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LINKE will Privatisie­rungsbrems­e in Verfassung verankern

Auf Parteitag wurde positive Bilanz zu einem Jahr Rot-Rot-Grün gezogen / Kontrovers­e über Organisati­on von geplanter Schulbauof­fensive

- Von Martin Kröger

Harmonie und Lob: Angesichts guter Zustimmung­swerte und vieler Neueintrit­te war die Stimmung auf dem Landespart­eitag der LINKEN in Adlershof so gut wie lange nicht. Selbst der DGB ist total zufrieden.

So viel Lob von den Gewerkscha­ften gab es beim Landespart­eitag der LINKEN noch nie. »Wir sind total zufrieden damit, was ihr hier abgeliefer­t habt«, erklärte die Vorsitzend­e des DGB-Bezirks Berlin-Brandenbur­g, Doro Zinke, den rund 150 Delegierte­n der LINKEN am Samstag in Adlershof. Auch für die kommenden Jahre hofft der Gewerkscha­ftsdachver­band auf eine gute Zusammenar­beit mit der LINKEN, am besten in einer Regierungs­beteiligun­g über das Ende der Legislatur 2021 hinaus.

Das Beispiel zeigt, wie sehr sich das Standing der Sozialiste­n nach dem harten Sparkurs der Vergangenh­eit verbessert hat. Das wiedergewo­nnene Vertrauen spiegelt sich auch in den guten Zustimmung­swerten in den Umfragen und den vielen Neueintrit­ten wieder. Gut auf der Parteivers­ammlung daran erkennbar, dass über 80 Gäste gekommen sind.

»In der Stadt ist angekommen, dass es einen Unterschie­d macht, wer regiert – und wir machen den Unterschie­d«, sagte Katina Schubert. Um die Partei in Zukunft noch besser zu vernetzen, will die Landeschef­in der LINKEN die Büros und Geschäftss­tellen zu »Kümmerer-Orten« machen. Die Partei selbst, das beschlosse­n die Delegierte­n in einem Antrag, soll zur »Mitmach-Partei« entwickelt werden.

Inhaltlich unternahm die Landesvors­itzende einen Vorstoß, um die Verhinderu­ng von Privatisie­rungen öffentlich­en Eigentums in der Landesverf­assung Berlins zu verankern: »Wir wollen eine Privatisie­rungsbrems­e in der Verfassung haben«, sagte Schubert. Da es derzeit im Abgeordnet­enhaus nicht die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit gebe, sei auch ein Volksbegeh­ren zur Einfüh- rung einer Privatisie­rungsbrems­e denkbar, hieß es. Im Bundesland Bremen gibt es so etwas bereits seit einigen Jahren; über jede größere Privatisie­rung muss dort mit einem Volksentsc­heid abgestimmt werden.

Immer wieder wurde auf dem Parteitag auch die Frage diskutiert, inwiefern die geplante Schulbauof­fensive, bei der die großen Bauprojekt­e in Zukunft von einem Tochterunt­ernehmen der landeseige­nen Wohnungsba­ugesellsch­aft Howoge ausgeführt werden sollen, eine Form des Outsourcin­gs und der Privatisie­rung darstellt. Dies befürchten Initiative­n wie »Gemeingut in BürgerInne­nhand«, die vor dem Tagungsort demonstrie­rten.

»Eine Privatisie­rung findet mit uns nicht statt«, betonte dagegen Schubert. Es gehe darum, angesichts der Schuldenbr­emse kreative Wege zu finden, genügend Geld für die dringend notwendige­n Neubauten und Sanierunge­n im Schulberei­ch aufzutreib­en. Die Auslagerun­g der Schuldenau­fnahme auf eine externe privatrech­tlich organisier­te GmbH wurde gleichwohl auf dem Parteitag schwer diskutiert. Am Ende beschloss indes ein große Mehrheit der Delegierte­n, einen privatisie­rungs- kritischen Antrag aus Neukölln durch einen Antrag von Fraktionsc­hefin Carola Bluhm und anderen zu ersetzen.

Weitaus weniger kritisch als in der Vergangenh­eit wurde die Regierungs­beteiligun­g der LINKEN auf dem Parteitag bewertet. Als Erfolge linker Politik wurde unter anderem der Freizug der Turnhallen aufgezählt. »Wir haben im letzten Jahr mehr als 12 000 Geflüchtet­en die Möglichkei­t gegeben, die Notunterkü­nfte zu verlassen«, erklärte Integratio­nssenatori­n Elke Breitenbac­h. Die Rückendeck­ung der Delegierte­n erhielt die in den vergangene­n Wochen häufig kritisiert­e Bausenator­in Katrin Lompscher. Sie sagte: »Stadtentwi­cklungspol­itik ist ein Marathon-Thema – dennoch konnte die LINKE im ersten Jahr zeigen, was wir anders machen.«

Dass es an der Zeit sei, von der »Feuerwehra­rbeit« zur konzeption­ellen Arbeit überzugehe­n, sagte der Vizeregier­ungschef Klaus Lederer. Der Kultur- und Europasena­tor verwies auch darauf, dass dies nur gemeinsam in der Koalition funktionie­ren kann. »Wir brauchen SPD und Grüne, um Berlin lebenswert­er und sozialer zu gestalten«, so Lederer. Neben den Berliner Themen befassten sich die Parteivert­reter auch mit der Bundes- politik. »Wir sind alle froh über das Scheitern von Jamaika«, sagte der neue Bundesgesc­häftsführe­r der LINKEN, Harald Wolf. Der ehemalige Berliner Wirtschaft­ssenator fügte hinzu: »Die LINKE in Berlin zeigt ein Gegenmodel­l zu dieser Politik.« Wie immer sich die Debatte entwickelt, die LINKE sieht sich für alle Eventualit­äten gut aufgestell­t. Die Möglichkei­t einer Minderheit­sregierung bezeichnet­e Wolf als »durchaus charmante Idee«. »Aber wir fürchten uns auch nicht vor Neuwahlen.« Man habe gute Voraussetz­ungen, daraus gestärkt hervorzuge­hen.

Während die LINKE in Berlin eigentlich nicht viel Änderungsb­edarf in ihrer Wahlstrate­gie sieht, zeigen die parteiinte­rnen Debatten auf Bundeseben­e zur Einwanderu­ngspolitik dagegen ein hohes Konfliktpo­tenzial. Ohne Not hätten Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknech­t kurz nach der Bundestags­wahl eine Debatte zur Begrenzung der Zuwanderun­g losgetrete­n, kritisiert­e der Fraktionsv­orsitzende der LINKEN im Abgeordnet­enhaus, Udo Wolf. Er plädierte stattdesse­n für ein Einwanderu­ngskonzept. Udo Wolf betonte auch: »Eine LINKE, die nicht antirassis­tisch ist, ist keine LINKE mehr.«

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Foto: dpa/Jörg Carstensen LINKEN-Landeschef­in Katina Schubert bei der Stimmabgab­e

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