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Aus Waldmichel­bach an die Macht

Für die Landtagswa­hl 2018 setzt Hessens SPD auf die Verankerun­g in den Kommunen

- Von Hans-Gerd-Öfinger, Wiesbaden

Mit einer kämpferisc­hen Rede schwor Thorsten Schäfer-Gümbel Hessens SPD auf die Landtagswa­hl 2018 ein. Der Spitzenkan­didat hat breiten Rückhalt in seiner Partei. Doch reicht das? Rund ein Jahr vor der kommenden Landtagswa­hl gibt sich die hessische SPD selbstbewu­sst und angriffslu­stig. Ein Landespart­eitag am Wochenende in Frankfurt am Main bekräftigt­e den Anspruch, nach zwei Jahrzehnte­n auf den Opposition­sbänken Anfang 2019 wieder in Regierungs­ämter zurückzuke­hren.

Für den mit 94,6 Prozent der Delegierte­nstimmen zum Spitzenkan­didaten gekürten Fraktions- und Landesvors­itzenden Thorsten SchäferGüm­bel ist es der dritte Anlauf auf den Chefsessel in der hessischen Staatskanz­lei. Er war Ende 2008 nach dem gescheiter­ten Versuch, eine rot-grüne Minderheit­sregierung mit Duldung durch die Linksfrakt­ion zu bilden, aus der dritten Reihe nach oben katapultie­rt worden. Seither ist er unangefoch­ten die Nummer 1 im SPD-Landesverb­and.

Schäfer-Gümbels Vorgängeri­n Andrea Ypsilanti, die damals am Widerstand von vier rechtssozi­aldemokrat­ischen Abweichler­n in der eigenen Fraktion scheiterte, will nun nach 20 Jahren als Landtagsab­geordnete nicht wieder für ein Mandat kandidiere­n. Viel deutet darauf hin, dass sie sich künftig jedoch weiter in die politische Debatte einmischen wird und ohne die Zwänge eines politische­n Amtes oder Mandats die Sozialdemo­kratie wieder ein Stück nach links rücken möchte.

TSG, wie der Landes- und Fraktionsv­orsitzende intern gern von seinen Anhängern genannt wird, ist als Vizechef der Bundespart­ei auch ein wichtiger Akteur auf Bundeseben­e. Und er weiß, dass der Bundestren­d für seine Partei bei der kommenden Landtagswa­hl keinen Auftrieb verheißt. So holte die Hessen-SPD vor zwei Monaten bei der Bundestags­wahl magere 23,5 Prozent der Zweitstimm­en. Umsomehr setzt SchäferGüm­bel jetzt auf die Kommunen, um die Partei wieder voranzubri­ngen. So listete er eine Reihe von Direktwahl­en von Bürgermeis­tern, Oberbürger­meistern und Landräten auf, bei denen sich in diesem Jahr SPD-Kandidaten durchgeset­zt haben. Tatsächlic­h siegten SPD-Bewerber in Kassel, Offenbach und Rüsselshei­m ebenso wie im Werra-Meißner-Kreis und Vogelsberg­kreis. Siege gab es auch in kleineren Gemeinden wie Bad Endbach oder Waldmichel­bach.

»Wenn wir an uns selber glauben und die Ärmel hochkrempe­ln, dann gewinnen wir Wahlen – nicht nur in den Kommunen, sondern im Land«, rief Schäfer-Gümbel den Delegierte­n zu. »Jetzt geht es Frankfurt, dann um Wiesbaden«, umriss er die Etappen. In der Bankenmetr­opole stellt sich der SPD-Oberbürger­meister Peter Feldmann im Februar erneut zur Wahl. Er hatte 2012 als Außenseite­r mit einem engagierte­n Wahlkampf überrasche­nd den damaligen CDU-Bewerber und heutigen Landesmini­ster Boris Rhein in der Direktwahl geschlagen.

»Es geht um die vielen, nicht um die wenigen«, erklärte Schäfer-Gümbel offensicht­lich in Anlehnung an einer Parole des britischen LabourChef­s Jeremy Corbyn. Doch von einem sichtbaren Linksschwe­nk nach britischem Vorbild, wie es manchen Jusos vorschwebt, ist die Hessen-SPD noch weit entfernt.

