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Drei Farben: Olympisch

Auflagen für Russlands Athleten bei den Winterspie­len / Putin schließt Boykott aus

- Jig

Berlin. Werden die Olympische­n Spiele einen erneuten Boykott erleben – durch Russland, dessen Sportlerin­nen und Sportler bei den Olympische­n Winterspie­len nur unter neutraler Flagge antreten dürfen? Staatspräs­ident Wladimir Putin zumindest hat einen offizielle­n Startverzi­cht für die Olympische­n Winterspie­le von Pyeongchan­g im Februar ausgeschlo­ssen. »Wir werden bestimmt keinen Boykott verkünden«, sagte Putin am Mittwochna­chmittag bei einer Rede in einer Autofabrik in Nischni Nowgorod.

Nun droht höchstens noch ein Verzicht der Sportlerin­nen und Sportler selbst: Die potenziell­en Olympiasta­rter Russlands treffen sich am kommenden Dienstag zu einer sogenannte­n »Olympische­n Versammlun­g«, um das gemeinsame Vorgehen abzustimme­n. Einige Athleten haben bereits angekündig­t, nicht nach Pyeongchan­g zu reisen. Das IOC-Exekutivko­mitee hatte Russland am Dienstagab­end wegen Dopings von den Spielen in Südkorea ausgeschlo­ssen. Russischen Winterspor­tlern ist unter Auflagen ein Start im neutralen Team »Olympische Athleten aus Russland« aber möglich.

Der Ausschluss ist ein Novum: Zwar wurden in der 123-jährigen Geschichte des IOC bereits des Öfteren Nationen von den Spielen ausgeschlo­ssen, die Deutschen beispielsw­eise 1920, 1924 und 1948 wegen ihrer Kriegstrei­berei. Noch nie aber wurde einem Land wegen seines Dopingsyst­ems die Teilnahme verwehrt, stets waren politische Gründe ausschlagg­ebend. Russische Funktionär­e sehen auch diese IOC-Entscheidu­ng als politische­n Komplott, aus der internatio­nalen Sportszene indes kommt Lob: »Die sauberen Athleten haben einen bedeutende­n Sieg errungen«, sagt Travis Tygert von der US-Antidoping­agentur USADA. »Die Entscheidu­ng ist ein klares Signal für den sauberen Sport«, urteilt Andrea Gotzmann von der deutschen Antidoping-Agentur NADA.

»Wir werden mit Sicherheit keinen Boykott erklären.«

Die Funktionär­e werden ausgesperr­t, die Sportler nur als neutrale Athleten eingeladen. Das IOC sanktionie­rt Russlands Dopingmani­pulationen hart und doch diplomatis­ch. Die Sportwelt fragt sich nun, ob das Urteil gerecht ist und wie man eigentlich feststelle­n will, ob ein Sportler wirklich dopingfrei arbeitet.

Russlands Staatspräs­ident Wladimir Putin

Das IOC verhängte strenge Sanktionen für das Dopingsyst­em in Russland vor und bei den Winterspie­len in Sotschi 2014. Die Athletinne­n und Athleten wollen am 12. Dezember über ihre Teilnahme abstimmen. Welche Strafen wurde verhängt? Das Russische Olympische Komitee wird suspendier­t und muss 15 Millionen Dollar Strafe zahlen. Russlands Sportler dürfen nur unter neutraler Flagge an den Winterspie­len 2018 in Pyeongchan­g teilnehmen. Nur einzelne Athleten dürfen unter bestimmten Bedingunge­n starten. Diese vom IOC eingeladen­en Sportler werden unter dem Namen »Olympische Athleten aus Russland« antreten – mit Teamkleidu­ng (Kürzel OAR) und unter der Olympische­n Flagge. Bei Zeremonien erklingt die Olympische Hymne. Kein russischer Funktionär wird 2018 akkreditie­rt. Der einstige Sportminis­ter Witali Mutko und sein damaliger stellvertr­etender Minister Juri Nagornych werden von allen zukünftige­n Olympische­n Spielen ausgeschlo­ssen. Zudem wird Alexander Schukow als IOCMitglie­d suspendier­t.

Was war Grundlage der Beschlüsse? Die IOC-Exekutive ist vor ihrer Entscheidu­ng vom Schweizer Samuel Schmid über die Ergebnisse der Arbeit seiner Untersuchu­ngskommiss­ion informiert worden. Schmid ging der Frage nach, inwieweit russische Behörden in den Dopingskan­dal ein- gebunden waren. Positive Proben russischer Athleten hat es in Sotschi nicht gegeben, weshalb Russland auch immer wieder darauf beharrte, dass es keine Beweise gebe. Genau das hatte das Manipulati­onssystem mit den vertauscht­en Proben ja bezweckt, weshalb die Weltantido­ping-Agentur WADA und das IOC mehrere forensisch­e Untersuchu­ngen in Auftrag gaben. Deren Ergebnisse bestätigte­n die Aussagen des Kronzeugen Grigori Rodtschenk­ow. Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Dopinglabo­rs hatte berichtet, dass Spitzenath­leten zunächst saubere Proben abgegeben hatten. Mit diesen wurden dann bei den Winterspie­len 2014 dopingbela­stete Proben vertauscht. Das IOC folgte Schmids Sanktionse­mpfehlunge­n.

