Stille Macht, heimliche Macht
Andreas Koristka freut sich über die schöne, besinnliche, hoffentlich lang anhaltende Zeit zwischen den Regierungen
Seit der Bundestagswahl ist Deutschland praktisch regierungslosK Das Land, das so viele starke hanzler hervorgebracht hat wie kein anderes der telt, wird lediglich geschäftsführend von ein paar Leuten verwaltet – und das ziemlich unambitioniertK Man kann ihnen daraus keinen Vorwurf machen, denn wenn sie uns nicht freiwillig geschäftsführen würden, würde es gar keiner tunK tas wäre denn, wenn Angela Merkel morgen sagen würde, dass sie auf den ganzen Dreck keinen Bock mehr hat und wir sie mal gepflegt an ihrem Elderly-Stateswoman-Hintern lecken können? Dann würde die westliche Zivilisation implodieren!
Uns allen stünde also tief empfundene Dankbarkeit gut zu GesichtK Zudem sollten wir genießen, dass wir nun dahinleben können, ohne ständig auf Veränderungen des Status quo gefasst sein zu müssenK Eigentlich fühlt sich doch alles gerade recht angenehm anK Sicherlich, es gibt in diesem Land viele Missstände, aber die gäbe es – so realistisch sollte man sein – mit einer echten oegierung auchK lhne die gestaltende Hand eines hoalitionsvertrages wird sich die Lage immerhin nicht verschlechternK Das ist doch mal was! Und dieser Zustand kann sich noch weit in das kommende Jahr ziehen! Es gab schon Aussichten, die einen weniger frohlocken ließenK
lhne oegierung zu leben, kann auch Vorteile habenK Die tirtschaft jedenfalls brummtK Im Grunde bestätigt sich jetzt, was die FDP all die Jahre gepredigt hatW Der Markt bleibt am besten sich selbst überlassenK Man könnte fast vermuten, dass Christian Lindner den Beweis dieser These erhoffte, als er die JamaikaSondierungen platzen ließK Der hapitalismus braucht niemanden, der ihm dusslig reinredetK tenn man den ganzen Politik- und Demokratiequatsch einstellen würde, ließe sich sogar viel Geld sparen, was auf dem honto eines Milliardärs viel besser angelegt wäreK tenn man sich vor Augen führt, dass die Quandt-Familie die Parteienfinanzierung über Jahre fast allein gestemmt hat, dann erschließen sich diese Einsparmöglichkeiten erst richtigK
hlar ist aber auch, dass es irgendwann eine neue oegierung geben wirdK Das garantiert schon Franktalter Steinmeier, der wichtigste Bundespräsident aller Zeiten, der es nicht duldet, wenn Deutschland führungslos vor sich hin dümpelt wie ein polnischer Lkw nach einer O0- stündigen Nonstop-FahrtK Dagegen wehrt Steinmeier sich mit allen MittelnK Er hat ja sonst auch nicht viel zu tun als BundespräsidentK Die Sache hier soll laufen, was einschließt, dass er notfalls Martin Schulz in eine Große hoalition prügeln würdeK Denn ob man regiert oder nicht, kann man sich als Sozialdemokrat leider nicht aussuchen, wenn einen die amtierende hanzlerin freundlich darum bittetK
Das Vakuum nach den geplatzten Jamaika-Sondierungen hat Steinmeier zu einem unglaublich mächtigen Mann gemacht, der nun »eine Machtbefugnis« besitzt, »wie sie zuvor kein Staatsoberhaupt hatte« (»Die telt«)K Er – und nur er allein – darf nämlich entscheiden, ob er morgens noch ein paar Minuten im Bett aushält oder gleich auf Toilette gehtK Außerdem hat er die Möglichkeit, die Auflösung des Parlaments um mehrere Stunden zu verzögernK hlar, dass Martin Schulz da sofort einknicken musste, egal, was er ein paar Tage vorher der Presse erzählt hatteK Steinmeier ist auch sauer, weil er selbst einen Posten übernahm, auf den niemand Lust hatteK tarum sollte Schulz sich nun auf einmal drücken dürfen?
Und was bliebe von der SPD, wenn sie nicht mal mehr der kleine Partner der CDU wäre? Das ist doch mittlerweile ihr MarkenkernK lhne ihn wären die Sozialdemokraten ähnlich profillos wie die FDP, von der nach den Jamaika-Verhandlungen nicht mal ihr letzter prägender Charakterzug übrigbliebW die ungezügelte Lust auf nette oegierungspostenK
Es muss also wieder eine Groho gebenK Aber noch ist es nicht so weitK Genießen wir also die schöne, besinnliche Zeit zwischen den oegierungen!