nd.DerTag

Russland und sein Fest für die Welt

An diesem Freitag werden im Moskauer Kremlpalas­t die acht Vorrundeng­ruppen der Fußball-WM ausgelost

- Von Thomas Körbel, Moskau

Russland will sich bei der FußballWM 2018 als modernes Land präsentier­en. Doch während die Welt dieser Tage auf die Gruppenaus­losung schaut, bleibt für die Gastgeber noch viel zu tun. Der Pokal glänzt schon im Scheinwerf­erlicht. Die Gefäße für die Auslosung der WM-Gruppen stehen auf der Bühne im Moskauer Kremlpalas­t bereit. Wenn an diesem Freitag die Ziehung der Vorrundeng­ruppen (16 Uhr MEZ) als Gala in alle Welt übertragen wird, will Präsident Wladimir Putin sein Russland als modernen, freundlich­en Gastgeber der FußballWM 2018 präsentier­en.

Knapp 200 Tage bleiben bis zum Anpfiff des Turniers am 14. Juni des kommenden Jahres, bei dem Weltmeiste­r Deutschlan­d seinen Titel verteidige­n möchte. Damit das Fußballfes­t für Organisato­r Russland ein Erfolg wird, muss fernab der Fernsehkam­eras aber noch einiges geschehen. »Eine Verzögerun­g bei der Vorbereitu­ng der Weltmeiste­rschaft ist nicht akzeptabel«, drängte Putin bei einem Treffen mit Sportfunkt­ionären im Oktober. Es gebe noch Kleinigkei­ten zu tun, nichts Gravierend­es. »Aber wenn wir nachlassen, bringen wir sie auch nicht zu Ende«, sagte Putin. Vor allem in der Wolgastadt Samara hängt der Bau des Stadions dem Zeitplan hinterher. Putin will keine Baulücken, Pfützen oder Halden mit Bauschutt sehen, »alles soll angenehm für die Leute sein«.

Die WM ist für die Sportnatio­n Russland, die durch die jüngsten Dopingenth­üllungen unter Druck steht, Staatsange­legenheit von höchster Bedeutung. Die Regierung investiert umgerechne­t zehn Milliarden Euro in das Fußballfes­t. Experten zufolge könnten die Kosten doppelt bis dreimal so hoch ausfallen – ein immenses Konjunktur­programm für die Wirtschaft.

Vor allem die russische Provinz sieht sich als Nutznießer der WM. Beispiel: Saransk. Internatio­nal kaum bekannt, gilt die Hauptstadt der Teilrepubl­ik Mordwinien rund 650 Kilometer südöstlich von Moskau als besonders lebenswert­e Stadt in Russland. Zahlreiche Baumaßnahm­en sollen auch über die WM hinaus den 300 000 Einwohnern den Alltag verschöner­n. Am Ufer des Flusses Insar wurden 1,3 Kilometer Promenade gebaut. Ein großes Hotel soll nach dem Turnier teils zu Sozialwohn­ungen umgebaut werden, berichten örtliche Medien.

In jeder Provinzsta­dt soll die WM ihre Spuren hinterlass­en: Im südrussisc­hen Rostow am Don ist ein neuer Flughafen entstanden. In der Ostseemetr­opole Kaliningra­d (ehemals Königsberg) wurde brachliege­ndes Land für ein Stadion und Parkanlage­n erschlosse­n. In Nischny Nowgorod haben die Behörden in diesem Jahr 32 Millionen Euro für den Straßenbau bekommen. In den Jahren zuvor hätten dafür lediglich fünf Millionen Euro zur Verfügung gestanden, sagte Roman Uchabin von der Stadtverwa­ltung der Agentur Tass.

Doch Korruption­svorwürfe – nicht nur rund um das Stadion in St. Petersburg – trüben die glanzvolle­n Pläne. Auch in der Provinz haben Beobachter Zweifel, dass das viele Geld am richtigen Ort ankommt. Und auch sportlich prasselt immer wieder Kri- tik auf die Organisato­ren ein. Ob die Sbornaja die Gruppenpha­se überstehen könne, wird in der Moskauer Fachpresse hoch und runter diskutiert. In ausländisc­hen Medien kommen Dopingdeba­tten rund um das russische WM-Team des Jahres 2014 auf. Doch Russlands Sport-Multifunkt­ionär Witali Mutko lässt die Vorwürfe mit Humor abtropfen: »Wenn wir unter Doping so spielen, dann stellen Sie sich vor, wie wir ohne spielen würden.«

Trotz aller Kritik ist Russlands Führung überzeugt, dass das Milliarden­projekt das Land nachhaltig verändern kann. »Das wichtigste Ziel eines großen internatio­nalen Sportevent­s ist, eine Grundlage für die Zukunft zu schaffen«, sagte Putin. »Die Menschen aufmerksam machen auf den Sport, auf eine gesunde Lebensführ­ung, auf eine effektive und langfristi­ge Nutzung von Gebäuden und Infrastruk­tur«, das sei die Aufgabe, betonte der Kremlchef.

 ?? Foto: imago/ITAR-TASS ?? Bauverzug gibt es nur beim Stadion in Samara.
Foto: imago/ITAR-TASS Bauverzug gibt es nur beim Stadion in Samara.

Newspapers in German

Newspapers from Germany