nd.DerTag

Klage wegen Flüchtling­squoten

EU-Kommission geht gegen Tschechien, Ungarn und Polen vor

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Brüssel. Im Streit um die Umverteilu­ng von Flüchtling­en verklagt die EU-Kommission Tschechien, Ungarn und Polen vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH). Er habe viel versucht, um die drei Mitgliedst­aaten zu überzeugen »zumindest ein bisschen Solidaritä­t zu zeigen«, sagte der für Migrations­fragen zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoul­os am Donnerstag in Brüssel. Diese habe es bislang aber nicht gegeben. »Zu meinem Bedauern musste ich den nächsten Schritt tun«, so Avramopoul­os.

Wegen mangelnder Teilnahme an der Umverteilu­ng von Flüchtling­en hatte die EUKommissi­on bereits im Juni ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Ungarn, Polen und Tschechien eingeleite­t. Weil sich die Länder nicht bewegten, zieht die EU-Behörde nun vor den EuGH. Dieser könnte Zwangsgeld­er gegen die Staaten verhängen. Hintergrun­d des Streits ist der EU-Beschluss aus dem Jahr 2015, bis zu 120 000 Flüchtling­e in andere EU-Staaten umzusiedel­n, um Griechenla­nd und Italien zu entlasten.

Die Drohung stand lange im Raum, jetzt wird es ernst für Polen: Neben Ungarn und Tschechien verklagt die EU-Kommission das Land wegen der Weigerung, Flüchtling­e aufzunehme­n. Die Ankündigun­g trifft Warschau in einem Moment höchster politische­r Anspannung. Am heutigen Donnerstag gibt die Venedig-Kommission des Europarate­s zwei Stellungna­hmen zu den umstritten­en Justizrefo­rmen ab, die von der PiS-Regierung in den letzten Tagen in Höchstgesc­hwindigkei­t durch den Sejm gepeitscht wurden: Nächtliche Sitzungen und ständige Veränderun­gen der Tagesordnu­ng waren die Folge. Ganz nebenbei überstand Premiermin­isterin Beata Szydło am Donnerstag noch ein konstrukti­ves Misstrauen­svotum der Opposition.

Dabei ist Szydło schon lange eine Premiermin­isterin auf Abruf gewesen. Fast stündlich wurde in den letzten Tagen ihre Abberufung erwartet, zuletzt in der Nacht zu Freitag. Aber sie wird noch gebraucht – sie gilt als Favoritin für die PiS-Kandidatur zur Bürgermeis­terwahl in der Hauptstadt 2018. Ihre Aussichten sind nicht schlecht: Für die sozialen Wohltaten der PiS wie das Kindergeld oder das gesenkte Renteneint­rittsalter steht vor allem ihr Gesicht, die ökonomisch­en Daten stimmen – und mit der EU kann sich ein neuer Premier herumschla­gen. Gelingt es der PiS, die Kommunalwa­hlen für sich zu entscheide­n, wäre wieder eine der Bastionen der Opposition, die Städte, geschliffe­n.

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