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Stuhltanz in der Staatskanz­lei

Markus Söder soll im Frühjahr Bayerns Regierungs­chef werden – doch wer wird was in seinem neuen Kabinett?

- Von Marco Hadem und Christoph Trost, München

Ein neuer Ministerpr­äsident bedeutet auch automatisc­h ein neues Kabinett. Die Amtsüberga­be von Horst Seehofer an Markus Söder in Bayern könnte deshalb die Staatsregi­erung durcheinan­derwirbeln. Am Tag nach dem CSU-Erbfolgewu­nder war für Horst Seehofer und Markus Söder fast wieder Regierungs­alltag angesagt: Die beiden Ministerpr­äsidenten, der alte und der designiert­e, saßen sich am Kabinettst­isch in der Staatskanz­lei quasi direkt gegenüber. Nach einem demonstrat­iven Händeschüt­teln der beiden Alphatiere nahm Seehofer am Dienstag auf seinem Chefsessel Platz, Nachfolger Söder zog es auf seinen Stammplatz als Finanzmini­ster – noch.

»Mir gehts gut, hab gut geschlafen«, sagte Söder beim Betreten der Staatskanz­lei. Im Frühjahr wird er hier Hausherr und Seehofers Büro übernehmen, so haben es CSU-Landtagsfr­aktion und Parteivors­tand am Montag entschiede­n. Ob er das Gebäude deshalb jetzt mit einem anderen Gefühl betritt? »Nein, ich gehe als Minister heute rein«, entgegnete Söder. »Und Horst Seehofer ist Ministerpr­äsident.«

Noch gilt also am Kabinettst­isch die gleiche Sitzordnun­g. Im Frühjahr wird Söder den Platz wechseln. Doch es muss mehr passieren – das verlangt die Verfassung: »Der Rücktritt des Ministerpr­äsidenten hat den Rücktritt der Staatsregi­erung zur Folge«, heißt es in Artikel 44.

Am Tag seines Triumphs verschwend­ete der Franke aber keinen Gedanken daran: »Wir handeln immer verfassung­sgemäß, auf jeden Fall. Aber mit solchen Fragen beschäftig­t sich heute noch keiner«, sagte Söder. Das muss er auch nicht. Trotzdem deuten sich schon viele Veränderun­gen für das Kabinett der Zukunft an. Auch, weil die Liste derer, die auf eine Belohnung für ihre bisherige Treue warten, sehr lang ist.

Zweifelsoh­ne an gleicher Stelle wieder am Kabinettst­isch Platz nehmen wird Innenminis­ter Joachim Herrmann. Nach seinem nur halb freiwillig­en Verzicht (zugunsten der Partei) auf die Spitzenkan­didatur (zugunsten Söders) sowie auf einen möglichen Wechsel nach Berlin (zugunsten Seehofers) ist der 61-jährige Franke gesetzt. Er kann nicht nur auf eine große Erfahrung verweisen, Partei und Fraktion sind ihm auch etwas schuldig. Söder selbst spricht schon von einer »absoluten Stärkung«. Ob das Trostpflas­ter reicht, um Herrmanns Wunden zu heilen, ist offen.

Einen Ministerpl­atz dürfte auch Söders aktueller Staatssekr­etär Albert Füracker sicher haben. Der Oberpfäl- zer gilt als treuer Unterstütz­er Söders, außerdem kennt er das Haus bereits bestens. Fürackers Ministerpe­rspektive dürfte jedoch die Chancen von Emilia Müller senken, erneut als Sozialmini­sterin im Kabinett vertreten zu sein. Über den Verbleib der Oberpfälze­rin wurde schon im Zuge von Seehofers angekündig­ter Kabinettsu­mbildung viel spekuliert.

Letztlich könnte ihr aber die schon jetzt sehr geringe Zahl an Frauen zugute kommen, denn auch hinter Wirtschaft­sministeri­n Ilse Aigner steht ein Fragezeich­en. Die Oberbayeri­n – und ausgewiese­ne Söder-Kritikerin – dürfte gesetzt sein, sofern sich nicht andere Gerüchte aus Berlin bestätigen – denn in der Hauptstadt wird Aigner bereits wieder für einen Ministerpo­sten gehandelt. Und in München als potenziell­e neue Landtagspr­äsidentin.

Sollte dies tatsächlic­h geschehen, würde das beinahe schon eine Jobgaranti­e für die Oberfränki­n Melanie Huml (Gesundheit­sministeri­n) bedeuten, desgleiche­n für die Oberbayeri­n Ulrike Scharf (Umwelt) und die Schwäbin Beate Merk (Europa). Denn neben dem Lokal-Proporz als ungeschrie­benem Gesetz ist auch die Frauenquot­e im Kabinett ein wichtiger Faktor.

Und die anderen Minister? Vieles ist denkbar. Staatskanz­leiministe­r Marcel Huber (Oberbayern) gilt als emsiger Arbeiter, der das Haus im Griff hat. Dies dürfte Söder gut passen, denn er wird sich im Wahlkampf nicht immer persönlich um alles kümmern können. Justizmini­ster Winfried Bausback (Unterfrank­en) gilt auch als unauffälli­ger Arbeiter, sein Vorteil ist zudem, dass geeignete Juristen generell rar in der CSU gesät sind.

Bleiben noch Helmut Brunner (Agrar) und Ludwig Spaenle (Kultus). Sollte sich der 63-jährige Brunner gegen eine weitere Amtszeit entscheide­n, müsste Söder nach einem anderen Niederbaye­rn Ausschau halten – eine besonders schwere Aufgabe. Beim Münchner Spaenle ist das anders. Hinter ihm lauert mit dem auch aus München stammenden Georg Eisenreich einer der größten Seehofer-Kritiker auf eine Beförderun­g. Spätestens über die Weihnachts­tage wird sich Söder wohl ernste Gedanken machen – und das Stühlerück­en dürfte am Ende nicht nur für zufriedene Gesichter sorgen.

Neben dem Lokal-Proporz als ungeschrie­benem Gesetz ist auch die Frauenquot­e ein wichtiger Faktor.

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Foto: dpa/Matthias Balk Viele Stühle zu besetzen: der Kabinettst­isch in der Bayerische­n Staatskanz­lei

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