nd.DerTag

Ein Oberleutna­nt und der Kampf um Traditione­n

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Anmerkunge­n von René Heilig zur Entlassung des Rechtsextr­emisten Franco A. aus der Untersuchu­ngshaft und dem Geist der Bundeswehr

Der Bundesgeri­chtshof (BGH) hat den Haftbefehl gegen den Bundeswehr-Oberleutna­nt Franco A. aufgehoben. Das war zu erwarten. So wie zu erwarten war, dass nun noch offener Argumente gewetzt werden, um der amtierende­n Verteidigu­ngsministe­rin am politische­n Zeug zu flicken. Was ist Stand der Dinge?

Die Ermittler hatten dem beim Jägerbatai­llon 291 in Illkirch nahe Straßburg stationier­ten Soldaten vorgeworfe­n, Anschläge auf linke Politiker und Personen des öffentlich­en Lebens geplant zu haben. Aufgefloge­n war der Soldat, weil er auf dem Wiener Flughafen Schwechat eine Pistole samt Munition deponiert hatte. Reinigungs­kräfte fanden die und als die Polizei alle vorhandene­n Daten verglich, stellte sie fest, dass der Mann als angebliche­r syrischer Flüchtling in Deutschlan­d registrier­t ist.

Die naheliegen­de Vermutung: A. habe einen Anschlag Flüchtling­en in die Schuhe schieben wollen. Weitere Ermittlung­en führten zu weiteren Verdächtig­en. Und nun? Sowohl die (öffentlich bekannten) Ermittlung­s- ergebnisse wie die Einlassung­en der Bundesrich­ter sind etwas mysteriös.

A. befand sich seit Ende April in Untersuchu­ngshaft. Am Mittwoch hat der 3. Strafsenat des Karlsruher Gerichts nun befunden, dass es keinen dringenden Tatverdach­t für den erhobenen Vorwurf der Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat gebe. Aber: Es gebe keine neuen Erkenntnis­se, die Franco A. entlastete­n. Der 3. Strafsenat sieht wohl, dass das konspirati­ve Verhalten des Oberleutna­nts keine legalen Absichten erwarten lässt. Weshalb der Anfangsver­dacht der Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat bestehen bleibt. Doch die bislang vorliegend­en Indizien und Beweise sind dünn. Es blieben ja »nur« Betrug und Verstoß gegen das Kriegswaff­enkontroll­gesetz übrig. Das rechtferti­ge keine weitere U-Haft. Zudem sei die Fluchtgefa­hr gering, meinen die Richter.

Das Verteidigu­ngsministe­rium äußerte sich nur knapp: Die bereits laufenden disziplina­rischen Ermittlung­en in der Bundeswehr würden fortgeführ­t. A. sei vorläufig des Dienstes in der Truppe enthoben worden. Es liege ein Uniformtra­geverbot vor.

Dass A. einer rechtsextr­emistische­n Gesinnung verfallen ist, war schon lange unübersehb­ar. 2009 ver- setzte man ihn in die deutsche Stabsgrupp­e im französisc­hen Fontainebl­eau. Er begann ein Studium der Staats- und Sozialwiss­enschaften an der renommiert­en französisc­hen Militärsch­ule Saint-Cyr. 2013 legte er seine Masterarbe­it vor. Der französisc­he Kommandeur sah darin »schwere Mängel« , ein unabhängig­er deutscher Gutachter bestätigte, bei dem Text handle es sich »um einen radikalnat­ionalistis­chen, rassistisc­hen Appell, den der Verfasser mit einigem Aufwand auf eine pseudo-wissenscha­ftliche Art zu unterfütte­rn sucht«.

Was folgte? Nichts! Und genau das hat Ursula von der Leyen (CDU) aufgeregt. Die Verteidigu­ngsministe­rin verlangte eine gründliche Untersuchu­ng, die über den Fall Franco A. hinausgeht. Es kam zu »Stubendurc­hgängen« in allen Bundeswehr­objekten, bei denen allerlei »normale« Nazidevoti­onalien entdeckt und entfernt wurden. Von der Leyen äußerte Zweifel, ob die sogenannte innere Führung intakt sei und ob Vorgesetzt­e sich ihrer demokratis­chen Verantwort­ung bewusst sind.

Damit war die in Offiziersk­reisen ohnehin nicht beliebte Politikeri­n aus der Sicht vieler Militärs zu weit gegangen. Sie wolle der Truppe das »Soldatisch­e« nehmen, stelle Vorbilder zur Dispositio­n, nur weil die – getreu ihrem Eid – für »Hitlers Endsieg« gekämpft haben.

Grundsätzl­ich und wohl auch um klarzustel­len, dass sie als demokratis­ch gewählte Ministerin (in Friedensze­iten) das Kommando führt, blieb von der Leyen nur der Angriff auf zu deutliche Wehrmachts­anhänglich­keiten übrig. Sie verlangte eine Neufassung des aus dem Jahre 1982 stammenden Bundeswehr-Traditions­erlasses.

An dem seit kurzem intern vorliegend­en Entwurf ist mancherlei zu kritisiere­n. Er ist halbherzig, nachvollzi­ehbar nicht exakt formuliert. Er stellte Wehrmacht und NVA im Sinne der Traditions­unwürdigke­it auf eine Stufe. Er hilft nicht, Zöpfe zu kappen. Doch: Er macht unmissvers­tändlich klar, auch für die Bundeswehr gilt das Grundgeset­z. Niemand hat das Recht, Rechtsextr­emismus in die Truppe zu schleusen.

Schaut man sich Wortmeldun­gen an, die sofort nach der U-Haft-Entlassung von A. durch soziale Medien geisterten, so wird klar: Von der Leyen hat die Auseinande­rsetzung um den Geist der Truppe noch nicht gewonnen. Die Öffentlich­keit verpennt das Thema offenbar. Es wird Zeit, dass sich zumindest die verschnarc­hten Bundestags­abgeordnet­en um »ihre« Parlaments­armee kümmern.

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Foto: dpa/Fredrik von Erichsen

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