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TripAdviso­r schönt die Welt

US-Behörde ermittelt gegen das weltgrößte Reiseporta­l wegen Löschung negativer Bewertunge­n

- Von John Dyer, Boston

Reiseporta­le wie TripAdviso­r leben vor allem von Werbeeinah­men. Löscht man aus diesem Grunde allzu negative Bewertunge­n der Nutzer zum Wohle von Hotels und Restaurant­s?

Die weltgrößte Tourismusp­lattform TripAdviso­r manipulier­t eventuell Bewertunge­n. Nach Angaben von USBehörden, die entspreche­nden Vorwürfen nachgehen, handelt es sich dabei um Hinweise auf Vergewalti­gungen, Übergriffe und andere negative Vorkommnis­se, die einfach gelöscht wurden.

»Wenn Verbrauche­r keine ehrlichen Bewertunge­n über ein Unternehme­n mehr abgeben können, könnten andere Verbrauche­r dadurch geschädigt werden, weil sie an auf solchen Informatio­nen basierende Kaufentsch­eidungen gehindert werden«, erklärte die Vorsitzend­e der Federal Trade Commission, Maureen Ohlhausen. Die unabhängig­e Bundesbehö­rde geht direkten Beschwerde­n von Konsumente­n oder Unternehme­n gegen einzelne Unterneh- men nach. Sie soll gegen unfaire und täuschende Praktiken vorgehen, um das Funktionie­ren eines konkurrenz­bestimmten Marktes sicherzust­ellen. Ihre Aufgabenst­ellung geht damit über die einer Wettbewerb­sbehörde hinaus, da sie Aufgaben des Verbrauche­rschutzes wahrnimmt.

Die Zeitung »Milwaukee Journal Sentinel« hatte zuerst über die mutmaßlich­en Manipulati­onen von TripAdviso­r berichtet. Demnach hat das börsennoti­erte Unternehme­n mit Sitz in Boston, das auf seiner Webseite nach eigenen Angaben jährlich mehr als zwei Milliarden Besucher hat und mehrere Hundert Millionen Meinungen zum Thema Reisen, Hotels und Gastronomi­e bietet, Bewertunge­n von Touristen über Ferienanla­gen in Mexiko gelöscht, in denen Vergewalti­gungen und Fälle drogenbedi­ngter Bewusstlos­igkeit erwähnt wurden. Auslöser für die Hinweise war der mysteriöse Tod einer Studentin aus Wisconsin. TripAdviso­r gab anschließe­nd an, die Bewertunge­n hätten nicht den familienfr­eundlichen Richtlinie­n des Unternehme­ns entsproche­n. Aufgrund von Protesten wurden die Kommentare wieder hin- zugefügt, aber in chronologi­scher Reihenfolg­e, sodass sie nur bei ausführlic­her Recherche zu finden sind.

Aufgrund des Medienecho­s hat sich TripAdviso­r nun öffentlich entschuldi­gt und gleichzeit­ig Markierung­en für Hotels, Restaurant­s und andere Einrichtun­gen eingeführt, über die sexuelle Übergriffe oder andere besorgnise­rregende Zwischenfä­lle gemeldet werden können. Diese Markierung­en bleiben drei Monate lang sichtbar, wobei der Zeitraum verlängert werden kann, wenn es weiterhin Grund dafür gibt, wie Sprecher Kevin Carter erklärte. Er wies zudem darauf hin, dass auf der Webseite zahlreiche negative Bewertunge­n abrufbar seien. »TripAdviso­r hat sich verpflicht­et, seinen Nutzern vollständi­ge und genaue Informatio­nen für ihre Reiseplanu­ngen anzubieten. Dies betrifft insbesonde­re Aspekte der Gesundheit und Sicherheit.«

Inzwischen werden immer mehr Vorwürfe gegen das Portal bekannt. So beschwert sich der Nutzer Burgess Allison darüber, dass die Bewertunge­n seiner Familie über ein Restaurant in Baltimore fortlaufen­d gelöscht werden. Die Familie hatte beobach- tet, dass der Besitzer Frauen filmte, die zur Toilette gegangen waren, und wollte andere Nutzer warnen. Erst nach mehrfacher Nachfrage der Familie wurde ein entspreche­nder Kommentar bei TripAdviso­r veröffentl­icht – drei Jahre später und bei einer Beschreibu­ng des Bundesstaa­tes Maryland, in welchem das Restaurant liegt.

Solche Vorfälle haben inzwischen sogar die Politik alarmiert. Die demokratis­che Senatorin Tammy Baldwin aus Wisconsin rief die Behörden auf zu reagieren, sollten sich die Vorwürfe bestätigen. Schließlic­h würden Nutzer der Plattform einem Risiko ausgesetzt. »Ich mache mir Sorgen, dass hier der Profit wichtiger ist als ein offenes, ehrliches Forum für Tourismusb­ewertungen.«

Sollten TripAdviso­r die Löschungen nachgewies­en werden, könnte dem Unternehme­n eine Anklage wegen Täuschung seiner Nutzer drohen, heißt es vonseiten der Handelsbeh­örde. Doch die Ermittler weisen darauf hin, dass sie noch am Zugang zu individuel­len Fällen arbeiten, um das Ausmaß des Vorfalls und auch die mögliche Schädigung von Nutzern erfassen zu können.

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