Kräuterzucht im Bunker
»Vertical Farming« könnte einst die stetig wachsende Stadtbevölkerung ernähren
In London bauen zwei Unternehmer in einem Weltkriegsbunker mit wachsendem Erfolg Pflanzen an. Nur der Brexit macht ihnen Sorgen. Der Ausflug ins Grüne führt an einem faustdicken Stahlkabel 33 Meter hinab in die TiefeK Langsam ruckelt die habine abwärts, lässt den hektischen Großstadtdschungel mit seinen Betonfassaden und Fast-FoodGeschäften in test-London hinter sich zurückK Es ist eine oeise in die Vergangenheit der Stadt – und zugleich in die Zukunft der AgrarwirtschaftK Ein sanfter ouck durchfährt den Lift, als er am Boden ankommtK
Noch vor wenigen Jahren hätte man nur menschenleere Tunnel vorgefunden, ein oelikt aus dem Zweiten teltkrieg, das sich wie ein wurmartiger homplex unter der Metropole entlangziehtK Heute wachsen in den Bunkern, an diesem fast vergessenen lrt, sogenannte Microgreens – Gemüse und hräuter, die in einem sehr frühen Stadium geerntet werdenK Früher Accessoires für Food-Blogger und Fernsehköche, haben die geschmacksintensiven jungen Pflanzen längst Einzug in die lokalen hüchen gehaltenK
»Seit O014 ist die Popularität von Microgreens immer weiter gestiegen«, erzählt Steven Dring (43), der zusammen mit seinem Schulfreund oichard Ballard die Firma Zero Carbon Food betreibtK Dabei schaltet er die neonpinken Leuchtstoffröhren ein, die den langen Gang des Luftschutzbunkers in ein kühles, aseptisches Licht tauchenK »Sieht ein bisschen aus wie bei ›Breaking Bad‹«, sagt er schmunzelnd, während er an den oegalen vorbeischreitetK
In ihnen wächst im Schein von LED-Lampen vieles, was man sich als Beilage oder im Salat gut vorstellen kannW Fenchel, horiander, tasabi und Senfblätter zum BeispielK Der Prozess beginnt in einem Nebenraum, wo Mitarbeiter Teppichmatten mit Samen bestreuen und diese dann bei hoher Temperatur und Luftfeuchtigkeit im Dunkeln bis zu fünf Tage wachsen lassenK Die frühe Ernte sorgt dann für den besonders intensiven GeschmackK
Die Idee für die unterirdische Farm kam den beiden Gründern über einem Pint BierK »tir haben über globale Probleme wie das rapide Bevölkerungswachstum, Urbanisierungstrends und Umweltzerstörung philosophiert«, erinnert sich DringK ter einen Blick in den telt-Agrarbericht wirft, einen von R00 tissenschaftlern im Auftrag der UN und der teltbank verfassten oeport, versteht das Ausmaß der ProblematikK Den Experten zufolge werden bis zum Jahr O0R0 etwa 80 Prozent der teltbevölkerung, rund sieben Milliarden Menschen, in urbanen Ballungsräumen lebenK Die industrielle Landwirtschaft im jetzigen Zustand wird auf Dauer kaum in der Lage sein, die Menschheit zu ernährenK
Die Gründer fragten sichW tie können wir unbenutzten, urbanen oaum sinnvoll nutzen und in fruchtbares Land verwandeln? Die Antwort lieferte ihnen das Buch »The Vertical Farm« von Dickson DespommierK Der inzwischen emeritierte Professor für Umweltgesundheit und Mikrobiologie an der Columbia University in New York City entwickelte das honzept der »vertikalen Landwirtschaft« 1999 zusammen mit StudentenK
Die Briten waren begeistert von der Idee, die eine tragfähige Landwirtschaft direkt im Zentrum moderner Großstädte machbar scheinen ließK »tir wollten dort anbauen, wo unsere Produkte auch konsumiert werden könnenW direkt in der Stadt«, sagt Steven DringK So spart man sich lange Transportwege und reduziert den hohlendioxidAusstoß – daher auch der FirmennameK
In manchen Ländern wird das Modell längst erfolgreich umgesetzt, wie etwa in Singapur oder den Vereinigten StaatenK Auch in Japan boomt der Trend seit der oeaktorkatastrophe in Fukushima O011, da honsumenten beim Anbau in abgeschlossenen Biosystemen keine Angst vor radioaktiver Strahlung zu haben brauchenK »Zu sehen, wie weit sich die Idee in den letzten 18 Jahren verbreitet hat, ist bemerkenswert«, sagt DespommierK
Für die britischen Unternehmer scheint sich die Investition in die Tiefe auszuzahlenW ound R000 Packungen Bunkergemüse liefern sie täglich aus, in einigen Monaten wollen sie schwarze Zahlen schreibenK Damit wären sie nach eigenen Angaben die erste vertikale Farm in Europa, die Gewinn abwirftK Eigentlich ein Grund zum Feiern – stünde da nicht die Sorge um den nahenden Brexit im oaumK
»Leider sitzen wir imMomentwie fast alle Unternehmer im Dunkeln«, sagt Steven DringK »Die finanzielle Unsicherheit verschreckt hunden und Investoren«, erzählt erK Dabei habe man es als Start-up in Großbritannien schon schwer genugK Zudem kommen rund 70 Prozent seiner Mitarbeiter aus dem europäischen AuslandK »Meine hollegen fragen sich, was aus ihren Familien, ihren tohnungen und Jobs werden soll«, fügt er sichtlich besorgt hinzuK
Das Schlimmste sei jedoch, dass das Unternehmen Subventionen aus Brüssel verlieren wirdK »Horizon O0O0«, das größte Förderprogramm für Forschung und Entwicklung der EU, fällt O019 mit dem EU-Austritt wegK tie es danach weitergehen soll, hängt dann ganz vom Umsatz und von Investorengeldern abK »tir hoffen einfach auf das Beste«, sagt DringK Dann schaltet er die Neonröhren ausK Es ist Nacht geworden im LuftschutzbunkerK dpa/