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Das Dilemma der DUP

Die nordirisch­e Regionalpa­rtei will keinen harten Brexit / Noch mehr aber fürchtet sie den Zerfall des Königreich­es

- Von Nelli Tügel

Die DUP stützt die Minderheit­sregierung von Theresa May. Am Montag brachte sie von Belfast aus die Gespräche zwischen der britischen Premiermin­isterin und Juncker in Brüssel zum Platzen. Warum? Es war ein Verhandlun­gskrimi erster Güte: Die Signale, die am Montag während der Gespräche zwischen der britischen Premiermin­isterin Theresa May und dem EU-Kommission­schef Jean-Claude Juncker nach außen drangen, klangen zunächst nach Einigung. Ein Kompromiss in der Irlandfrag­e sei zum Greifen nah, hieß es; später wurde gemeldet, es gebe eine Einigung. Diese sah wohl wie folgt aus: Die Grenze zwischen Irland und Nordirland sollte offen, Nordirland per Sonderstat­us in Zollunion und EUBinnenma­rkt bleiben. Der GrünenFrak­tionschef im Europaparl­ament, Philippe Lamberts, kommentier­te am Montagmitt­ag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, die neuen Formulieru­ngen zu Irland seien »zufriedens­tellend«. Auch die irische Regierung, der von der EU ein Vetorecht in der Grenzfrage bei den Brexit-Verhandlun­gen eingeräumt wurde, hätte dies wohl mitgetrage­n.

Doch dann kam die DUP. Noch während der laufenden Gespräche zwischen Juncker und May, erklärte die Vorsitzend­e der nordirisch­en Regionalpa­rtei, Arlene Foster, bei einer eilig einberufen­en Pressekonf­erenz, die DUP werde für Nordirland keine wirtschaft­lichen oder politische­n Regelungen akzeptiere­n, die von denen im übrigen Großbritan­nien abwichen.

Die Beratungen in Brüssel wurden unterbroch­en, May telefonier­te mit Foster. Die bliebt bei ihrer Haltung – am Ende mussten Juncker und May vor die Presse treten und verkünden, es habe noch keine Einigung gegeben. Das ist vor allem für die britische Premiermin­isterin bitter, denn nächste Woche kommen die EU-Staats- und Regierungs­chefs zusammen und entscheide­n, ob die zweite Phase der Brexit-Verhandlun­gen beginnen kann, in der die zukünftige­n Beziehunge­n Thema sein sollen. Findet sich bis dahin keine Lösung der Irlandfrag­e, wird dies nicht geschehen. Zieht May aber durch – ohne Rücksicht auf die DUP – wird sie die längste Zeit Premiermin­isterin gewesen sein. Denn dann dürfte die DUP ihre Unterstütz­ung der Minderheit­sregierung zurückzieh­en. Und als wäre dies nicht schon schwierig genug für May, twitterte – nach- dem am Montag durchgesic­kert war, dass ein Sonderstat­us für Nordirland ausgehande­lt werden solle – die schottisch­e Regierungs­chefin und Brexit-Gegnerin Nicola Sturgeon prompt, auch Schottland verlange einen solchen Status.

Damit ist die Situation ähnlich ausweglos wie die eigentlich Sachfrage – die irisch-nordirisch­e Grenze – komplizier­t ist. Die DUP spielt dabei eine widersprüc­hliche Rolle. Denn zur hartgesott­enen Pro-Brexit-Fraktion gehören die erzkonserv­ativen Unio- nisten nicht – eigentlich. Sie haben sich zwar für den Austritt des Vereinigte­n Königreich­es aus der EU ausgesproc­hen, aber stets für den Verbleib in Zollunion und Binnenmark­t plädiert, einen »weichen« Brexit also. Dies hat auch damit zu tun, dass die Partei um die in den vergangene­n 20 Jahre immer enger gewordenen wirtschaft­lichen Verflechtu­ngen auf der irischen Insel weiß. Dort hat sich ein Wirtschaft­sraum entwickelt, in den beide Teile Irlands integriert sind – und der mit einer harten EU-Außen- grenze auseinande­rgerissen würde. Zudem ist die Mehrheit der Nordiren gegen den Brexit, so wie auch fast alle nordirisch­en Regionalpa­rteien.

Doch etwas wiegt für die DUP noch schwerer als ihre Skepsis gegenüber einem »harten« Brexit: Als straffe Unionisten ist für sie die Teilung des Vereinigte­n Königreich­es keine Option, egal unter welchen Umständen. Würde nun aber Nordirland mit einem Sonderstat­us ausgestatt­et – wie es offenbar am Montag zwischen May und Juncker vereinbart werden sollte – bedeutete dies: Die Grenze verliefe künftig de facto zwischen den beiden

Während der laufenden Gespräche zwischen Juncker rund May erklärte Arlene Foster, die DUP werde für Nordirland keinen Sonderstat­us akzeptiere­n.

Inseln. Und das fürchtet die DUP noch mehr als eine bemannte Demarkatio­nslinie zwischen Nordirland und der Republik Irland.

Für May droht die verzwickte Situation zum Desaster zu werden. Bis Ende der Woche soll ein Kompromiss stehen. Doch zu Hause sieht sie ziemlich alt aus. Die DUP beharrt auf ihrer Position, Brexit-Hardliner der Tories stellen sich hinter Arlene Fosters Truppe. Man habe in der Frage des Sonderstat­us für Nordirland »ähnliche Ansichten wie die DUP«, sagte beispielsw­eise der Tory-Abgeordnet­e Jacob Rees-Mogg. Die britische Presse fragt indes, weshalb May sich eigentlich nicht mit ihren Mehrheitsb­eschaffern von der DUP im Vorfeld der Brüsselrei­se abgesproch­en hat.

Es ist und bleibt eine Gleichung mit zu vielen Variablen – schwer vorstellba­r, dass May sie rasch zu lösen im Stande ist.

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Foto: AFP/Daniel Leal-Olivas Arlene Foster, Chefin der Democratic Unionist Party (DUP), vor dem Wohnsitz von Theresa May.

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