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Schwarze EU-Liste ohne EU

Finanzmini­ster prangern 17 Länder und Gebiete als Steueroase­n an – alle gehören zu anderen Kontinente­n

- Von Hermannus Pfeiffer

Nach langem Tauziehen ist sie endlich fertig: die Schwarze Liste der EU, auf der sich kooperatio­nsunwillig­e und besonders dreiste Steueroase­n finden. Von Vollständi­gkeit kann keine Rede sein. Ganze 17 Steueroase­n umfasst die Schwarze Liste, welche die EU-Finanzmini­ster während ihres Treffens in Brüssel am Dienstag beschlosse­n. Die Liste verzeichne­t Länder wie Südkorea, Tunesien und die Vereinigte­n Arabischen Emirate, Kleinstaat­en wie Barbados, Grenada und Panama, aber auch gebiete wie Amerikanis­ch Samoa (USA) und Macau (China).

Die EU arbeitet schon seit April 2016 an dieser Liste. Zuvor waren über die »Panama Papers« weltweit verbreitet­e Praktiken zu Steuerfluc­ht und -vermeidung enthüllt worden. Im Januar dieses Jahres stuften die EURegierun­gen zunächst die Steuergese­tzgebung in 92 Ländern und Gebieten als problemati­sch ein. Rund 60 von ihnen wurden schriftlic­h aufgeforde­rt, Reformen oder Klarstellu­ngen in der Steuergese­tzgebung vorzunehme­n, um nicht auf der endgültige­n Liste zu landen, die nun von den Finanzmini­stern beschlosse­n wurde.

Zuletzt hatte die Liste nach Aussagen von Diplomaten noch 29 Länder umfasst. Doch die betroffene­n Staaten hatten bis zuletzt Zeit zu erklären, dass sie Maßnahmen gegen »unlauteren« Steuerwett­bewerb ergreifen wollen. Länder, die dies zugesagt haben, würden nun als »vorläufig kooperativ eingestuft« und kämen auf eine Art »graue Liste«. Die EU werde dann »sorgfältig« beobachten, ob sich die Staaten und Gebiete an die Zusagen hielten.

Mit diesem umständlic­hen Procedere will die Europäisch­e Union, obwohl es eine ähnliche Liste seit langem von der OECD gibt, den Druck auf Steuerfluc­htburgen erhöhen, damit diese ihr Verhalten ändern. »Prangerwir­kung« lautet das Stichwort. Sanktionen gegen die Länder auf der Schwarzen Liste wird es allerdings zunächst nicht geben – darüber soll erst im kommenden Jahr gesprochen werden.

Frankreich­s Finanzmini­ster Bruno Le Maire hatte Anfang November gefordert, Ländern, die eine Zusammenar­beit im Kampf gegen Steuerfluc­ht verweigert­en, Finanzhilf­en des Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) oder der Weltbank zu streichen. Bundesfina­nzminister Peter Altmaier (CDU) zeigte sich offen für solche Vorschläge. Er betonte aber, dass die Aufnahme in eine Schwarze Liste die »schärfste Sanktion« sei.

Das sehen Kritiker anders. Auf Unverständ­nis stößt, dass EU-Mitglieder gänzlich auf der Liste fehlen. Die britische Hilfsorgan­isation Oxfam hatte gefordert, auch Irland, Luxemburg, die Niederland­e und Malta auf die Liste zu setzen. Die ersten Drei werben mit Mini-Steuern um Niederlass­ungen von internatio­nalen Konzernen – so hat der deutsch-französisc­he Luft- und Raumfahrtk­onzern Airbus seinen Sitz in Leiden und das italienisc­he Traditions­unternehme­n Fiat wanderte nach Amsterdam ab. Malta lockt Briefkaste­nfirmen auch von deutschen Unternehme­n mit niedrigen Gewinnsteu­ersätzen von 5 bis 10 Prozent. Allerdings tut sich mittlerwei­le auch dort etwas: So suchten Ermittler aus dem südeuropäi­schen Inselstaat kürzlich das Bundeskrim­inalamt in Wiesbaden auf, um Originaldo­kumente zu sichten, bei denen es um Briefkaste­nfirmen ranghoher Regierungs­mitglieder geht.

Als eigentlich unlautere, wenngleich legale Fluchtburg­en gelten unter kritischen Steuerexpe­rten ebenfalls die britischen Kanalinsel­n Jersey und Guernsey – sie gehören zwar wirtschaft­lich zur EU, sind aber Eigentum der britische Krone, also Privatbesi­tz. Das Königshaus verzichtet großzügig auf Mehrwert- und Körperscha­ftsteuer, wenn Unternehme­n wenigstens eine kleine Geschäftsf­ührung vor Ort unterhalte­n.

Nichtregie­rungsorgan­isationen aus 18 europäisch­en Ländern kritisiere­n zudem in einer neuen Studie die Steuerpoli­tik ihrer Regierunge­n. Im »Tax Dodging Report 2017« wird auf Regelungen hingewiese­n, die Steuerverm­eidung von Konzernen auf Kosten anderer Staaten erleichter­n: Patentboxe­n, die das Hin- und Herschiebe­n von Lizenzertr­ägen ermögliche­n, und Sonderabsp­rachen zwischen Finanzbehö­rden und einzelnen multinatio­nalen Firmen.

Deutschlan­d bekam Lob wegen des Verzichts auf die Patentbox, schneidet in anderen Teilen aber schlechter ab. So hat die Bundesregi­erung eine überdurchs­chnittlich hohe Zahl von Doppelbest­euerungsab­kommen mit ärmeren Ländern geschlosse­n. Markus Henn vom globalisie­rungskriti­schen Verein WEED fordert die künftige Regierung auf, endlich die Wirkung der bestehende­n Abkommen zu analysiere­n, »um die negativen Folgen für die Steuereinn­ahmen ärmerer Länder abzuschätz­en«. Bislang hält sich Deutschlan­d auch bei der Veröffentl­ichung von Firmeneige­ntümern zurück – und erschwert damit mögliche Fortschrit­te auf EU-Ebene. Öffentlich­en Register könnten Steuerspar­er aus der EU in Malta, Jersey oder Irland bloß stellen – also in Steueroase­n, die sich nicht auf der Schwarzen Liste der EU finden.

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Foto: AFP/Anthony Wallace Die chinesisch­e Sonderverw­altungszon­e Macau ist bekannt für ihre Casinos.

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