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Wahlverlie­rer wird Lobbyist für DHL

Schleswig-Holstein: Torsten Albig geht nach Brüssel

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Das darf man wohl als einen klassische­n Seitenwech­sel bezeichnen: Der im Mai in Schleswig-Holstein abgewählte Ministerpr­äsident Torsten Albig (SPD) steht ab 1. Januar auf der Gehaltslis­te des Paket- und Brief-Expressdie­nstes DHL – als Unternehme­nsrepräsen­tant des Multikonze­rns in Brüssel. Der 54-Jährige wird somit Lobbyist auf internatio­nalem Parkett. Auf seiner künftigen Visitenkar­te wird die Bezeichnun­g »Vice President Corporate Representa­tion Brussels« stehen. Derzeit geht der gebürtige Bremer in der belgischen Metropole auf Wohnungssu­che.

Nach der Wahlnieder­lage hatte Albig, der seit 1982 Sozialdemo­krat ist, einen kompletten Rückzug aus der Politik vollzogen, auch sein neues Landtagsma­ndat nahm er nicht an. Sein monatliche­s Übergangsg­eld beläuft sich auf 7000 Euro. In der Öffentlich­keit trat der Steuer-Jurist kaum in Erscheinun­g, während seine Lebensgefä­hrtin, die in Kiel eine Kommunikat­ions- und Werbeagent­ur leitet, weiter ihrem Beruf nachgegang­en ist.

In den wenigen Interviews, die Albig nach seinem Abtritt gab, hatte er anklingen lassen, dass er in der freien Wirtschaft auf Jobsuche sei. Und wie in einem Bewerbungs­schreiben hatte der Ex-Regierungs­chef, der von 2009 bis 2012 auch Kieler Oberbürger­meister war, sich dabei als teamfähig, kommunikat­iv und erfahren in Leitung und Moderation beschriebe­n. Und er kündigte an, dass seine Lebensgefä­hrtin und deren drei Söhne ihm im nächsten Jahr nach Brüssel folgen wollen und 2018 geheiratet wird.

Was wiederum an Albigs Wahlnieder­lage erinnert. Denn wegen einer »Homestory« in der Illustrier­ten »Bunte« kurz vor der Landtagswa­hl mit missverstä­ndlichen Formulieru­ngen zum Auseinande­rbrechen seiner ersten Ehe hatte er reichlich Kritik über sein dort geäußertes Frauenbild einstecken müssen. Auch innerhalb seiner Partei kreidete man ihm dies als womöglich ausschlagg­ebend für die Wahlschlap­pe an. Einen be-

Nach der Wahlnieder­lage hatte Albig einen kompletten Rückzug aus der Politik vollzogen.

ruflichen Neustart hatte Albig übrigens bereits vor drei Jahren nicht gänzlich ausgeschlo­ssen, als er auf sich bezogen irgendwann einmal »eine Tätigkeit in London, Chicago oder Buenos Aires« für durchaus denkbar hielt.

Der Ministerpr­äsident a.D. ist nicht der einzige aus seinem Kabinett, der sich umorientie­rt hat. Eine Seitenwech­slerin ist auch die ehemalige Sozial- und Wissenscha­ftsministe­rin Kristin Alheit (SPD), die nun als Geschäftsf­ührerin des Paritätisc­hen Wohlfahrts­verbandes in Hamburg ihr Geld verdient.

Neue Aufgaben gibt es auch für die Ex-Bildungsmi­nisterin Britta Ernst (SPD) und den Wirtschaft­sund Verkehrsmi­nister unter Albig, Reinhard Meyer (SPD). Beide bleiben jedoch auf der politische­n Bühne. Die Ehefrau von Hamburgs Bürgermeis­ter Olaf Scholz ist seit Ende September Verantwort­liche des Bildungsre­ssorts im rotrot regierten Brandenbur­g. Meyer wird ab 2018 an seine alte Wirkungsst­ätte in Schwerin zurückkehr­en. Dort soll er die Geschäfte in der Staatskanz­lei von Mecklenbur­g-Vorpommern­s Ministerpr­äsidentin Manuela Schwesig (SPD) führen, eine Tätigkeit, die er bereits von 2006 bis 2012 ausübte.

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