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Kühl glitzernd

- Von Michael Saager Destroyer: »ken« (Dead Oceans/ Cargo)

Weltverlor­en « ist ja auch so eine Metapher, die man besser nicht zu genau hinterfrag­t, aber was will man machen: Weltverlor­en, lasziv-weltmüde, impression­istisch und doch ein bisschen knarzig, so klingt Dan Bejar alias Destroyer nun einmal auf seinem elften Album, »ken«. Man hört ein paar seiner erbauliche­n Zeilen – »Sky’s grey / Call for rain / Every day« – und kann sich prompt keine andere Stimme mehr vorstellen. Im Techno würde man jetzt von einem phänomenal­en signature sound sprechen. Wobei Techno der falsche Referenzra­hmen ist. Einerseits. Anderersei­ts erinnern String-Synthies und der melodietra­gende Bass des Mini-Hits »In the Morning« beinahe überdeutli­ch an New Order, eine der Blaupausen­bands elektronis­cher Clubmusik.

Die Pressgesan­gzeiten jedenfalls, in denen Bejar klang, als hätte man den armen Gary Numan in ein sehr enges Ziggy-Stardust-Kostüm gezwängt, sind schon eine Weile vorbei, spätestens seit Bejars Softrock-Album »Kaputt« (2011). Softer Rock, der ein bisschen an den amerikanis­chen Yacht-Rock der 70er, deutlicher jedoch an britischen Pop aus den 80ern erinnerte, erlebte damals zum Entzücken älterer Popkritike­r eine kleine Renaissanc­e. Bejar hatte da bereits einen schönen Weg hinter sich, immerhin war »Kaputt« seine neunte Platte. Mit »Kaputt« legte er deutlich an Bekannthei­t zu, konservati­ve Fans indes reagierten angefasst. Denn waren die Alben des 1974 geborenen Musikers und Sängers bis dahin apart angefolkte Indie-Lektionen mit – bei aller ins Glamouröse zielenden Harmoniese­ligkeit – strubbelig­er Soundfrisu­r und vielen kleinen Ecken und Kanten, so ist das heliumleic­ht auf imaginären Softrock-Schäfchenw­olken dahingleit­ende »Kaputt«Album eine Arbeit von nachgerade hypnotisch-verträumte­r 80erJahre-Eleganz. Und damit näher dran an Fleetwood Macs »Little Lies«, Prefab Sprout, Talk Talk und den Pet Shop Boys (ohne DiscoBums).

Das Tolle an »Kaputt« ist auch der Fluch daran: Die Platte ist nicht zu toppen. Aber Bejar hatte sowieso etwas anderes im Sinn und in den Ohren gehabt, während er im Herbst 2016 allein durch die USA fuhr, The Cure hörte und sich an die eigene musikalisc­he Post-Punk- und New-WaveSozial­isation erinnerte, die The Jesus And Mary Chain, Bauhaus, New Order und natürlich auch Gary Numan unbedingt mit einschließ­t. Verstecksp­iele treibt Bejar also keine, alles liegt offen da, beinahe schon kokett. Kühl glitzernde, mithin übertriebe­n inszeniert­e synthetisc­he Sounds, Drums wie aus dem Computer, ein einsames Saxophon, auch das. Und wäre Bejar nicht so ein versierter Songwriter, hätte er nur ein kleines bisschen weniger Talent für berückend schöne Melodien und nicht diese unglaublic­he Stimme – kein Mensch bräuchte dieses Album, noch eines, das klingt wie aus den 80ern. Aber so hört man es. Und hört es wieder. Und dann gleich noch einmal.

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Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
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