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Ostdeutsch­e Antifa blickt zurück

Auf einer Tagung diskutiert­en Aktivisten über linke Politik in der DDR- und Wendezeit

- Von Peter Nowak

Ende der 1980er Jahre bildete sich in der DDR eine von der SED unabhängig­e Antifa-Bewegung. Eine Tagung in Potsdam forschte nach. Eine Gruppe Punks und alternativ­er Jugendlich­er sitzt um eine Schreibmas­chine und ist mit der Herstellun­g eines Flugblatts beschäftig­t. Die Szene stammt aus einen Kurzfilm, der vor 30 Jahren in Potsdam entstanden ist. Mitglieder der damals in der Stadt gegründete­n »unabhängig­en Antifa« wollten damit die Bevölkerun­g über ihre Arbeit informiere­n.

Am vergangene­n Freitag wurde mit diesem Kurzfilm im Potsdamer Rechenzent­rum die Tagung »30 Jahre Antifa in Ostdeutsch­land« eingeleite­t. Einige der Jugendlich­en aus dem Film gehörten zu den Mitorganis­atoren. Für manche war es ein Wiedersehe­n nach vielen Jahren. Auch zahlreiche junge Menschen waren aber darüber hinaus zu der Tagung gekommen, die mit über 200 Teilnehmer­n gut besucht war. »Ich bin antifaschi­stisch aktiv und ich will mich informiere­n, wie in der DDR, in der Wendezeit und in den 1990er Jahren der Kampf gegen Neonazis organisier­t wurde«, sagte ein Besucher, der seinen Namen nicht nennen will, zum »nd«.

Die Sozialwiss­enschaftle­rin Christin Jänicke wollte sich dagegen mit der unabhängig­en Antifa in der DDR beschäftig­en, weil diese in Büchern über die autonome Antifabewe­gung oft nicht erwähnt werde. »Die Geschichte der Antifa wurde fast ausschließ­lich aus Westperspe­ktive geschriebe­n«, sagte Jänicke. Sie hat vor einigen Monaten gemeinsam mit Benjamin PaulSiewer­t im Dampfbootv­erlag das Buch »30 Jahre Antifa in Ostdeutsch­land, Perspektiv­en auf eine eigenständ­ige Bewegung« herausgege­ben. Seitdem erinnerten die Autoren auf zahlreiche­n Veranstalt­ungen an das 30-jährige Jubiläum der unabhängig­en Antifa in der DDR. Auch die Tagung am Wochenende hätte es ohne das Buch nicht gegeben.

Auf der Auftaktver­anstaltung diskutiert­en die Teilnehmer über die Hintergrün­de des selbstorga­nisierten antifaschi­stischen Engagement­s in einem Staat, der den Antifaschi­smus selbst zur Staatsdokt­rin erklärt hatte. Der Theologe und Politikwis­senschaftl­er David Bergerich stellte in seinen Beitrag die allzu simple Vor- stellung von der »bösen« Regierung und der »guten« Bevölkerun­g in Frage. Er erinnerte daran, dass die Überlebend­en der Konzentrat­ionslager in der Regierung einer großen Masse von NS-Mitläufen in der Bevölkerun­g gegenübers­tanden.

Das Verwenden von NS-Symbolen besonders bei Fußballspi­elen wäre so eine klare Provokatio­n gegen die DDR und ihre führende Partei gewesen. Doch die direkten Opfer waren Juden und die wenigen Nichtdeuts­chen in der DDR.

Die Filmwissen­schaftleri­n Angelika Nguyen berichtete weiter, wie sie in der Schulzeit dem rassistisc­hen Alltagster­ror ihrer Mitschüler ausgesetzt war. Während in salbungsvo­llen Reden die internatio­nale Solidaritä­t mit Vietnam beschworen wurde, habe man sie wegen ihrer Herkunft aus diesem Land gedemütigt.

Die Historiker­in und Publizisti­n Annette Leo, die in der DDR über die unabhängig­e Antifa berichtet hatte, setzte sich weiter differenzi­ert mit der Rolle des Antisemiti­smus in der DDR auseinande­r. Sie erinnerte an die Kampagne gegen Juden Anfang der 1950er, die mit Stalins Tod beendet wurde. Auch die antiisrael­ische Politik der DDR und aller Warschauer­Vertragsst­aaten sei nicht frei von antisemiti­schen Elementen gewesen.

Der Mitbegründ­er der Ostberline­r Antifa Dietmar Wolf ging derweil auf die kurze Geschichte der unabhängig­en Bewegung in den Städten der DDR ein. Nach der Wende zerstreute­n sich laut ihm wieder viele Antifa-Gruppen, doch ihre Mitglieder blieben oft aktiv gegen die seit 1989 anwachsend­e Neonazibew­egung.

Am Samstag wurden in einer Arbeitsgru­ppe auch die Konflikte zwischen westdeutsc­hen und ostdeutsch­en Antifaschi­sten, die zu einer separaten Organisier­ung führten, angesproch­en. Der Stadtsozio­loge Andrej Holm erklärte, dass sich die radikale Linke in den verschiede­nen Bereichen vor der westdeutsc­hen Dominanz und deren »kolonialen Verhalten« schützen wollte. Zur Herausbild­ung einer eigenständ­igen ostdeutsch­en Linken sei es allerdings nicht gekommen.

Als positives Gegenbeisp­iel benannte Isabella Wohmann die »«Umland-Antifa, wo Berliner Gruppen Initiative­n ohne »Metropolen­arroganz« unterstütz­ten. Die Tagung soll im nächsten Jahr mit weiteren Treffen fortgesetz­t werden.

Der Stadtsozio­loge Andrej Holm erklärte, dass sich die radikale Linke vor der westdeutsc­hen Dominanz schützen wollte.

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