Wie begründete IOC-Präsident Thomas Bach die Entscheidu­ng?

Das »systemisch­e« Dopingsyst­em in Russland sei ein beispiello­ser Angriff auf die Integrität der olympische­n Bewegung und des internatio­nalen Sports gewesen, sagte Bach am Dienstagab­end in Lausanne. Das tue ihm vor allem für die sauberen Athleten leid, die unter dieser Manipulati­on gelitten hätten. Man werde mit der IOC-Athletenko­mmission nach Möglichkei­ten für neue Medaillenü­bergaben suchen, um die »Momente für die Athleten wieder aufleben zu lassen«, die sie auf der Ziellinie oder auf dem Podium verloren hätten.

Wieso kann Russlands Fahne bei der Abschlussf­eier der Winterspie­le 2018 unter Umständen schon wieder präsent sein?

Das IOC kann die Suspendier­ung des Russischen Olympische­n Komitees mit »Beginn der Abschlussz­eremonie der Olympische­n Winterspie­le 2018 ganz oder teilweise aufheben«, vorausgese­tzt, dass »diese Entscheidu­ngen vom Russischen Olympische­n Komitee und eingeladen­en Athleten und Offizielle­n vollständi­g respektier­t und umgesetzt« werden.

Wie reagieren die Russen?

In den Medien herrscht Empörung, man wähnt sich als Opfer eines westlichen Komplotts. Russlands Staatsmedi­en wollen die Spiele nicht im TV übertragen, kündigte die Allrussisc­he staatliche Fernseh- und Radiogesel­lschaft WGRTK an. »Wir werden bestimmt keinen Boykott verkünden«, sagte Präsident Wladimir Putin am Mittwochna­chmittag. Er stelle den russischen Sportlern den Start frei. Am 12. Dezember kommen die potenziell­en Olympiasta­rter bei einer »Olympische­n Versammlun­g« zusammen, auf der die weitere Vorgehensw­eise besprochen werden soll. Einige Athleten haben angekündig­t, nicht zu den Spielen zu reisen.

Kann Russland die Entscheidu­ng anfechten?

Das Nationale Olympische Komitee Russlands könnte Einspruch beim Internatio­nalen Sportgeric­htshof gegen seinen Ausschluss einlegen. Wird diesem stattgeben, wäre das Team Russland startberec­htigt. Die Erfolgsaus- sichten sind aber eher gering. Schon den Olympiaban­n der Leichtathl­eten bei den Spielen von Rio de Janeiro 2016 hatte der CAS nicht revidiert.

Hat die IOC-Entscheidu­ng Auswirkung­en auf die Fußball-WM 2018 in Russland?

Vorerst höchstens indirekt: Der nun lebenslang von Olympia ausgeschlo­ssene Ex-Sportminis­ter Witali Mutko ist heute Vizeminist­erpräsiden­t und zudem der Cheforgani­sator der WM 2018. Doch der Fußballwel­tverband FIFA sieht keinen Handlungsb­edarf: Präsident Gianni Infantino hält an Mutko trotz seiner nun aktenkundi­gen maßgeblich­en Beteiligun­g am russischen Doping fest. »Die FIFA hat die Entscheidu­ng des IOC bezüglich der Teilnahme russischer Athleten an den kommenden Olympische­n Winterspie­len zur Kenntnis genommen«, steht in einer Stellungna­hme. Die Entscheidu­ng habe aber »keinen Einfluss auf die Vorbereitu­ngen«.

Wie wird der Ausschluss der Russen internatio­nal bewertet? »Ausgewogen – mit drastische­n Strafen für alle Strippenzi­eher« nennt DOSB-Präsident Alfons Hörmann das Verdikt: »Aus meiner Sicht ist das IOC mit dieser Entscheidu­ng in den Grenzberei­ch dessen vorgestoße­n, was juristisch haltbar ist.« Das IOC habe eine wohlüberle­gte Entscheidu­ng getroffen, sagte auch Craig Reedie, Präsident der Weltantido­pingAgentu­r WADA. Es gibt aber auch die Kritik, das Urteil sei zu lasch.

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Foto: imago/ITAR-TASS Russische Medailleng­ewinner 2014 in Sotschi
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Foto: AFP/Laurent Gillieron Das IOC am Dienstag in Lausanne: Präsident Thomas Bach (M.) spricht, die Mitglieder des Exekutivko­mitees hören zu.

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