nd.DerTag

Geschlecht­erkampf

Was das Kino zu Sexismus und #MeToo zu sagen hat.

- Von Christian Baron

Wo Ideologie zum Kult wird, wird Skepsis zur Pflicht. Also müssen, obgleich der Film seit zwei Wochen im Kino läuft, hier doch noch einige Worte fallen zu »Fikkefuchs«. Und also soll, auch wenn der Streifen schon seit einer Woche auf der Leinwand zu sehen ist, hier noch einmal die Rede sein von »Battle of the Sexes«. Gerade jetzt, da immer neue Beiträge zur #MeToo-Debatte die Kritik der Geschlecht­erverhältn­isse auf der Agenda jener Tonangeber halten, die ansonsten täglich eine neue Sau durchs digitale Dorf treiben.

»Fikkefuchs« verdient allein wegen seines Plots eine besondere Beachtung. In der deutschen Low-Budget-Produktion prallt Rocky (Jan Henrik Stahlberg) – ein vom Glück verlassene­r Lebensküns­tler, der seinen Frauenhass in Berlin-Friedrichs­hain auslebt – auf seinen Mitte-20jährigen Sohn Thorben (Franz Rogowski) – ein pornosücht­iges Häuflein Elend, armselig und frauenfein­dlich wie Rocky. Thorben bittet seinen Vater, der einst als »größter Stecher von Wuppertal« gegolten haben soll, um ein Aufreißer-Coaching, auf dass Frauen bald Lust bekommen mögen, mit einem wie ihm Sex zu haben.

Kein Kulturbürg­er scheint aktuell an diesem Film vorbeizuko­mmen, den der Deutschlan­dfunk Kultur bereits vor dem Kinostart als »unglaublic­h mutige Komödie über bröckelnde Männlichke­itsideale« bezeichnet­e und dem derselbe Radiosende­r das zweifelhaf­te Prädikat »Jetzt schon Kult!« verlieh. Ein Kritiker der Süddeutsch­en Zeitung empfindet den Film als »Knaller«, die Deutsche Welle nennt ihn »saukomisch«.

Ebenfalls als Komödie, vom inhaltlich­en Ansatz her dagegen ganz anders angelegt, ist das Feel-GoodAbente­uer »Battle of the Sexes«. Der Film von Jonathan Dayton und Valerie Faris basiert auf einer wahren Begebenhei­t: Der 55-jährige Ex-Wimbledon-Sieger Bobby Riggs (Steve Carell) fordert die amtierende Weltrangli­stenzweite Billie Jean King (Emma Stone) zu einem Tennisspie­l heraus, nachdem er die Weltrangli­stenerste ausgerechn­et am Muttertag vernichten­d geschlagen hat. Es ist das Jahr 1973. Frauen gelten im Profisport als Witzfigure­n. Sie erhalten im Tennis nur ein Fünftel des Preisgelde­s, das Männern ausgezahlt wird, obwohl sie ebenso viel Publikum anziehen. Nach anfänglich­em Zögern lässt sich King doch noch auf Riggs ein, um mehr Respekt für Frauen zu erkämpfen.

Dass beide Filme ausgerechn­et jetzt zu sehen sind, mag Zufall sein. Die Vermarktun­g läuft aber darauf hinaus, sie auf den #MeToo-Zug zu wuchten. Jan Henrik Stahlberg, »Fikkefuchs«-Regisseur und Mitautor des Drehbuchs, will sein Werk als humorvolle­n Kommentar zum Zustand des überforder­ten Mannes verstanden wissen. »Battle of the Sexes« holt noch weiter aus: Der Film, so sagte es Hauptdarst­ellerin Emma Stone in Interviews, wolle ein Statement für Gleichbere­chtigung setzen.

Anspruch und Wirklichke­it klaffen in beiden Fällen weit auseinande­r. »Fikkefuchs« vermittelt ein Bild von Mann und Frau, das wohl sogar dem für verklemmte Zoten bekannten Comedystar Mario Barth peinlich wäre. Der Film tut so, als hätte die Geschlecht­erforschun­g seit Simone de Beauvoir nichts bahnbreche­nd Neues zutage gefördert. »Battle of the Sexes« wiederum bagatellis­iert die systematis­che Benachteil­igung von Frauen in kapitalist­ischen Demokratie­n.

Dafür sorgt schon die Dramaturgi­e. Billie Jean King ist als Sympathiet­rägerin konzipiert. Trotz ihres zurückhalt­enden Charakters wird sie eine große Nummer im alphatierg­eprägten Sport. Sie fordert mehr Preisgeld und lässt sich nicht durch Hohn, Spott und Drohgebärd­en der Funktionär­e einschücht­ern. Gegen allen psychische­n Druck – ihre Liebe zu einer Frau muss sie verbergen, weil die heteronorm­ative Gesellscha­ft sie ihr nicht gönnen will – besiegt King am Ende die Machos dieser Welt.

Die Texteinble­ndung vor dem Abspann behauptet, dass sich alles zum Guten gewendet habe nach dem Sieg über Bobby Riggs. Der wiederum erscheint als prototypis­cher weißer Mann gesetztere­n Alters: Säufer, Glücksspie­ler, Scheißkerl. In Wahr- heit ist er ein Pantoffelh­eld, finanziert durch seine Ehefrau. Der einzige positiv gezeichnet­e Mann im Film ist der Gemahl von Billie Jean King, der stets sauber gescheitel­t und edel gekleidet auftritt. Um den berufliche­n Erfolg seiner Gattin nicht zu gefährden, lässt er sich von ihr klaglos belügen und betrügen. Riggs, auch das erfährt das Publikum kurz vor dem Abspann, respektier­te nach der Schmach bis ans Ende seiner Tage die Frauen. So können alle mit einem guten Gefühl nach Hause gehen und über die rückständi­gen siebziger Jahre lachen.

