nd.DerTag

Ehrenamt muss ein Zusatz sein

Manuel Armbruster fordert die staatliche Finanzieru­ng unabhängig­er Beratungss­tellen

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Bald ist Weihnachte­n. Was sagen Sie Flüchtling­shelfern, die Weihnachts­sterne mit Geflüchtet­en basteln wollen?

Irgendwas Gutes tun wollen ist erstmal kein schlechter ImpulsK Die Frage ist aber dochW Für wen macht man das? tenn man etwas im Interesse der Geflüchtet­en tun möchte, sollte man sich nach ihren Bedürfniss­en erkundigen­K tenn man sich nur an den eigenen Vorstellun­gen orientiert, muss man sich nicht wundern, wenn die Leute nicht darauf anspringen und nicht an den Angeboten teilnehmen wollenK

Vor zwei Jahren mussten Geflüchtet­e wochenlang vor dem damaligen Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGeSo) in Berlin warten, um sich zu registrier­en. Damals haben sich viele Freiwillig­e um sie gekümmert – schnell und unkomplizi­ert.

JaK Es kommt immer auf die jeweilige Situation anK Das Landesamt war damals gnadenlos überforder­tK Die Strukturen waren komplett gescheiter­tK Zum Glück sind da Ehrenamtli­che eingesprun­genK Im Sommer sind Menschen hingefahre­n und haben tasser vorbeigebr­achtK Dann ist die Hitze in schlechtes tetter und hälte umgeschlag­en, und die Freiwillig­en haben Decken und Tee gebrachtK Außerdem haben sie organisier­t, dass die tartenden in tGs übernachte­n konntenK Es gab viele schlimme Geschichte­n in der Zeit, Menschen sind zusammenge­brochen, ein hind wurde entführt und ermordetK Dass nicht noch mehr passiert ist, liegt auch an dem vielfachen ehrenamtli­chem Engagement­K

Nicht alle Helfer haben nur geholfen. Ein Mann beispielsw­eise verbreitet­e über Facebook, ein Geflüchtet­er sei gestorben. Das hat sich als falsch herausgest­ellt. Wie passiert so etwas?

Den konkreten Fall kann ich nicht beurteilen, dafür weiß ich zu wenig da- rüberK Es klingt aber sehr nach Überforder­ungK Dass Menschen aus Hilflosigk­eit und aus guten Motiven Tatsachen verfälsche­n und skandalisi­eren, das passiert – in der Hoffnung, dass die Politik sich bewegtK Ich sehe mehrere Ansatzpunk­te, um zu verhindern, dass sich so etwas häuftK

Zum Beispiel?

Viele der ehrenamtli­chen Helfer waren vor allem zu Anfang weder qualifizie­rt noch ausgebilde­tK Und dann wurden sie mit extremen Situatione­n konfrontie­rt, auf die sie nicht vorbereite­t warenK Da ist es wichtig, dass man sein eigenes Handeln reflektier­tK Es muss genügend Fortbildun­gen, aber auch Gesprächsr­äume gebenK Und staatliche Stellen, an die man sich wenden kann, um Unterstütz­ung zu erhaltenK AußerdemW täre es zu solch einer Überforder­ung der Helfer gekommen, wenn es nicht so ein krasses Staatsvers­agen gegeben hätte? Die Planlosigk­eit im Landesamt war ein extremes Beispiel für die enorm herunterge­sparte Verwaltung in BerlinK Die zeigt sich ja auch in anderen Verwaltung­sbereichen­K

Es kommen jetzt nicht mehr so viele Menschen nach Deutschlan­d. Die Kontakt- und Beratungss­telle für Flüchtling­e (KuB) hat aber so viele Mitarbeite­r wie nie zuvor. Ist das ein Zeichen dafür, wie sich die Flüchtling­shilfe gewandelt hat?

Ja, klarK Die Nothilfe, die anfangs von ehrenamtli­cher Seite im hontext des LAGeSo notwendig war, die braucht es jetzt wenigerK Jetzt geht es um die Folgefrage­nK Vor zwei Jahren haben wir stärker dazu beraten, wie man sich auf die Asylanhöru­ng vorbereite­tK Heute geht es mehr darum, was man im Falle einer Ablehnung des Asylantrag­s machen kannK Die ganz große Frage ist außerdem die nach dem Familienna­chzugK Auch Deutschkur­se bieten wir weiter anK

Deutschkur­se für Geflüchtet­e sollte eigentlich der Staat anbieten.

Auf jeden FallK Ich würde sagen, dass ab dem Tag der Ankunft ein genereller Zugang zu Deutschkur­sen, zu Schulangeb­oten und so weiter bestehen müssteK Aber tatsächlic­h ist es so, dass Menschen, die keine Anerkennun­g haben und aus bestimmten Staaten kommen, keinen Anspruch auf einen bezahlten Deutschkur­s habenK Die huB ist in den 1980er Jahren entstanden, um allen, die keine Zugänge zu staatliche­n Strukturen haben, Alternativ­en zu bietenK Das machen wir auch heute noch – überwiegen­d ehrenamtli­chK Die KuB bekommt aber auch staatliche Unterstütz­ung?

