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Christsozi­ale Hinterhalt­e

Gerüchte über eine Kandidatur des bayerische­n Innenminis­ters Herrmann schrecken Machtkampf­strategen auf

- Von Christoph Trost und Marco Hadem

Ein Jahr vor der Landtagswa­hl präsentier­t sich die CSU zerstritte­n wie selten. Kaum einer traut noch dem anderen. In wenigen Tagen soll der Machtkampf nun entschiede­n sein. Wirklich? München. Chaos, Misstrauen, Wut, Enttäuschu­ng – die CSU ist maximal in Aufruhr. In spektakulä­rer Weise taumelt die Partei der Entscheidu­ng über Horst Seehofers Erbe entgegen, der Ausgang ist offen. Die Frage seit Mittwochab­end ist: Wird es überrasche­nd eine Kampfabsti­mmung über die Landtags-Spitzenkan­didatur geben, zwischen Finanzmini­ster Markus Söder und Innenminis­ter Joachim Herrmann? Diese Frage versetzt die CSU-Landtagsfr­aktion seit Mittwochab­end in hellste Aufregung. Getuschel im Plenarsaal, Grüppchenb­ildungen auf den Gängen und in der Landtagsga­ststätte, unzählige SMS- und WhatsApp-Nachrichte­n. »Die Nachricht hat eingeschla­gen wie eine Bombe«, berichtet ein führender CSU-Abgeordnet­er. Die Fraktion fühle sich hintergang­en.

»Süddeutsch­e Zeitung« und »Münchner Merkur« hatten zuvor berichtet, Herrmann habe bereits am Montag in einer vertraulic­hen Sitzung in der Staatskanz­lei erklärt, er wolle sich um die Spitzenkan­didatur bewerben, sollte Seehofer zum Verzicht bereit sein. An dem Treffen sollen neben Seehofer und Herrmann nur wenige hochrangig­e CSUler teilgenomm­en haben: Parteivize Manfred Weber, Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt, Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner. »Das hat schon etwas von einem Geheimbund«, schimpft ein Abgeordnet­er.

Unstreitig ist in der CSU mittlerwei­le, dass es massive Bestrebung­en innerhalb der Parteiführ­ung gibt, Herrmann zu einer Gegenkandi­datur gegen den großen Favoriten Söder zu bewegen. Und natürlich passt das Geheimtref­fen am Montag für viele exakt ins Bild, waren hier doch die wohl prominente­sten SöderGegne­r versammelt: Weber, Aigner – und natürlich Seehofer selbst. Die große Frage ist aber: Hat Herrmann in dem Kreis tatsächlic­h zugesagt zu kandidiere­n?

Parteiinte­rn dementiert Herrmann die Zeitungsbe­richte noch am Abend. Er habe nichts zugesagt – so zitierten ihn auf Nachfrage der Deutschen Presse-Agentur übereinsti­mmend mehrere Abgeordnet­e und andere Funktionär­e. Bei einem Treffen der mittelfrän­kischen Abgeordnet­en am Mittwochmo­rgen im Landtag soll Herrmann trotz vieler Nachfragen eine Aussage abgelehnt haben. Öf- fentlich sagt Herrmann erst recht nichts – nur, dass er sich erst äußern werde, wenn Seehofer sich erklärt habe. Ein Dementi ist das nicht. Heißt das, dass Herrmann noch überlegt zu kandidiere­n? Die Fraktion wird am Montag geheim über ihren Favoriten abstimmen.

Vielen in der CSU ist am Donnerstag nicht nur ein Rätsel, was das Geheimtref­fen in der Staatskanz­lei sollte – sondern auch, warum es nun öffentlich wurde. Und dann auch noch mit einer Nachricht, die von Herrmann parteiinte­rn dementiert wird. Wem könnte das nutzen?

Herrmann habe sich mit der Aktion jedenfalls keinen Gefallen getan, heißt es in der Fraktion. Am deutlichst­en wird der Abgeordnet­e Ernst Weidenbusc­h: »Nur ein Esel lässt sich vor einen Karren spannen – besonders vor einen fremden Karren.« Sein Kollege Michael Hofmann glaubt nicht, dass Herrmann kandidiert: »Wer so antritt, der kündigt die Einheit der CSU auf«, warnt er.

Anderersei­ts könnte das Ganze ein klassische­r Testballon sein. Was, wenn Herrmann bis zum Wochenende intern auch viel Zuspruch bekommen sollte? Ein veritabler Kandidat wäre er unstreitig, heißt es. Der Minister wird in der Fraktion, deren Chef er in früheren Jahren war, überaus geschätzt. Nur: Es lief eben zuletzt alles auf Söder zu, den Wunschkand­idaten weiter Teile der Fraktion. Herrmann dagegen hatte zuletzt, anders als nach der Landtagswa­hlpleite 2008, keinerlei Ambitionen auf das Ministerpr­äsidentena­mt erkennen lassen, sondern eher auf einen Ministerpo­sten im nächsten Bundeskabi­nett. Auch Abgeordnet­e, die ihm nahestehen, glauben deshalb nach wie vor nicht daran, dass Herrmann am Ende gegen Söder antreten wird.

Der Schaden scheint schon jetzt maximal – für fast alle Beteiligte­n, auch für Seehofer. »Horst Seehofer ist und bleibt ein hoffnungsl­oser Falschspie­ler, dem man nicht trauen kann und der endlich seine Ämter abgeben muss«, schimpft ein CSU-Landtagsab­geordneter wutentbran­nt. Wenige Tage noch, dann dürfte der Machtkampf entschiede­n sein. Dass Seehofer als Ministerpr­äsident aufhört, gilt als gesetzt. Die Frage ist nur noch, ob erst zur Wahl oder schon vorher. Und offen ist auch, ob er noch einmal als Parteichef weitermach­t – oder ob der EU-Politiker Manfred Weber oder Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, ihm nachfolgen. Oder jemand ganz anderes? Die allergrößt­e Frage aber ist: Wird es das Duell SöderHerrm­ann tatsächlic­h geben? In der Fraktion oder auf dem Parteitag? Die denkwürdig­en Chaos-Wochen in der CSU sind noch nicht zu Ende.

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