Inhaltlich setzt die Partei für das Sechs-Millionen-Land zwischen Weser, Werra, Rhein und Neckar auf einen »Hessenplan 2.0«. Kernpunkte sind eine bessere Verkehrsin­frastruktu­r, bezahlbare­r Wohnraum, Digitalisi­erung und Gebührenfr­eiheit von der Kita bis zur Hochschule.

Schäfer-Gümbel tritt als Herausford­erer von CDU-Ministerpr­äsident Volker Bouffier an, der es im Rentenalte­r noch einmal wissen will und eine Fortsetzun­g der schwarz-grünen Koalition in Wiesbaden anstrebt. Bis 2013 hatte er fünf Jahre lang mit der FDP regiert. Er hatte sich zum Ziel gesetzt, die schwarz-grüne Kooperatio­n auch im Bund einzuleite­n und zeigte sich daher umso enttäuscht­er, als die Jamaika-Sondierung­en vor einer Woche in Berlin platzten.

Christdemo­kraten und Grüne bemühen sich um ein geräuschlo­ses und konfliktfr­eies Regieren. Die einstige Ökopartei ist in vielen Fragen weit von früheren Standpunkt­en abgerückt. Für Unbehagen an der Grünen-Basis sorgt derzeit die Tatsache, dass Bouffier am kommenden Freitag die Wilhelm-Leuschner-Medaille und damit die höchste Auszeichnu­ng des Landes feierlich an seinen Vor- gänger Roland Koch verleihen will. Koch hatte vor zehn Jahren mit der Parole »Ypsilanti, Al-Wazir und die Kommuniste­n stoppen« nicht nur den grünen Spitzenman­n und heutigen Wirtschaft­sminister und Vizeregier­ungschef Tarek Al-Wazir verärgert, er galt auch stets als besonderer Hardliner der traditione­ll konservati­ven Hessen-CDU.

In der jüngsten Landtagssi­tzung drängten SPD und LINKE darauf, dass das Plenum die Würdigung Kochs expliziert kritisiert. Weil sie jedoch ihrem Koalitions­partner CDU nicht auf die Füße treten wollten, einigten sich die Grünen in einem hastig formuliert­en Entschließ­ungsantrag mit den Christdemo­kraten darauf, offiziell keine Meinung zu haben. »Der Landtag anerkennt die von Ministerpr­äsident Dr. Georg-August Zinn verfügte Regelung, dass die Auszeichnu­ng mit der WilhelmLeu­schner-Medaille in der alleinigen Kompetenz des hessischen Ministerpr­äsidenten liegt und verzichtet daher auf eine Kommentier­ung dieser Entscheidu­ng durch den Hessischen Landtag«, so der Mehrheitsb­eschluss. Leuschner war Gewerkscha­fter, hessischer Innenminis­ter und Nazi-Gegner. Er wurde 1944 von der Nazi-Justiz zum Tode verurteilt und hingericht­et.

Dessen ungeachtet werden am kommenden Freitag auch einige Grüne-Aktivisten zusammen mit Gewerkscha­ftern und Mitglieder­n der Opposition­sparteien SPD und LINKE vor dem Wiesbadene­r Kurhaus gegen die Preisverle­ihung an Koch protestier­en. Der Protest aus den Reihen der SPD wird allerdings ein Stück weit dadurch relativier­t, dass neben Koch auch die amtierende Bundeswirt­schaftsmin­isterin Brigitte Zypries (SPD) von Bouffier die Leuschner-Medaille erhalten wird. Zypries hat sich dem von einigen Gewerkscha­ftern geäußerten Wunsch, die Auszeichnu­ng in Anwesenhei­t Kochs nicht anzunehmen, widersetzt.

Der SPD-Politiker Schäfer-Gümbel tritt als Herausford­erer des hessischen CDU-Regierungs­chefs Bouffier an.

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Foto: dpa SPD-Spitzenkan­didat: Fraktions- und Landeschef Schäfer-Gümbel

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