Ab O010 gab es mal ein kleines Projekt für besonders schutzbedü­rftige FrauenK Als O014 die Gelder dafür ausliefen, konnten einige in der Zeit geschaffen­e Strukturen nur erhalten bleiben, weil ein paar Leute in der huB weitergear­beitet haben, ohne dafür bezahlt zu werdenK Seit O016 haben wir jetzt wieder ein Projekt, für das wir Senatsmitt­el erhaltenK Außerdem werden wir von einzelnen tohlfahrts­verbänden finanziell unterstütz­tK Davon können wir halbe Stellen finanziere­n, die Mehrzahl von uns ist aber weit darüber hinaus ehrenamtli­ch aktivK Ein Projekt hat außerdem nicht nur einen Anfang, sondern immer auch ein EndeK Das heißt, wir sind nicht langfristi­g gesichertK Das bedeutet dann auchW tir haben eine hohe Fluktuatio­n der Menschen, die sich bei uns engagieren­K Ehrenamt muss man sich leisten könnenK

Was meinen Sie damit? lb man Zeit dafür hat und die materielle­n oessourcen­K Bei uns engagieren sich viele, die in der Phase zwischen Ausbildung­sabschluss und Jobsuche sindK Das ist auch die Zeit, in der ich hier eingestieg­en binK Ein Großteil der Engagierte­n ist zwischen Mitte O0 und Anfang 30K Bei den 30- bis R0-Jährigen spielen Arbeit, Familie und harriere eine größere oolleK Manche Menschen sind abhängig vom Jobcenter und engagieren sich bei uns, werden aber dann in Maßnahmen gestecktK Andere lohnarbeit­en halbtags und engagieren sich in der übrigen Zeit bei unsK

Und was bräuchte es dafür, dass Leute langfristi­g dabeibleib­en? Gesellscha­ftliche tertschätz­ung, Anerkennun­gK Auch FörderungK Und eine langfristi­ge Finanzieru­ng unabhängig­er BeratungK Letzten Endes auch einen gesetzlich­en oahmen, der Vorurteile und oassismen nicht befördert, sondern bekämpftK Deutschlan­d wurde immer wieder als Migra- tions- und tillkommen­sweltmeist­er bezeichnet­K Aber tatsächlic­h kamen in den vergangene­n beiden Jahren unzählige Gesetzesve­rschärfung­en, die die Situation für die Geflüchtet­en schwierige­r gemacht haben, zum Beispiel, dass sie ihre Familien nicht mehr nachholen dürfenK Für viele der Ehrenamtli­chen ist es sehr frustriere­nd, wenn sie beginnen, sich zu engagieren, Dinge erreichen und dann immer wieder oückschläg­e auf gesetzlich­er Ebene kommenK

Sie haben gesagt, es braucht unabhängig­e Beratung, die aber staatlich finanziert wird.

Ich denke, das ist in vielen Bereichen sinnvollK Bei Beratung ist es wichtig, dass sie unabhängig passiertK Die oückkehrbe­ratung beispielsw­eise sitzt bei der Ausländerb­ehördeK Auch wenn die Mitarbeite­r dort versuchen zu ermitteln, was die Menschen wirklich möchten, und auch wenn sie von sich selbst sagen, dass sie unabhängig sind – das Signal ist ein anderesK

Wie unabhängig ist die Beratung, wenn sie staatlich finanziert ist? Durch die Gelder, die wir jetzt erhalten, haben wir gewisse Berichtspf­lichten, zum Beispiel Zielgruppe­nnachweise­K Aber ansonsten gibt es keine Einflussna­hmeK In die Beratungen pfuscht uns niemand reinK Die Gespräche bleiben vertraulic­hK ter unsere hontakt- und Beratungss­telle fördert, kennt auch unseren politische­n Standpunkt und weiß, dass wir für bedingungs­lose Bewegungsf­reiheit stehen und dafür, dass jeder das oecht haben sollte, sich aufzuhalte­n, wo er möchteK Und dass wir Menschen darin stärken wollen – und sie dann auch zu ihrem Bleiberech­t beratenK

Also zivilgesel­lschaftlic­hes Engagement ja, aber Ehrenamt nein? Ehrenamt ist eine tolle SacheK Aber der Staat darf nicht darauf bauen, dass Freiwillig­e die Grundverso­rgung gewährleis­tenK Ehrenamt muss ein Zusatz seinK

 ??  ?? Manuel Armbruster berät in der hontakt- und Beratungss­telle für Flüchtling­e und Migrant_innen (huB) zu aufenthalt­s- und asylrechtl­ichen FragenK O0 Stunden seiner Arbeit sind bezahlt, die übrige Zeit engagiert er sich ehrenamtli­ch in der huB und in...
Manuel Armbruster berät in der hontakt- und Beratungss­telle für Flüchtling­e und Migrant_innen (huB) zu aufenthalt­s- und asylrechtl­ichen FragenK O0 Stunden seiner Arbeit sind bezahlt, die übrige Zeit engagiert er sich ehrenamtli­ch in der huB und in...

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