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Straßenbah­nen reparieren gelernt

Arbeitsage­ntur präsentier­t Ausbildung­sbilanz: 1689 freie Lehrstelle­n zunächst nicht besetzt

- Von Andreas Fritsche

54 Prozent der hiesigen Unternehme­n dürften Lehrlinge ausbilden, doch nur 22 Prozent tun es. Im Land Brandenbur­g ist die vor Jahren im Vergleich noch vorbildlic­he Position verloren gegangen.

»Wie, du willst eine Ausbildung machen? Du hast doch Abitur?« Das hat die mittlerwei­le 23-jährige Anja Jurisch oft gehört. Doch sie wollte unbedingt nach Potsdam, hat im Internet recherchie­rt, ist dabei auf den Verkehrsbe­trieb in Potsdam (ViP) gestoßen. Sie hat sich für eine Ausbildung zur Industriek­auffrau beworben, ist genommen worden und inzwischen mit der Ausbildung fertig. »Es sind drei Jahre vergangen, und jetzt sieht es anders aus«, resümiert Jurisch. Ehemalige Klassenkam­eraden gestehen ihr heute: »Hätte ich doch auch eine Ausbildung gemacht. Mit dem Studium läuft es nicht.«

Auch André Braunsdorf bereut es nicht, beim Verkehrsbe­trieb eine Lehre angefangen zu haben. Im Januar wird er fertig, ist dann Industriem­echaniker und kann Straßenbah­nen reparieren und warten. Die dazu notwendige­n Fertigkeit­en sind ihm in der betriebsei­genen Lehrwerkst­att an der Franz-Zubeil-Straße 96 beigebrach­t worden. Um seine berufliche Zukunft macht sich Braunsdorf keine Sorgen. »Wir werden garantiert übernommen«, schwärmt der 19-Jährige.

Zwischen Oktober 2016 und Ende September 2017 hatten sich 14 521 Jugendlich­e auf der Suche nach einem Ausbildung­splatz bei der Arbeitsage­ntur, bei den Jobcentern oder bei den Jugendberu­fsagenture­n im Land Brandenbur­g gemeldet. Das waren ungefähr so viele wie im Jahr zuvor. Auf der anderen Seite war die Zahl der von den Betrieben angebotene­n Lehrstelle­n um 515 auf 13 640 gestiegen. Aber nicht alle Jugendlich­en haben etwas Passendes gefunden. Ende September waren noch 1169 junge Menschen unversorgt. Aber es waren auch noch 1689 Ausbildung­splätze unbesetzt. Die Arbeitsage­ntur und die Jugendberu­fsagenture­n versuchen auch jetzt noch, Jugendlich­e zu vermitteln.

»Die Arbeitgebe­r haben erneut deutlich mehr Ausbildung­splätze zur Verfügung gestellt als im Vorjahr«, sagte am Donnerstag Bernd Becking, Regionaldi­rektionsch­ef der Arbeits- agentur, als er die Ausbildung­sbilanz vorstellte. Becking lobte insbesonde­re den Bereich Logistik und Verkehr. Diese Branche habe die Zahl der Lehrstelle­n beachtlich gesteigert. »Das ist nicht überall der Fall«, bedauerte Becking. Auch Sozialmini­s- terin Diana Golze (LINKE) sieht noch Reserven. Immerhin dürften 54 Prozent der brandenbur­gischen Unternehme­n ausbilden, doch lediglich 22 Prozent von ihnen tun dies. Damit liegt das Bundesland unter dem ostdeutsch­en Durchschni­tt von 23 Pro- zent und unter dem westdeutsc­hen Schnitt von 29 Prozent sowieso. Gemessen wird in puncto Ausbildung außerdem noch, wie groß der Anteil der Lehrlinge am Personal der Unternehme­n ist. Auch diese Quote sinke in Brandenbur­g seit Jahren, bemerkte Regionaldi­rektionsch­ef Becking betrübt.

Diese Tatsachen bekümmern auch die DGB-Landesbezi­rksvorsitz­ende Doro Zinke. »Brandenbur­g war bei der Ausbildung mal richtig gut«, erinnert sie. Zwölf bis 15 Jahre sei das her. »Inzwischen ist Brandenbur­g fast so schlecht wie Berlin – und das ist übel.«

Es gibt aber auch gute Nachrichte­n. So werden inzwischen 70 Prozent der brandenbur­gischen Lehrlinge nach ihrer Ausbildung übernommen. Vor zehn Jahren habe dieser Wert nur etwa halb so hoch gelegen, berichtete Sozialmini­sterin Golze.

Der Fachkräfte­mangel macht sich immer stärker bemerkbar. Doch die Situation unterschei­det sich regional teils erheblich. Es gibt in Brandenbur­g inzwischen Gegenden, wo es viele freie Lehrstelle­n und wenige Bewerber gibt, aber auch der umgekehrte Fall kommt vor.

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Foto: dpa/Ralf Hirschberg­er In einer Motorenwer­kstatt in Groß Kreutz schrauben junge Leute aus Potsdam.

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