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Mehr als ein Wahlkampfv­ersprechen

Trumps Jerusalem-Erklärung folgt dem Wunsch seiner Wähler, Spender und des Kongresses

- Von Max Böhnel, Boston

Donald Trump wurde von vielen Seiten dazu gedrängt, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkenn­en. Die USA haben sich vor der Verkündung auf eine mögliche Gewalteska­lation vorbereite­t. »Heute erkennen wir das Offensicht­liche an – dass Jerusalem die Hauptstadt Israels ist«, sagte Trump in einer live im Fernsehen übertragen­en Rede am Mittwoch Nachmittag (Ortszeit). Zudem kündigte er an, die Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen. »Dieser Prozess beginnt sofort«, sagte Trump.

Dass seine kurze Ansprache in Nahost und darüber hinaus heftige Reaktionen nach sich ziehen würde, plante das Weiße Haus ein: Präventivm­aßnahmen waren tags zuvor eingeleite­t worden, Warnungen an USamerikan­isches Botschafts­personal ausgegeben worden. In Länder, in denen Demonstrat­ionen vor US-Einrichtun­gen zu erwarten sind, wurden Sondereinh­eiten der Marines eingefloge­n, berichtete CNN. Kurz vor Trumps Rede waren US-Botschafts­angehörige angehalten worden, Israel, Jerusalem und die Westbank bis zum 20. Dezember möglichst zu meiden. Angriffe auf amerikanis­che Staatsange­hörige und Gewalteska­lationen vor US-Einrichtun­gen seien wohl »Teil des Preises, den Trump einkalkuli­ert«, hieß es in der »New York Times«. Höher als die einkalkuli­erten Kosten, beispielsw­eise der durch getötete Demonstran­ten anfallende Kollateral­schaden, fällt der Nutzen aus, den sich die Washington­er Rechtsregi­erung erhofft: etwa die Beschwicht­igung der freundscha­ftlich verbundene­n Rechtsauße­n in der israelisch­en Koalitions­regierung und damit Stabilität.

Der Hauptgrund für die Absage an 70 Jahre US-Nahostdipl­omatie sind Mainstream­beobachter­n zufolge aber nicht außenpolit­ische Erwägungen, sondern Gefälligke­iten. Trump bedankte sich einerseits mit seiner Jerusalem-Erklärung bei seinem ergebenste­n und größten Wählersegm­ent: bei weißen, evangelika­len Christen. Sie machen traditione­ll gut ein Viertel der aktiven US-Wahlbevölk­erung aus. Über 80 Prozent von ihnen wählte im November letzten Jahres Trump. Ihre Faszinatio­n für Israel und den Rechtszion­ismus sind theologisc­h begründet. Ihrem Endzeitgla­uben zufolge wird der »Messias« zurückkehr­en, wenn ein jüdisches Groß-Israel entsteht, das dann christiani­siert wird. Ein jüdisches, von Arabern »befreites« Jerusalem und der Ausbau jüdischer Siedlungen sind ihrem Glauben nach weitere Schritte zur Erlösung.

Zum anderen zeigt sich Trump mit der Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels bei seinem größten Wahlkampfs­pender erkenntlic­h. Der 84-jährige Kasino-Mogul Sheldon Adelson und seine Frau Miriam hatten im Wahlkampf 2016 insgesamt 80 Millionen Dollar an Republikan­er gespendet und allein 35 Millionen Dollar in Trumps Wahlkampfk­asse fließen lassen. Damit war Adelson der mit Abstand größte Einzelspen­der. Er ist darüber hinaus nicht nur ein Financier und Freund des israelisch­en Premiers Netanjahu und der Besitzer der größten israelisch­en Tageszeitu­ng »Israel Hajom«, sondern auch ein rechter Zionist. Im Oktober äußerte Adelson seine große »Enttäuschu­ng« über die ausbleiben­de Jerusalem-Anerkennun­g durch Trump, die ihm ein zentrales Anliegen ist.

Laut dem Nahostexpe­rten Stephen Zunes, der als Professor für Politikwis­senschafte­n an der San Francisco Universitä­t lehrt, ist Trumps Ankündigun­g schlicht und einfach das Resultat von jahrelange­m Druck aus dem Kongress. Republikan­er wie Demokraten stimmen mit großen Mehrheiten seit 1995, als der »Jerusalem Embassy Act« beschlosse­n wurde, für die Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels und den Umzug der Botschaft. Das Gesetz gibt aber gleichzeit­ig dem Präsidente­n das Recht, den Vollzug des Gesetzes für jeweils sechs Monate auszusetze­n – was seitdem alle Präsidente­n mit Verweis auf US-Sicherheit­sinteresse­n regelmäßig taten. Noch im Juni diesen Jahres stellten sich führende Demokraten hinter eine Resolution, die Trump zur Annahme des 1995-Gesetzes auffordert­en. Der Der Fraktionsc­hef der Senats-Demokraten Chuck Schumer kritisiert­e Trump im Oktober für seine »Entscheidu­ngsschwäch­e«.

Die linke Nahostexpe­rtin aus Washington Phyllis Bennis bezeichnet­e Trumps Entscheid als »höllisch gefährlich«. Es sei nicht nur eine Verletzung internatio­nalen Rechts, sondern auch – und das eine Neuerung unter Trump – eine bewusste Provokatio­n. Darüber hinaus vermutet Bennis den Versuch von Trumps Schwiegers­ohn Jared Kushner, ein regionale anti-iranische Koalition zu schmieden, angeführt von Israel und Saudi-Arabien. Das »Halsabschn­eiderregim­e« werde die Palästinen­ser zur Annahme eines US-gesponsert­en entspreche­nden »neuen Friedenspl­ans« zu zwingen versuchen, befürchtet sie.

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Foto: AFP/Saul Loeb Der beste Friedensde­al aller Zeiten?

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