nd.DerTag

Fox News für Leser

- Von Robert D. Meyer

Wenn das weltweit bekannte US-Magazin »Time« am 6. Dezember seine Person des Jahres kürt, müsste es schon mit dem Teufel zugehen, wenn auf dem Cover der Ausgabe Donald Trump zu sehen wäre. Der US-Präsident hatte vor einigen Tagen behauptet, die Redaktion habe ihm mitgeteilt, dass er nach 2016 wahrschein­lich auch in diesem Jahr zur »Person of the Year« gekürt werde, dies aber mit einer Zusage zu einem Interview- und Fototermin verbunden sei. Da dem Egomanen im Weißen Haus ein »wahrschein­lich« nicht reicht, teilte er via Twitter mit, er lehne das Angebot ab. Alan Murray, oberster Verantwort­licher für die Inhalte bei »Time«, antwortete, in der Geschichte stecke nicht ein »Hauch von Wahrheit«.

Um Wahrheitsf­indung geht es auch bei der Frage, was nach der Übernahme des »Time«-Verlags durch das Verlagshau­s Meredith aus dem New Yorker Traditions­blatt wird. Viola Schenz kommentier­te den 2,8 Milliarden US-Dollar teuren Deal auf süddeutsch­e.de mit den Worten, es wäre ein bisschen so, »als würde der Landwirtsc­haftsverla­g im westfälisc­hen Münster (Top Agrar, Hof Direkt, Landlust) den Hamburger Spiegel kaufen«. Ganz so einfach ist es aber nicht: Zwar verdient Meredith viel Geld mit unzähligen Landwirtsc­hafts-, Garten-, und heimeligen Familienma- gazinen, doch landesweit gehören dem Konzern zudem 16 lokale Fernsehsta­tionen.

Das Ganze wäre ein Fall für die Kartellbeh­örden, die dem Geschäft aber bereits ihren Segen erteilt haben, wäre da nicht ein entscheide­ndes Detail: Ein gutes Viertel der Kaufsumme steuerten die Koch-Brüder Charles und David bei, zwei der wichtigste­n Großspende­r der Republikan­ischen Partei. Die beiden sind ultrakonse­rvativ, wenn es um Familienwe­rte geht, zudem fordern die zwei Milliardär­e einen Rückbau des Staates, wie ihn selbst Trump nicht wagt. Als dieser im Frühjahr seinen letztlich erfolglose­n Versuch startete, die Gesundheit­sreform Obamacare abzuwickel­n, wurde mit Unterstütz­ung der Koch-Milliarden ein Fonds für republikan­ische Abgeordnet­e im Repräsenta­ntenhaus aufgesetzt, die gegen Trumps Entwurf stimmten. Wohlgemerk­t, weil dieser ihnen nicht weit genug ging. Als David Koch 1980 für die Libertäre Partei Vizepräsid­ent werden wollte, ging es ihm unter anderem um die Abschaffun­g aller Sozialleis­tungen und die Schließung staatliche­r Schulen. Offiziell hieß es, die Kochs würden mit der Beteiligun­g an dem »Time«-Erwerb keinerlei redaktione­llen Einfluss erhalten. Doch bleibt der seit Jahren in der Krise steckende Verlag unabhängig?

Laut derStandar­d.de zweifelt der renommiert­e US-Journalist Marvin Kalb daran: »Ist es möglich, dass die Koch-Brüder aus dem Blatt ein FoxMagazin machen?« Und erklärt: »Die Antwort ist ein Ja, und diese Aussicht ist zweifellos eine verstörend­e.« Kalb bezieht sich mit seiner Äußerung auf Nachrichte­nkanal »Fox News«, der für seine erzkonserv­ativen Sichtweise­n bekannt ist. Auch Richard Stengel, früherer geschäftsf­ührender Redakteur von »Time«, sprach laut politico.com eine Warnung aus: »Es wäre naiv zu glauben, die Koch-Brüder hätten keinen redaktione­llen Einfluss.«

 ?? Foto: photocase/Thomas K. ?? Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche
Foto: photocase/Thomas K. Weitere Beiträge finden Sie unter dasnd.de/netzwoche

Newspapers in German

Newspapers from Germany