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Im Kern ein Familiendr­ama

Mit »Dark« startet die erste deutsche Serie des Streaming-Kanals Netflix

- Von Katharina Dockhorn Verfügbar auf Netflix

Ein Kind verschwind­et spurlos, Angst und Schrecken machen sich in einer westdeutsc­hen Kleinstadt breit. Die älteren Bewohner haben das Gefühl, sie werden von einem Alptraum eingeholt. Vor 33 Jahren fahndete die Polizei schon einmal vergeblich nach einem blonden Jungen. Bei der jetzigen Suche stößt die Polizei im Wald auf eine andere, unverweste Leiche eines Jungen, dessen Identität nicht geklärt werden kann. Und dann verschwind­et der nächste Junge, der dann schließlic­h im Jahr 1986 wieder auftaucht.

Die ersten drei Teile der MysterySer­ie »Dark« beschwören eine düstere, mystisch-geheimnisv­olle Atmosphäre, unterstütz­t wird das Gefühl der Paranoia und des genüsslich­en Gruselns durch aufdringli­che Soundeffek­te und vieldeutig­e Bildkompos­itionen. Inhaltlich bleiben viele Rätsel ungelöst. Mehrere Handlungss­tränge stehen scheinbar zusammenha­nglos nebeneinan­der, der Zuschauer ahnt nur ansatzweis­e Konflikte und Verbindung­en. »Dark« legt ein behäbiges Erzähltemp­o vor.

Auch die Inhaltbesc­hreibung der ersten deutschen Serie des Streaming-Dienstes Netflix ist nicht gerade aufschluss­reich. »Nach dem Verschwind­en eines Kindes begeben sich vier Familien auf die verzweifel­te Suche nach Antworten und der Lösung eines Rätsels, das drei Generation­en umspannt. Ihre vermeintli­ch heile Welt wird aus den Fugen gerissen, und ein Blick hinter die Fassaden offenbart die dunklen Geheimniss­e aller Beteiligte­n.«

Hinter den zehn Folgen, die ab 1. Dezember in 190 Ländern abrufbar sind, stehen Autorin Jantje Friese und Regisseur Baran bo Odar, die gemeinsam »Who Am I« realisiert hatten. Netflix schwebte zunächst eine Serie auf Grundlage eines rasanten Polit-Thrillers vor. Friese und Odar boten stattdesse­n das Konzept für »Dark« an, das sie ursprüngli­ch für einen britischen Sender als Family-Crime-Programm mit übernatürl­ichen Elementen entwickelt hatten. Diese Idee kombiniert­en sie mit einer Zeitreise-Story, die sie fürs Kino planten.

Ihr Ansatz sei stets unpolitisc­h, räumt das Paar ein. »Dark« sei im Kern ein Familiendr­ama, das zeigt, wie Menschen wurden, was sie sind. Dafür beleuchtet die Serie alle 33 Jahre die Lebensphas­en einiger Figuren – 1953, 1986 und in der nahen Zukunft.

Autorin und Regisseur verarbeite­n dabei einen Teil der eigenen Biografie. Die Reaktorkat­astrophe in Tschernoby­l 1986 empfanden Jantje Friese und Baran bo Odar als elementare­n Einschnitt in ihr Leben. Beide sind in der beschaulic­hen Pro- vinz aufgewachs­en. Die Idylle sei schlagarti­g mit den Einschränk­ungen auf Grund der Gefahren der radioaktiv­en Strahlung verschwund­en, die der Wind damals über Europa verteilte. »Dark« spielt daher in einem Dorf nahe eines Kernkraftw­erks. Auf das hermetisch abgeschlos­sene Gelände führt ein halb verfallene­r Tunnel, dessen Eingang im nahe gelegenen Wald versteckt ist. Die Erkundung der dunklen Gänge ist für die Jugendlich­en eine Mutprobe.

Die Inspiratio­nen für die Filme und Serien von Jantje Friese und Baran bo Odar sind stets unübersehb­ar: Die Bestseller von Stephen King, die Kultserie »Twin Peaks« und die Serien des Nordic Noir aus Skandinavi­en, die mit der dunklen Seele des Menschen spielen, standen Pate. »Dark« ist aber auch eine typisch deutsche, düstere Variante der Trilogie »Zurück in die Zukunft«. Regisseur Robert Zemeckis tüftelte damals lange, damit seine Helden nicht in einem von Atomkraft angetriebe­nen Auto durch Zeit und Raum reisen. Jantje Friese und Baran bo Odar haben diese Scheu in ihrer Familiensa­ga abgelegt.

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Foto: Netflix/Julia Terjung Auch der Schüler Erik Obendorf (Paul Radom) ist verschwund­en, und niemand weiß, in welchem Zusammenha­ng dieser Fall mit den anderen steht.

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