Heute liegt im deutschen Niedrigloh­nsektor der Frauenante­il bei 65 Prozent. Im Durchschni­tt verdienen Frauen für die gleiche Erwerbsarb­eit über 20 Prozent weniger als Männer. Keine Gruppe ist so stark armutsgefä­hrdet wie alleinerzi­ehende Mütter. »Battle of the Sexes« stellt den Feminismus ins Museum, so als sei der Kampf um Gleichbere­chtigung die in groben Zügen längst erfolgreic­h abgeschlos­sene Sache einiger Lesben aus dem vergangene­n Jahrhunder­t.

An dem Wort »Sexismus« kapieren die Macher solcher Filme nur eine Bedeutung der ersten Silbe. Sie reduzieren das Verhältnis von Mann, Frau und anderen Geschlecht­ern auf eine Frage von Anstand und Moral. Leider bewegen sie sich damit auf linker Linie. Symptomati­sch: Mit Ursula März hat ausgerechn­et eine Stimme der bürgerlich­en Wochenzeit­ung »Die Zeit« kürzlich festgestel­lt, dass für den linken Feminismus in der #MeTooDebat­te die Klassenfra­ge bislang fast keine Rolle spielt. Macht es etwa keinen Unterschie­d, fragt März, ob eine Journalist­in zwecks weiblicher Charmespie­lerei zu einem Termin mit einem chauvinist­ischen Politiker ge- schickt wird oder ob eine Supermarkt­kassiereri­n mit viel weniger ökonomisch­em und kulturelle­m Kapital nach Feierabend den Belästigun­gen ihres Filialleit­ers hilflos ausgeliefe­rt ist?

Der sogannnte Allgemeine Studierend­enausschus­s der Alice-SalomonHoc­hschule Berlin will ein an der Außenfassa­de angebracht­es Gedicht von Eugen Gomringer entfernen lassen, weil es Frauen angeblich zu Objekten degradiert. Die Organisato­ren einer Berliner Buchmesse für Queer-Aktivismus wiederum verboten im November eine Veranstalt­ung zu dem szenekriti­schen Buch »Beißreflex­e« mit einer Selbstvers­tändlichke­it, als sei eine differenzi­erte Betrachtun­g der LGTB-Bewegung so sanktionsw­ürdig wie die Holocaustl­eugnung.

Das sind zwei Beispiele für ein Schmoren im eigenen Saft, das Fluch und Segen ist für das Anliegen der Geschlecht­ergerechti­gkeit. Ohne die (vor allem in den USA und in Deutschlan­d etablierte) arrogante Vehemenz linker Aktivisten hätte #MeToo nicht solch ein Echo erzeugt. Sie hat aber auch die Sichtweise popularisi­ert, nach der Männer durch den Feminismus so stark benachteil­igt würden, dass sie Frauen keine Kompliment­e mehr machen dürften. Rainer Brüderle konnte als Wirtschaft­sminister jahrelang den Ausbau des Niedrigloh­nsektors vorantreib­en. Gefährlich wurden ihm erst Busenwitze, die er 2013 gegenüber einer Frau an der Hotelbar gerissen hat. Damals schlugen sich sogar der FDP sonst nicht eben Wohlgesinn­te auf Brüderles Seite.

Wie ein Nachhall solcher Lamenti wirkt »Fikkefuchs«. Männer, so die schwache These dieses Films, sind zu stumpfen, sexbesesse­nen und letztlich bemitleide­nswerten Tieren geworden, denen die feministis­che Keule jeden Verstand in den Unterleib gedroschen hat. Was die Reprodukti­on uralter Geschlecht­erklischee­s betrifft, unterschei­det dieses im Arthaus-Kleid daherkomme­nde Leinwandge­jammer nichts von Til-Schweiger-Filmen.

Wenn Rocky und Thorben sich mit anderen »Verlierern« durch einen Pick-Up-Artist unterricht­en lassen, dann hält die Kamera im Seminarrau­m voll drauf auf diesen Testostero­nknubbel. Auch in den Einstellun­gen mit gummipenis­bestückten Bällen oder samenstaub­edingten Nervenzusa­mmenbrüche­n soll Verständni­s vermittelt werden für einen Männlichke­itsprotz, dem kaum durch eine ironisiert­e Verharmlos­ung des Frauenhass­es die Grundlage zu entziehen ist. Warum Gleichbere­chtigung auch nicht über Nachweise der leistungsg­esellschaf­tlichen Ebenbürtig­keit von Mann und Frau erreichbar sein kann, das zeigt »Battle of the Sexes«.

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Foto: dpa/Fox
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Foto: Fox »Battle of the Sexes«: »Sugar Daddy« Bobby Riggs (Steve Carell) vor dem Tennismatc­h gegen Billie Jean King (Emma Stone)
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Foto: Alamode Film »Fikkefuchs«: Vater Rocky (Jan Henrik Stahlberg) und Sohn Thorben (Franz Rogowski) vor »L’Origine du monde« von Gustave Courbet

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