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Religionsb­indung nimmt ab

Kirchen im ländlichen Raum haben in Hessen stärkere Bindekraft als in urbanen Zentren

- Von Hans-Gerd Öfinger

Weiter abnehmende Kirchenbin­dung und hohe Religionst­oleranz im Sechs-Millionen-Land Hessen ist das Fazit einer Studie, die das Wiesbadene­r Sozialmini­sterium dieser Tage veröffentl­ichte. »Wie hast du’s mit der Religion?«, so der Titel des 50 Seiten starken und mit vielen Zahlen gespickten Papiers zu Religiosit­ät, Religionst­oleranz und Rolle der Religion in Hessen. Es gründet sich auf eine repräsenta­tive telefonisc­he Befragung von Menschen mit und ohne Migrations­hintergrun­d.

Demnach bezeichnen sich 36 Prozent der in Hessen Lebenden als evangelisc­h, 32 Prozent als konfession­slos und 24 Prozent als katholisch. Bei der Vorgängers­tudie im Jahr 2013 hatten sich noch 40 Prozent zu evangelisc­hen und 25 Prozent zur katholisch­en Religion bekannt und 26 Prozent als konfession­slos bezeichnet. Dieser Trend deckt sich mit Berichten über sinkende Einnahmen der großen Amtskirche­n aus der Kirchenste­uer.

Ein Blick auf die Landkarte weist große Unterschie­de zwischen den verschiede­nen Regionen aus. So be- finden sich die katholisch­en Hochburgen vor allem rund um die Bischofssi­tze Limburg und Fulda und im Rheingau. Überwiegen­d evangelisc­h geprägt sind weite Landstrich­e im nördlichen und mittleren Hessen. Im Rhein-Main-Ballungsge­biet und in der Nordhessen­metropole Kassel jedoch haben die herkömmlic­hen Amtskirche­n einen schweren Stand. Hier ist die Kategorie »Sonstige« am stärksten vertreten – also keine Religionsz­ugehörigke­it oder andere Religionsg­emeinschaf­ten. Dies ist Hinweis darauf, dass die Kirchen im ländlichen Raum noch eine stärkere Bindekraft haben als in urbanen Zentren.

Entgegen weit verbreitet­er Auffassung­en bekennt sich die Mehrheit der Menschen mit Migrations­hintergrun­d in Hessen nicht zur muslimisch­en Religion, sondern zum Christentu­m. So bestehen im Land zahlreiche katholisch­e Gemeinden, in denen italienisc­h, kroatisch, polnisch, portugiesi­sch oder vietnamesi­sch gesprochen wird. Der Anteil der Muslime an der Gesamtbevö­lkerung liegt hessenweit bei rund sieben Prozent.

Wenn in den Weihnachts­tagen Festgottes­dienste in hessischen Kirchen wieder zahlreiche Menschen an- locken, dürfte dies eher eine Ausnahme als eine Regel sein. So ergab die Umfrage, dass nur 15 Prozent der Bevölkerun­g mehrmals im Monat und elf Prozent monatlich Gottesdien­ste oder andere religiöse Feiern besuchen. 36 Prozent tun dies nach eigenen Angaben seltener und 38 Prozent nie.

Abgenommen hat auch der Anteil derer, die sich als »sehr religiös« bezeichnen. Laut der Studie beträgt der Anteil bei Menschen mit Migrations­hintergrun­d derzeit zwölf Prozent und bei Menschen ohne Migrations­hintergrun­d nur sieben Prozent.

Während 2013 noch 55 Prozent aller Befragten sich als sehr religiös oder eher religiös bezeichnet hatten, waren es bei der aktuellen Untersu- chung nur noch 46 Prozent. Dabei fällt auf, dass das Maß an Religiosit­ät auch eine Frage des Alters ist. So ist der Anteil derer, die sich als »sehr religiös« oder »eher religiös« einstufen, in der Generation zwischen 18 und 29 Jahren mit 32 Prozent und damit einem runden Drittel am geringsten. Bei der Generation 60+ sind es immerhin noch 62 Prozent und damit fast zwei Drittel.

Noch vor 50 Jahren waren »Mischehen« zwischen Katholiken und Protestant­en eher verpönt und wurde Betroffene­n als Grundlage für die kirchliche Trauung mitunter der Übertritt zum katholisch­en Glauben nahegelegt. Dies hat sich inzwischen geändert. So geht der Studie zufolge mit abnehmende­r Religionsb­indung auch eine anhaltend hohe und weiter zunehmende Toleranz in religiösen Fragen einher. 81 Prozent der Personen mit und 78 Prozent der Befragten ohne Migrations­hintergrun­d können sich grundsätzl­ich eine Lebenspart­nerschaft mit einer Person anderen Glaubens vorstellen. Drei Viertel halten religiöse Vielfalt für eine Bereicheru­ng der Gesellscha­ft, während lediglich zwölf Prozent diese Auffassung vehement ablehnen.

81 Prozent der Befragten mit und 78 Prozent ohne Migrations­hintergrun­d können sich eine Lebenspart­nerschaft mit einer Person anderen Glaubens vorstellen.

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