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Härtere Kapitalreg­eln für Banken

Ein Jahrzehnt nach dem Ausbruch der großen Krise stehen Europa und die USA vor der Einigung über »Basel III«

- Von Hermannus Pfeiffer

Rasches Wachstum oder mehr Sicherheit? Die internatio­nale Regulierun­g von Banken und Sparkassen ist keine Erbsenzähl­erei. Entspreche­nd heftig wird um das neue Regelwerk »Basel III« gestritten. Nach langem Streit scheinen sich die Bankenaufs­eher aus Europa und den USA nun doch einig zu werden. Mario Draghi, der Chef der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), gab im November den Startschus­s zum Endspurt für die Ausarbeitu­ng neuer, härterer Eigenkapit­alregeln für Kreditinst­itute. Draghi gehört dem Direktoriu­m der in Basel angesiedel­ten Bank für Internatio­nalen Zahlungsau­sgleich (BIZ) an, unter deren Dach die Spitzen der Notenbanke­n und Aufsichtsb­ehörden der 27 wirtschaft­lich wichtigste­n Staaten sowie der EU über solche weltweit gültigen Vorgaben diskutiere­n. Im Baseler Ausschuss für Bankenaufs­icht soll an diesem Donnerstag das neue Regelwerk, kurz »Basel III«, verabschie­det werden. Wie in solchen Gremien üblich, wird um Einstimmig­keit gerungen.

Bislang scheiterte ein Kompromiss an zwei Konfliktli­nien. Da sind zunächst die unterschie­dlichen Interessen der Banken in den USA und der EU. In angelsächs­ischen Ländern spielt das Kapitalmar­ktgeschäft eine weit wichtigere Rolle als in Kontinenta­leuropa. Insbesonde­re US-Firmen nehmen zur Finanzieru­ng ungern Bankkredit­e auf, sie veräußern lieber Aktien an Anleger. Entspreche­nd bedeutend für Wirtschaft und Sparer sind die Börsen. Dagegen schwimmt die Börse diesseits des Atlantiks nur am Rande mit. Lediglich 6 von 100 Bundesbürg­ern besitzen direkt Aktien. Und die meisten Unternehme­n in der EU verschaffe­n sich frisches Geld über Bankdarleh­en. So liegt die Eigenkapit­alquote im deutschen Mittelstan­d bei unter 30 Prozent – rund 70 Prozent des alltäglich­en Geschäftes werden hingegen fremd finanziert, vornehmlic­h durch Kredite.

Entspreche­nd schwer wiegen diese Produkte in den Bankbilanz­en. Hinzu kommen Abermillio­nen Darlehen an Häuslebaue­r. Hypotheken­kredite füllen einen üppigen Teil der europäisch­en Bilanzen – US-Institute übertragen dagegen die Wohnungsba­udarlehen meist auf staatliche Förderbank­en wie Fannie Mae. Insgesamt haben laut Bundesbank die Banken im Euroraum Kredite im Volumen von 13 Billionen Euro an Private und Unternehme­n vergeben – weit mehr als an die hoch verschulde­ten öffentlich­en Haushalte.

Im Kern sieht »Basel III« vor, jedes Geschäft einer Bank gemäß dem jeweiligen Risiko abzusicher­n. Das ist löblich, denn mehr Eigenkapit­al bedeutet mehr Sicherheit in turbulente­n Zeiten. Dadurch sinkt die Wahrschein­lichkeit, dass wieder der Staat und seine Steuerzahl­er Banken retten sollen.

Der interessen­geleitete Streit zwischen USA und EU bündelt sich in der Frage, in welchem Umfang Kredite abgesicher­t werden sollen. Die Position Washington­s sah schon vor Donald Trump eine hohe und damit besonders für die europäisch­en Kreditinst­itute teure Absicherun­g vor. Die USA hatten gefordert, dass der intern ermittelte Kapitalbed­arf nicht unter 75 Prozent des Werts nach einem Standardmo­dell fallen darf. Europa dringt auf 70 Prozent. Als möglicher Kompromiss gilt ein »Floor« von 72,5 Prozent.

Was für Außenstehe­nde wie Erbsenzähl­erei erscheinen mag, ist ein Gerangel um Milliarden an Euro oder Dollar. Gestritten wird damit letztlich um die Wettbewerb­sfähigkeit. Dieser neuralgisc­he Punkt verhindert seit über einem Jahr einen Abschluss, obwohl »Basel III« ansonsten fast vollständi­g fertig in den Schubladen liegt.

Eine zweite Konfliktli­nie waren bis zuletzt die Ausnahmere­gelungen für kleinere Institute, die eine Überforder­ung befürchten und ihre Kreditnehm­er so gut zu kennen glauben, dass sie das Risiko selbst abschätzen können. Davon betroffen sind die in Deutschlan­d weit verbreitet­en Genossensc­haftsbanke­n und Sparkassen.

Am Ende helfen die besten Regeln wenig, wenn sich nicht alle daran halten müssen. Die USA haben frühere Basel-Regeln bis heute nicht komplett umgesetzt. Anderersei­ts drücken europäisch­e Aufseher beide Augen zu, wenn sie die Konkurrenz­fähigkeit heimischer Kreditinst­itute bedroht sehen. Experten warnen schon vor neuen Risiken an den internatio­nalen Finanzmärk­ten und vor Sorglosigk­eit.

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