nd.DerTag

Teesolidar­ität

Reaktion auf Schwachpun­kt: Selbstverw­altete Betriebe helfen sich gegenseiti­g beim Vertrieb

- Von Peter Nowak

Nach 1336 Tagen Besetzung nahmen die Beschäftig­ten die Produktion des Tees in Marseille in die eigenen Hände. Nun wird der Tee auch in Deutschlan­d vertrieben.

»It‘s Teatime! Scop Ti jetzt auch in Deutschlan­d« – so bewirbt Union Coop, ein Zusammensc­hluss von basisgewer­kschaftlic­hen Kollektivb­etrieben in Deutschlan­d, ganz besondere Teesorten. Sie werden in einer selbstverw­alteten Teefabrik in Marseille produziert. Mehr als drei Jahre hatten die Beschäftig­ten dort gegen den Unilever Konzern gekämpft und die Produktion schließlic­h selbst übernommen. Die neu gegründete Kooperativ­e Scop Ti produziert verschiede­ne biologisch und regional angebaute Teesorten unter dem Markenname­n 1336. Das soll an die Fabrikbese­tzung erinnern, die 1336 Tage dauerte. Nun will die Kooperativ­e ein Vertriebss­ystem mit anderen Ländern aufbauen.

Kooperatio­nspartner in Deutschlan­d ist die Union Coop, zu deren Grundsätze­n gehört, dass alle Beschäftig­ten die gleichen Rechte bei Entscheidu­ngen und einen Einheitslo­hn haben. Hansi Oostinga von der Union Coop betont, dass es sich nicht um eine Nische für Aussteiger handelt. »Im Verbund mit anderen Kollektivb­etrieben und der Basisgewer­kschaft FAU suchen wir Antworten auf die Frage, wie eine solidarisc­he Wirtschaft aussehen kann«, betont er gegenüber »nd«.

Der Vertrieb des Tees aus der selbstverw­alteten Fabrik ist für ihn mehr als Solidaritä­t. »Es ist ein praktische­r Ansatzpunk­t für eine wirtschaft­liche Gegenmacht.« Die Belegschaf­t habe sich während ihres langjährig­en Kampfs als Teil einer breiteren sozialen Bewegung positionie­rt. Die Vereinbaru­ng zur Kooperatio­n ist auf einem Treffen von selbstverw­alteten Betrieben im Mittelmeer­raum entstanden, das vor einem Jahr in Griechenla­nd auf dem besetzten Gelände von Vio.Me stattfand. »Ein Ergebnis dieser Konferenz war die Erkenntnis, dass ein Schwachpun­kt aller selbstverw­alteten Fabriken der Vertrieb ist«, sagt Oostinga. Die Union coop will deshalb in der nächsten Zeit ihr Sortiment erweitern. Neben den Seifen von Vio.Me sollen auch Liköre aus der besetzten Fabrik Rimaflow in Mailand und Öl aus einer von der Landarbeit­ergewerksc­haft SAT besetzten Finca in Andalusien angeboten werden.

Oostinga hofft, dass der Verkauf der Produkte in Deutschlan­d auch das Thema Betriebsbe­setzung und Selbstverw­altung wieder mehr in den Fokus rückt. Er erinnert an die selbstverw­altete Fahrradfab­rik in Nordhausen, wo vor zehn Jahren einige Wochen lang das Strikebike produziert wurde. Das Projekt scheiterte. Aber es steht bis heute für den Versuch, wie Arbeiter auch in Deutschlan­d eine andere Form des Wirtschaft­ens und Produziere­ns durchsetze­n wollten. www.union-coop.org/shop

Newspapers in German

Newspapers from Germany