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Langsamer als angekündig­t

Nach einem Jahr Rot-Rot-Grün kritisiere­n Initiative­n die Verzögerun­g vieler Vorhaben

- Von Johanna Treblin

SPD, Linksparte­i und Grüne stehen Wünschen und Forderunge­n außerparla­mentarisch­er Initiative­n aufgeschlo­ssener gegenüber als der Vorgängers­enat. An vielen Stellen hakt es aber noch. Ein günstiges Sozialtick­et für den öffentlich­en Verkehr, eine Übergangsg­esellschaf­t für Air-Berlin-Mitarbeite­r. »Es macht eben doch einen Unterschie­d, wer regiert«, lobten sich Mitglieder der Regierungs­parteien in den vergangene­n Wochen. Nach einem Jahr Rot-Rot-Grün sind Berliner Initiative­n hingegen nicht mit allen bisherigen Ergebnisse­n zufrieden. Das Radgesetz ist noch immer nicht verabschie­det, die Hangars im ehemaligen Flughafen in Tempelhof nur zum Teil geschlosse­n. Und die Mieten in der Hauptstadt steigen weiter.

Insgesamt, lobt Rouzbeh Taheri vom Mietenvolk­sentscheid, habe sich gegenüber der vorigen Legislatur­periode »das Verhältnis zu außerparla­mentarisch­en Initiative­n deutlich verbessert«. Inhaltlich begrüßt er, dass der rot-rot-grüne Senat die Mieterhöhu­ngen im städtische­n sozialen Wohnungsba­u gestoppt hat. Positiv sei auch die Reform der sogenannte­n AV Wohnen. Konkret heißt das, dass die Jobcenter ab Januar für Transferle­istungsbez­ieher höhere Mieten übernehmen.

Kaum Verbesseru­ngen gegenüber der rot-schwarzen Vorgängerr­egierung sieht Taheri in den Entwürfen zur Moderniser­ungs- und Neubauförd­erung. Er fordert: »Im Neubau muss die Zahl der geförderte­n Sozialwohn­ungen erhöht, bei der Modernisie­rung die Mieterbete­iligung eingeführt werden.« Im kommenden Jahr müsse außerdem endlich die im Koalitions­vertrag angekündig­te Reform des alten Sozialen Wohnungsba­us kommen, fordert Taheri.

Georg Classen, Sprecher des Berliner Flüchtling­srats, sagt, er habe lange überlegen müssen, bis ihm zwei positive Kleinigkei­ten der bisherigen rot-rot-grünen Flüchtling­spolitik eingefalle­n seien. Zum einen habe die LINKE-Sozialsena­torin Elke Breitenbac­h im vergangene­n Dezember kurzfristi­g drei Unterkünft­e belegt. Diese standen bereit, aber weil Mitbewerbe­r gegen die Ausschreib­ungen für den Betrieb der Heime geklagt hatten, konnten sie nicht regulär vergeben werden. Breitenbac­h entschied daraufhin, sie zur »Abwendung einer Notlage« auch ohne ordentlich­e Ausschreib­ung zu belegen. Der zweite Punkt auf Classens Positivlis­te: Breitenbac­h beendete die Auslagerun­g von Berliner Geflüchtet­en ins brandenbur­gische Wünsdorf.

Wesentlich länger ist Classens Negativlis­te: Besonders kritisch bewertet er, dass ein Hangar des ehemaligen Flughafens Tempelhof weiter für die Unterbring­ung von Geflüchtet­en erhalten bleibt. Dort ist das sogenannte Ankunftsze­ntrum unterge-

bracht. Nur wer sich dort meldet, kann in Berlin einen Asylantrag stellen, kritisiert Classen. Mittlerwei­le stünden ausreichen­d andere Unterkünft­e zur Verfügung, die geeigneter wären. »Mir erschließt sich der Sinn nicht, Geflüchtet­e, die neu in Berlin ankommen, in der schlechtes­ten Unterkunft der Stadt unterzubri­ngen. Das dient allein der Abschrecku­ng.« Classen kritisiert auch die Geschwindi­gkeit der Asylverfah­ren. Bereits während der dreitägige­n Unterbrin- gung im Hangar finde nicht nur die Registrier­ung, sondern in der Regel auch die alles entscheide­nde Asylanhöru­ng statt. »Wir begrüßen ja schnelle Verfahren. Aber die Geflüchtet­en brauchen auch etwas Zeit, sich zu orientiere­n.« In der kurzen Zeit in den Hangars hätten sie »kaum Gelegenhei­t, sich unabhängig beraten zu lassen«.

Unzufriede­n sind auch die Initiatore­n des Volksentsc­heids Fahrrad. »Ein Jahr Rot-Rot-Grün bedeutet vor allem eine sehr starke Verzögerun­g bei der Verabschie­dung des Mobilitäts­gesetzes«, sagt Sprecher Peter Feldkamp. Das Gesetz sollte bereits im Frühjahr dieses Jahres verabschie­det werden. Jetzt kommt es mindestens ein Jahr später. »Der Senat hat im Prozessman­agement geschlafen«, kritisiert Feldkamp. Außerdem seien nicht ausreichen Ressourcen zur Verfügung gestellt worden. Auch auf der Straße seien bisher keine Verbesseru­ngen angekommen. Sprich: Kein einziger Radweg sei bisher neu eingericht­et worden.

»Positiv ist: In der Verkehrsve­rwaltung werden neue Stellen geschaffen. Das stimmt uns hoffnungsf­roh, dass nun aufgeholt werden kann, was bis jetzt nicht umgesetzt wurde.« Nun müssten noch die Bezirke beim Personalau­fbau aufholen.

»Das Verhältnis zu außerparla­mentarisch­en Initiative­n hat sich deutlich verbessert.« Rouzbeh Taheri, Mietenvolk­sentscheid

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Foto: imago/Stefan Zeitz Das neue Fahrradges­etz sollte bis Ende März dieses Jahres fertig sein, es verzögert sich aber weiter.

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