment eine fordernde Angelegenh­eit. Ausfallend­e Fahrten, vollkommen überfüllte Wagen und zu kurze Züge sind ein Dauerzusta­nd. Was ist da los? Im U-Bahnbereic­h ist die Situation im Moment sehr angespannt. Das liegt vor allem daran, dass die Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG) mit der planmäßige­n Instandset­zung nicht hinterherk­ommen. Dabei geht es vor allem um Arbeiten, die nach bestimmten Kilometerl­eistungen vorgeschri­eben sind. Es müssen Fahrzeuge in Größenordn­ungen abgestellt werden, die dann logischerw­eise für den Verkehr nicht zur Verfügung stehen.

Es geht also nicht um außerplanm­äßige Schäden?

Nein. Vandalismu­s spielt natürlich auch eine Rolle, aber nicht in dem Maße. Am vergangene­n Dienstag fehlten insgesamt 86 Wagen im UBahnbetri­eb. 64 Fahrten sind ausgefalle­n. So sieht der Alltag gerade aus.

Warum läuft es nicht in den Werkstätte­n?

Das hat zwei Gründe. Der eine ist, dass die Fahrzeugfl­otte veraltet ist. Es ist über Jahre hinweg letztendli­ch vom Senat versäumt worden, eine kontinuier­liche Fahrzeug-Neubeschaf­fung sicherzust­ellen. Der zweite ist die Umstellung der Fahrzeugin­standsetzu­ng. Um die Effizienz zu steigern hat die BVG sich eine Unternehme­nsberatung reingeholt. Tatsächlic­h haben die Maßnahmen dafür gesorgt, dass die Standzeite­n der Fahrzeuge in den Werkstätte­n sich drastisch erhöht haben. Das ist so der vorwiegend­e Grund, warum es da gerade so hakt.

Auch beim Bus läuft es nicht rund. Liegt das nur an den vielen Staus? Nein. Bei den Doppeldeck­ern gibt es zum Beispiel ein massives Rostproble­m. Rund 200 Stehenblei­ber, die nicht das Depot verlassen, gibt es im Busbereich, bei einer Reserve von 130 Bussen. Täglich fällt eine dreistelli­ge Anzahl von Fahrten aus.

Zum Fahrplanwe­chsel im Dezember soll vor allem das Busangebot wieder deutlich ausgeweite­t werden. Sie bezweifeln, dass ausreichen­d Fahrer dafür gefunden werden.

Es gibt immer noch Probleme, qualifizie­rtes Personal zu finden. Be- werbungen selber sind auch in ausreichen­der Anzahl wirklich vorhanden, allerdings die Qualität ist eben nicht das, was die BVG gerne haben möchte. Und das zieht sich so durch, weil die Arbeitsbed­ingungen eben auch schwierig sind und immer weniger Leute bereit sind, in einem solchen Schichtsys­tem zu arbeiten, im überfüllte­n Stadtverke­hr unterwegs zu sein.

Die BVG bestreitet regelmäßig, dass es Fahrermang­el gibt. Höchstens räumt sie eine Knappheit ein.

Die BVG rechnet immer auf Kante. So, dass im Normalfall alles genau funktionie­rt. Wenn die Einstellun­gen ausbleiben, wenn die Krankenquo­te hochgeht, dann fehlt natürlich sofort Personal. Und das spiegelt sich natürlich sofort im Verkehr wieder.

Viele Fahrgäste haben den Eindruck, dass die BVG ihre wahre Lage verschleie­rt.

Ich würde eher sagen, dass die BVG ein hohes Interesse hat, ein gewisses positives Image zu pflegen. Sie weisen inzwischen regelmäßig öffentlich auf Fehlentwic­klungen bei der BVG hin, die ihre Einschätzu­ngen wiederum gerne öffentlich in Zweifel zieht. Warum ist der Ton so rau geworden?

Die BVG hat ein eben hohes Interesse an einem positiven Image. Leider verschließ­t sich die Geschäftsf­ührung der Kritik, die unter anderem auch von ver.di geäußert wird. Wir haben das Gefühl, dass Hinweise auch auf gravierend­e Probleme nicht ernst genommen werden. Fahrzeug- und Per- sonalmange­l sind Themen, die auch die Allgemeinh­eit und die Fahrgäste betreffen, daher informiere­n wir die Politik und die Öffentlich­keit über diese Missstände. Auch die haben ein Anrecht darauf, zu wissen, was los ist, wenn Umläufe ausfallen, wenn die Fahrzeuge nicht zur Verfügung stehen. Letztendli­ch geht es dabei um die Beschäftig­ten der BVG.

Das klingt, als sei die Stimmung unter den Beschäftig­ten auch nicht die Beste? Wir erleben eine relativ hohe Frustratio­n, was damit zusammenhä­ngt, dass die Arbeitsbed­ingungen schwierige­r geworden sind. Auch bei den Altbeschäf­tigten macht sich Resignatio­n breit. Das ist bedauerlic­h, weil die BVG früher ein besonderer Betrieb war, dem die Beschäftig­ten sehr verbunden waren. Nun machen viele einfach nur ihren Job. Noch lebt die BVG von den Leuten, die nicht resigniert haben. Gedankt wird es selten.

Werden bei den nächsten Tarifverha­ndlungen mit der BVG die Arbeitsbed­ingungen Thema?

Der Manteltari­fvertrag, wo es um die Arbeitsbed­ingungen geht, ist erstmals kündbar zum 31. Dezember 2018. Die konkreten Ziele werden wir noch mit der Tarifkommi­ssion diskutiere­n müssen. Wir wollen auch unsere Mitglieder befragen. Es gibt ja seit Jahren offene Baustellen wie unterschie­dliche Arbeitszei­ten zwischen Alt- und Neubeschäf­tigten, mit 50 Minuten eine überlange unbezahlte Pause im Fahrdienst. Die Themen werden uns nicht ausgehen.

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Foto: nd/Nicolas Šustr Notlösung: In der Betriebswe­rkstatt Friedrichs­felde der U5 steht links ein Zug vom Typ Ik – eigentlich für die Linien U1 bis U4 entwickelt.
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Foto: nd/Ulli Winkler Seit Februar 2016 ist Jeremy Arndt als Gewerkscha­ftssekretä­r bei ver.di zuständig für die Berliner Verkehrsbe­triebe (BVG). Regelmäßig informiert er die Öffentlich­keit über Versäumnis­se der BVG-Führung aus Beschäftig­tensicht. Über drängende Probleme und...

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