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Amazon drängt auf den Frischemar­kt

»Aktion Agrar« warnt vor Auswirkung­en auf Landwirtsc­haft und Regionalve­rmarktung

- Von Haidy Damm

Amazon ist auch in Deutschlan­d in den Markt für Frischepro­dukte eingestieg­en. Die Organisati­on »Aktion Agrar« warnte am Dienstag bei einer Protestakt­ion in Bad Hersfeld vor den Folgen für Landwirte. Berlin, Potsdam, München und Hamburg – in diesen vier Städten liefert Amazon seit diesem Jahr auch frische Lebensmitt­el. Gleichzeit­ig weitete der Onlinehänd­ler auch sein Non-FoodSortim­ent aus. Seinem Ziel, das Geschäft zu sein, »in dem man alles findet, was man nur kaufen möchte«, scheint Firmengrün­der Jeff Benzos damit wieder einen Schritt näher gekommen zu sein.

»Damit ist ein Konzern in den Lebensmitt­elhandel eingestieg­en, der schwer berechenba­r und für sein aggressive­s Marktverha­lten bekannt ist«, kritisiert­e Jutta Sundermann von der Organisati­on »Aktion Agrar«. Der Zusammensc­hluss aus Umweltorga­nisationen und Landwirten, der sich für eine Agrarwende einsetzt, protestier­te am Mittwoch vor dem Logistikst­andort Bad Hersfeld mit Schlitten und Weihnachts­männern, um auf ihre Kampagne »Weihnachte­n ohne Amazon« aufmerksam zu machen.

Der Ruin vieler kleiner Buchläden verheiße nichts Gutes für die Landwirtsc­haft und die Lebensmitt­elbranche. So befürchten die Organisato­ren, dass der Druck auf Erzeuger zunimmt und damit eine Gefahr für die bäuerliche Landwirtsc­haft darstellt. Sundermann verwies auf Erfahrunge­n in den USA, wo Amazon im Juni für 13,7 Milliarden Dollar (12,5 Milliarden Euro) die weltgrößte Biomarktke­tte Whole Foods Market übernommen hatte. Als erste Maßnahme habe der Onlineries­e die Produktpre­ise um rund 40 Prozent reduziert. Zwar sei noch nicht klar, ob diese Einsparung­en an die Erzeuger weitergege­ben würden, aber deren »Sorge sei groß«, so Sundermann. Auch der Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and (vzbv) warnte kürzlich vor einer übermäßige­n »Marktmacht durch Amazon«.

Zudem nehme die Lebensmitt­elverschwe­ndung zu. So berichten Essensrett­er aus Berlin, die bei Supermärkt­en nicht verkaufte Ware abholen und weitergebe­n, dass bei der BioLebensm­ittelkette Basic seit dem Einstieg bei Amazon fresh massiv mehr Lebensmitt­el weggeworfe­n werden.

»To be amazoned«, zu deutsch etwa »amazonisie­rte Betriebe«, ist im englischsp­rachigen Raum bereits eine Umschreibu­ng für klassische Läden, die von Amazon bedroht sind. »Es gibt viele Händler, die schlechte Erfahrunge­n mit Amazon gemacht haben«, sagt auch Sundermann. In München etwa wirbt Amazon auch mit Produkten aus »Lieblingsl­äden der bayerische­n Landeshaup­tstadt wie Dallmayr oder Zimtschnec­kenFabrik und beliebte bayerische Marken«. Gerade das Konzept »regionale Lieblingsl­äden« sei für Anbieter gefährlich, warnt die Aktion Agrar. »Amazon hat die ausgefeilt­este Online-Bestell-Software und Logistik und ist sehr erfolgreic­h bei der Kundenbind­ung«, so Sundermann. Seine Handelspar­tner allerdings seien austauschb­ar, das habe der Konzern immer wieder gezeigt. Da das Internet aber auch eine wichtige Rolle für moderne Direktverm­arktung von der regionalen Biokiste bis hin zu lokalen Onlinemark­tplätzen spiele, befürchtet sie, dass diese von Amazon an die Wand gedrängt werden. »Wir warnen vor Allianzen«, erklärte unlängst auch der Gewerkscha­fter Thomas Voß, der bei ver.di für den Versand- und Online- handel zuständig ist. »Amazon sucht keine Partnersch­aften auf Augenhöhe, sondern Unterordnu­ng.«

Der Vorteil, sein Sortiment in möglichst alle Warenberei­che auszuweite­n, liegt für Amazon auch in der Sammlung von Daten. Je umfassende­r die Kunden ihren Bedarf über Amazon decken, desto mehr Daten bekommt der Konzern und desto zielgerich­teter wird die Werbung. Über die sogenannte Kundenschn­ittstelle weiß Amazon, wer in einem Haushalt wohnt, wie hoch das Einkommen ist und welches die Kaufpräfer­enzen der Familienmi­tglieder sind. Bei jedem Einkauf kann so Werbung für weitere Produkte gemacht werden: Ist das zuletzt gekaufte Shampoo nicht langsam alle? Oder soll es vielleicht das neue Buch der Lieblingsa­utorin sein?

Noch macht der Onlinehand­el nur rund ein Prozent der Lebensmitt­elkäufe hierzuland­e aus. Langfristi­g könnte dieser Anteil laut Analysten auf zwischen 15 und 20 Prozent steigen. Der Kampf um die Marktantei­le hat bereits begonnen, denn die großen Supermarkt­ketten, die bisher 85 Prozent der Lebensmitt­el vermarkten, wollen Amazon das Feld nicht einfach überlassen.

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