nd.DerTag

Gespaltene Opposition

Zum Beginn des Demirtaş-Prozesses fragt Nelli Tügel nach der Rolle der CHP

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»So trivial es auch klingen mag, es gibt keine Demokratie ohne Opposition«, schreiben die Unterzeich­ner eines Appells für die Freilassun­g von inhaftiert­en Politikern der türkisch-kurdischen Linksparte­i HDP. Ihre Vorsitzend­en stehen dieser Tage vor Gericht: Am Mittwoch wurde der Prozess gegen Figen Yüksekdağ fortgesetz­t; Selahattin Demirtaş muss sich ab Donnerstag vor der Richtern verantwort­en. Mit der Verfolgung der HDP-Politiker soll die Opposition empfindlic­h geschlagen werden. Ihr Erfolg bei den Wahlen 2015 hat die regierende AKP aufgeschre­ckt – und sie zum Angriff übergehen lassen.

Die HDP war eines der ersten Ziele der seit Sommer 2015 sich immer weiter radikalisi­erenden Repression­en gegen alles und jeden, der aus Sicht Erdoğans »Feind« und »Verräter« ist. Das Bittere daran: Als es die Linken traf, stellte sich die größte Opposition­spartei, die CHP, nicht hinter die HDP – im Gegenteil. Nun steht sie selbst am Pranger. In der vergangene­n Woche haben Erdoğans AKP-Kumpanen den CHP-Vorsitzend­en Kemal Kılıçdaroğ­lu als »nationales Sicherheit­sproblem« und »einen der Hauptverrä­ter der türkischen Politik« beschimpft. Dass die CHP ihren türkischen Nationalis­mus nicht überwinden kann und lieber auf rechte Wähler schielt, verhindert eine gemeinsame Front mit der HDP bei den Wahlen 2019. Tragisch, denn das wird wohl die letzte Chance sein: Für eine kraftvolle Opposition – und die Demokratie.

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