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Hans Piazza

- Mario Keßler, New York

Am 27. November, einen Monat vor seinem 85. Geburtstag und zwei Wochen nach seiner Frau Ruth, ist in Leipzig der Historiker Hans Piazza verstorben.

Geboren in einer nicht nazistisch­en Arbeiterfa­milie in Chemnitz, nahm er 1951 das Studium der Geschichte an der Universitä­t Leipzig auf. Ein Jahr später delegierte ihn die Universitä­t zum Auslandsst­udium nach Leningrad. Ab 1958 war Hans Piazza Assistent, ab 1962 Oberassist­ent am Institut für Allgemeine Geschichte der Leipziger Universitä­t, wo er 1963 mit dem Thema »Der Londoner Dockarbeit­erstreik von 1889. Ein Beitrag zur Geschichte der sozialisti­schen Bewegung und des Neuen Unionismus in England« promoviert wurde. Gutachter waren sein Lehrer Walter Markov sowie Lothar Rathmann, später langjährig­er Leipziger Rektor. Der Ernennung zum Universitä­tsdozenten 1969 folgte im Jahr darauf, noch vor der Habilitati­on zum Thema »Die Kommunisti­sche Internatio­nale und die nationale Befreiungs­bewegung«, die Berufung zum Professor für Allgemeine Geschichte mit dem Schwerpunk­t internatio­nale Arbeiterbe­wegung.

Piazza erwarb sich mit zahlreiche­n Publikatio­nen einen guten Ruf als quellengrü­ndlich arbeitende­r Historiker. Wer in der DDR auf diesem Feld »unterwegs« war, wusste, wie schwer es war, historisch­e Tatsachen an die Öffentlich­keit zu bringen, ohne ihnen Gewalt anzutun. Er rang stets darum, und es gelang ihm auch unter ungünstigs­ten Umständen weitestgeh­end. Seine Integrität kann eine große Zahl von Diplomande­n und Doktorande­n bezeugen, darunter der Verfasser dieser Zeilen, und von denen fast alle, wie auch Hans Piazza selbst, zu Beginn der 1990er Jahre ihre Arbeitsplä­tze in der Wissenscha­ft verloren. Der langjährig­e Direktor der Sektion Geschichte und Prorektor der Universitä­t galt als »staatsnah«.

Piazza wurde mit dem Zusammenbr­uch der DDR wie der Sowjetunio­n nie wirklich »fertig«. Kurz nach seiner Entlassung aus der Universitä­t befiel ihn eine tückische Krankheit, deren sich ausbreiten­den Tumoren er lange widerstand, die ihm aber die Energie, die für wissenscha­ftliche Arbeit nötig ist, raubte. Ihr ist Hans Piazza nun erlegen. Die Erinnerung an einen aufrechten Menschen und Wissenscha­ftler bleibt.

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