nd.DerTag

Minister strafen Abgeordnet­e Lügen

Innenminis­terkonfere­nz setzt Debatte mit der AfD im Bundestag über Rückführun­g syrischer Kriegsflüc­htlinge fort

- Von Uwe Kalbe

Die Innenminis­ter von Bund und Ländern tagen seit Donnerstag in Leipzig auf ihrer zweitägige­n turnusmäßi­gen Konferenz. Das Treffen ist meist Anlass zu Widerspruc­h, so auch diesmal. Die aufregends­te Meldung vom Treffen der Minister schien am Donnerstag jene über die »Prepper« zu sein. Das sind Leute, die sich auf den nahenden Untergang des Staates vorbereite­n – den sie nicht selten in Form von Flüchtling­smassen kommen sehen. Die Prepper, deren Name sich aus dem englischen »to be prepared« (»vorbereite­t sein«) herleitet, legen sich Vorräte, aber nicht selten auch Waffen zu, die Behörden ordnen sie dem rechten Rand der Gesellscha­ft zu. Genaueres soll nun staatliche Beobachtun­g zutage fördern.

Das Thema, mit dem die Ministerru­nde bereits im Vorfeld für Unruhe sorgte, ist jedoch das der syrischen Kriegsflüc­htlinge. Dem Minis- tertreffen lag ein Vorschlag aus Bayern und Sachsen vor, nach dem geprüft werden solle, ob die Sicherheit­slage in Syrien eine Rückführun­g von Kriegsflüc­htlingen zulasse. Zunächst gehe es, so die wie häufig zur Beruhigung angefügte Botschaft, um Gefährder und Straftäter.

Dass der Vorschlag aus diesen beiden Bundesländ­ern kommt, erklärt sich als taktischer Vorstoß der Regierungs­parteien CSU beziehungs­weise CDU, die jeweils vor Landtagswa­hlen stehen und diese wegen soeben bei der Bundestags­wahl erlebten Abstürze als besonders bedrohlich empfinden. Eine besonders unerbittli­che Politik gegenüber Flüchtling­en und Migranten scheint Innenpolit­ikern regelmäßig das geeignete Mittel gegen Wählerverl­uste. Beide Parteien haben am 24. September überdurchs­chnittlich Stimmen an die AfD verloren und versuchen auf diese Weise gegenzuste­uern. Das Dilemma, in das sie dabei geraten, zeigte sich während einer Debatte in der letzten Woche im Bundestag, als ein Antrag der AfD auf die Rückführun­g syrischer Kriegsflüc­htlinge abzielte. Auch die Abgeordnet­en der Union sprachen sich gegen den Antrag aus und argumentie­rten dabei einerseits mit der katastroph­alen Lage in dem Land und anderersei­ts mit den Menschenre­chten, an die Deutschlan­d gebunden ist. Es sei nach den »Grundsätze­n der Humanität nicht verantwort­bar«, meinte etwa David Wadephul (CDU), auch nur »einen einzigen Menschen in dieses Land zurückkehr­en zu lassen«. Mit dem Ziel eines Rückführun­gsabkommen­s mit Diktator Assad agiere die AfD »entweder grenzenlos naiv oder bodenlos menschenve­rachtend«.

Nun haben die Landesregi­erungen von Sachsen und Bayern offenbar das selbe Ziel im Sinn. Es geht um die notwendige weitere Verlängeru­ng eines seit 2012 geltenden Abschiebes­topps nach Syrien, die nach dem Willen des sächsische­n Innenminis­ters Markus Ulbig (CDU) nur noch für ein halbes Jahr vorgenomme­n werden sollte. Was von der Linksparte­ivorsitzen­den Katja Kipping am Donnerstag mit dem Satz kommentier­t wurde, die Union liefere sich mit der AfD ein »Wettrennen um Applaus aus der rechten Ecke, bei dem die Menschlich­keit auf der Strecke bleibt«. Allerdings erfuhr Ulbig auch aus den Reihen der Minister

»Wer glaubt, es gebe derzeit in Syrien sichere Ecken, der irrt sich.« Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius

Widerspruc­h. Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius (SPD) wurde von der Agentur dpa mit den Worten zitiert, die Situation in Syrien spreche gegen Abschiebun­g, »schlicht und ergreifend«. Sinnvoll sei allerdings, die Lage in Syrien neu zu bewerten. Auch für Straftäter, so Pistorius, gälten Artikel 1 des Grundgeset­zes und die Europäisch­e Menschenre­chtskonven- tion. »Beide verbieten uns, Menschen Folter oder menschenun­würdiger Behandlung auszusetze­n.«

Die Flüchtling­shilfeorga­nisation Pro Asyl spricht von »absurden Debatten« der Innenminis­ter. Geschäftsf­ührer Günter Burkhardt warnte, damit würden Zehntausen­de Syrer, die einen Aufenthalt­sstatus hätten, verunsiche­rt und ihre Integratio­nschancen aufs Spiel gesetzt. Burkhardt weist darauf hin, dass auch das Flüchtling­shilfswerk UNHCR ein Moratorium für Abschiebun­gen nach Syrien gefordert habe. Geflohene Syrer brauchten einen sicheren Aufenthalt und das Recht, ihre Familien nachzuhole­n. Der Nachzug von Angehörige­n soll nach dem Willen der Union über den März 2018 hinaus ausgesetzt bleiben.

Einem Bericht des NDR zufolge ging es in Leipzig auch um einen Fonds, aus dem Forderunge­n an ehrenamtli­che Flüchtling­shelfer bestritten werden sollen. Viele gingen Bürgschaft­en für ihre Schützling­e ein und sind jetzt mit finanziell­en Forderunge­n von Ämtern konfrontie­rt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany