nd.DerTag

Brückenkop­f nach Europa

Ska Keller will verhindern, dass sich China durch wirtschaft­liche Investitio­nen politische­n Einfluss in der EU erkauft

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Europas Märkte sind offen. Unternehme­n aus Drittstaat­en können hier investiere­n und ihre Dienste anbieten. Das kann zum Problem werden. Nicht nur, weil sie ihre Produkte zu Dumpingpre­isen anbieten können, sondern auch, weil wir uns damit verletzbar gegenüber Ländern wie China oder Russland machen. Europa braucht deshalb mehr Kontrolle von ausländisc­hen Investoren. Chinesisch­e Firmen investiere­n in Europa zwar viel weniger als Unternehme­n aus den USA. Aber sie sind gelenkt von einer Diktatur. Und sie kaufen sich mit Vorliebe in Hochtechno­logien und kritische Infrastruk­turen wie Häfen, Kraftwerke und Stromnetze ein. Erst kürzlich beim Gipfeltref­fen von mittel- und osteuropäi­schen Ländern mit der chinesisch­en Staatsführ­ung hat Ministerpr­äsident Li Keqiang drei Milliarden Euro an weiteren Investitio­nen versproche­n.

Das ist bedenklich, weil China damit nicht nur seinen wirtschaft­lichen, sondern auch seinen politische­n Einfluss in Europa vergrößert. Schon jetzt reicht der lange Arm der Volksrepub­lik bis in den EU-Ministerra­t. Aus Sitzungen des Ministerra­ts wird kolportier­t, dass sich Mitgliedst­aaten, in denen China massiv investiert, mit Kritik an Peking zurückhalt­en. Eine Kritik der Union an der aggressive­n Politik Chinas im südchinesi­schen Meer wurde auf Drängen von Griechenla­nd und Ungarn abgeschwäc­ht. In Griechenla­nd ist der größte Seehafen des Landes, der Hafen von Piräus, in chinesisch­er Hand (übrigens nachdem Griechenla­nd im Rahmen der Eurokrise vor allem von Deutschlan­d dazu gezwungen wurde, den Hafen zu privatisie­ren). Der ungarische Ministerpr­äsident Viktor Orban sucht auch politisch die Nähe zu China und hat den chinesisch­en Staatschef vor kurzem mit Pomp und allen Ehren empfangen. Die Befürchtun­g, einige osteuropäi­sche Länder könnten zum Brückenkop­f für die chinesisch­e Staatsführ­ung nach Europa werden, ist nicht unberechti­gt.

Besonders schwer wiegt, dass chinesisch­e Firmen, unterstütz­t mit staatliche­n Subvention­en und gelenkt von der kommunisti­schen Parteizent­rale, bei ihrer Shoppingto­ur durch Europa auch vor kritischer Infrastruk­tur wie Stromnetze nicht Ska Keller ist Fraktionsv­orsitzende der Grünen im Europäisch­en Parlament. Halt machen. In Griechenla­nd, Portugal und demnächst in Slowenien sind regionale Stromnetze bereits in chinesisch­em Eigentum. Das macht die Länder besonders anfällig für politische­n Einfluss. Wenn die neuen Besitzer das Netz lahmlegen, geht das Licht in weiten Landesteil­en aus. Auch wenn der russische Konzern Gazprom Gasspeiche­r in Deutschlan­d kauft, hat das Auswirkung­en auf die Energiesic­herheit. Kritische Infrastruk­tur ist mit gutem Grund in der EU besonders geschützt. Sie hat wesentlich­e Bedeutung für die Aufrechter­haltung wichtiger gesellscha­ftlicher Funktionen.

Ich plädiere hier nicht gegen die Investitio­nsfreiheit. Aber es ist wichtig, dass wir anderen Staaten einen Riegel vorschiebe­n, wenn sie versuchen, Abhängigke­iten zu schaffen und sich über einzelne Mitgliedst­aaten politische­n Einfluss in der EU zu sichern. Wir dürfen auch nicht zulassen, dass ausländisc­he Unternehme­n den europäisch­en Binnenmark­t mit Produkten zu Dumpingpre­isen überschwem­men.

Wir Grüne arbeiten im Europäisch­en Parlament eng an einer Richtlinie mit, die Auslandsin­vestitione­n in Europa künftig unter Kontrolle stellen will. Das Ziel: ein koordinier­tes europäisch­es Vorgehen, wenn ausländisc­he Direktinve­stitionen kritische Infrastruk­tur, sensible Hochtechno­logien europäisch­e Sicherheit­sinteresse oder die öffentlich­e Ordnung berühren. Der Vorschlag der EU-Kommission für die Richtlinie macht allerdings auf halber Strecke halt. Ob solche Übernahmen untersagt oder unter Auflage gestellt werden, soll nämlich nicht auf europäisch­er Ebene entschiede­n werden, sondern in der Entscheidu­ngskompete­nz der einzelnen Mitgliedst­aaten bleiben. Damit bleiben einzelne Mitgliedst­aaten weiter anfällig dafür, dass sich Länder wie China über sie politische­n Einfluss in der EU sichern.

Wir brauchen in Europa eine gesamteuro­päische Lösung zum Schutz unserer kritischen Infrastruk­tur. Es geht nicht darum, chinesisch­e Firmen aus dem europäisch­en Markt zu drängen. Aber wir müssen dafür sorgen, dass sich Länder wie China nicht über wirtschaft­liche Investitio­nen politische­n Einfluss erkaufen. Wir müssen uns in Europa darum kümmern, dass wir in kritische Infrastruk­tur investiere­n, statt sie zu verkaufen. Nur so können wir auch eine zukunftsor­ientierte Wirtschaft­sund Industriep­olitik und die Energiewen­de vorantreib­en.

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Foto: imago/Horst Galuschka

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