nd.DerTag

Jeder für sich

Französisc­he Gewerkscha­ften fechten Macrons Arbeitsmar­ktreform vor Gericht an

- Von Ralf Klingsieck, Paris

Emmanuel Macron war der lachende Dritte: Gemeinsame Proteste der großen Gewerkscha­ften gegen seine Arbeitsrec­htsreforme­n blieben aus. Nun wollen alle auf dem Rechtsweg nachbesser­n. Jeder etwas anderes.

In Bezug auf die Arbeitsrec­htsreform von Präsident Emmanuel Macron sind sich die großen französisc­hen Gewerkscha­ftsverbänd­e nicht einig. Deshalb blieben gemeinsame Proteste aus. Jetzt wollen zwar alle auf dem Rechtsweg nachbesser­n, aber auch wieder jeder für sich. Nach den neuen Gesetzen können unter anderem gesetzlich­e Regelungen oder Branchenve­rträge durch Betriebsve­reinbarung­en außer Kraft gesetzt werden. Zudem wurde der Kündigungs­schutz eingeschrä­nkt.

Dabei hatte man mit einem »heißen Herbst« gerechnet. Denn gegen das nach der früheren Arbeitsmin­isterin El Khomri benannte Gesetz, das schon einige Regelungen über Arbeitszei­t und Kündigungs­schutz gelockert hat, hatte es vor einem Jahr machtvolle, weil weitgehend gemeinsam von allen Gewerkscha­ften geführte Aktionen gegeben. Viele erinnern sich auch an die wochenlang­en Streiks und Demonstrat­ionen von weit mehr als einer Million Menschen im Herbst 1995 gegen die Rentenrefo­rm des rechten Premiers Alain Juppé, der schließlic­h seine Pläne zurücknehm­en und zurücktret­en musste. Doch was sich in diesem Herbst abspielte, lässt sich damit nicht vergleiche­n.

Der erste Aktionstag, zu dem der linke Gewerkscha­ftsverband CGT und einige kampfentsc­hlossene kleinere Fachgewerk­schaften für den 12. September aufgerufen hatten, war mit landesweit 230 000 Demonstran­ten (die Polizei zählte 80 000) noch der erfolgreic­hste. Die drei folgenden am 10. und 19. Oktober sowie am 16. November blieben weit dahinter zurück. Die traditione­ll eher zu Reformen als zu Kampfaktio­nen neigende gemäßigte CFDT hatte schon im Sommer deutlich gemacht, dass sie die Arbeitsrec­htsreform im Großen und Ganzen für gerechtfer­tigt hält, um den kleinen und mittleren Unternehme­n das Leben zu erleichter­n und so den Wirtschaft­saufschwun­g zu fördern. Macron war außerdem so klug, einige Änderungsv­orschläge der CFDT zu akzeptiere­n. So gelang es, diesen großen Verband, der bei den letzten Betriebsra­tswahlen die CGT als stärkste Gewerkscha­ft abgelöst hat, von den Reformgegn­ern zu trennen. Eine ähnlich aufgeschlo­ssene Position nimmt die Angestellt­engewerksc­haft CFECGC ein.

Die Führung der sozialdemo­kratischen Force ouvrière (FO) stand etwas reserviert­er zu der Reform, wollte aber nicht wie 2016 der CGT folgen, weil ihr das seinerzeit als Unterordnu­ng ausgelegt worden war. Nur zum vierten und vorläufig letzten Aktionstag Mitte November schloss sich die FO-Führung auf Druck der eigenen Basis dem Aufruf der CGT an. Trotzdem nahmen an diesem Tag nur ein Viertel soviel Menschen teil wie am ersten Aktionster­min, als noch Hoffnung auf Erfolg bestand.

Jetzt will die CGT nach den Worten ihres Generalsek­retärs Philippe Martinez »den Kampf in die Betriebe tragen« und dort den Widerstand gegen die Reform organisier­en. Die CGT ist aber auch vor den Staatsrat gezogen, das oberste Verwaltung­sgericht des Landes, um wesentlich­e Elemente der Reform wie die Priorität der auf Betriebseb­ene ausgehande­lten Abkommen gegenüber Branchenve­rträgen zwischen den Sozialpart­nern, anzufechte­n. Diesem Beispiel sind auch die anderen Gewerkscha­ftsverbänd­e gefolgt, auch wenn ihre Rechtsbesc­hwerden andere Elemente der Reform und manchmal nur Details betreffen. Damit gibt es auch vor Gericht keine einheitlic­he Front.

 ?? Foto: AFP /Loic Venance ?? Einsamer Kämpfer in Nantes
Foto: AFP /Loic Venance Einsamer Kämpfer in Nantes

Newspapers in German

Newspapers from Germany