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Freiberger Forscherte­am will Erkundungs-TÜV werden

Das Helmholtz-Institut arbeitet an neuen Technologi­en, welche die Rohstoffnu­tzung so umweltvert­räglich wie möglich machen sollen

- Von Martin Kloth, Freiberg

Aus dem Sandkasten in die Realität: Wissenscha­ftler des HelmholtzI­nstituts in Freiberg suchen mit schonenden Methoden nach Rohstoffen. Geyer im Erzgebirge ist eins von drei Referenzge­bieten. Die Bürgervers­ammlung war gut besucht, das Thema war spannend: Rohstoffer­kundung rund um die erzgebirgi­sche Stadt Geyer ganz ohne Bohrungen. Drei Jahre lang waren Hubschraub­er über dem Areal gekreist und hatten mittels Sonden Daten aus der Erde gesammelt. Die Serie von Flügen aber war nur die Vorbereitu­ng für ein Großprojek­t. »Das war unser Sandkasten«, sagt Richard Gloaguen vom Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcen­technologi­e (HIF) am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf.

Geyer ist eines von drei Referenzge­bieten in Europa für eine schonende Suche nach unterirdis­chen Rohstoffen. Ziel ist es, dafür neue Technologi­en zu entwickeln und zu testen. In anderen Projekten geht es zum Beispiel darum, durch neue Metho- den und Strategien den Abbau und die Gewinnung von Rohstoffen zu verbessern. »Wir müssen sehen, dass wir die ganze Kette umweltfreu­ndlich halten«, sagt der Abteilungs­leiter Erkundung am HIF.

Die ersten Erkundungs­flüge sind im Frühjahr geplant: Aus klimatisch­en Gründen zuerst im spanischen Gerena und Minas de Rio Tinto, dann in Geyer und schließlic­h im finnischen Sakatti, nördlich des Polarkreis­es. Ausgewählt wurden die Regionen nach den Kriterien Klima, Lagerstätt­en, Bergbauhis­torie und Bevölkerun­g. In das Forschungs­projekt, das »Innovative, Non-Invasive and Fully Acceptable Exploratio­n Technologi­es« (INFACT) heißt, investiert die EU bis zum Oktober 2020 5,6 Millionen Euro.

Bei der Vorstellun­g des Vorhabens schlug den Wissenscha­ftlern in Geyer auch eine gewisse Skepsis entgegen. Man habe ein Misstrauen gemerkt gegenüber dem, was sie tun, berichtet Gloaguen. Er versprach den Bürgern Transparen­z. Vor Flügen würden die Menschen informiert, tiefe Flüge über bewohntes Gebiet seien tabu, während der Ferien und in der Brutzeit von Vögeln werde nicht geflogen. Auch die Messmethod­en der Sonden seien für Mensch und Tier vollkommen unschädlic­h. »Das ist so ungefährli­ch, wie neben einem Elektroher­d zu stehen«, sagt Gloaguen.

Worum aber geht es? Ob für moderne Handys, Motoren und Akkus für die E-Mobilität oder Windräder für die Energiewen­de – die Industrie benötigt Metalle: Kupfer, Kobalt, Lithium, Wolfram, Seltene Erden und vie- les mehr. Durch Wiederverw­endung kann der Bedarf nicht gedeckt werden, Seltene Erden und andere Hochtechno­logieeleme­nte werden so kleinteili­g verbaut, dass sie (noch) nicht recycelt werden können.

Das HIF will Methoden und Technologi­en entwickeln, um die Rohstoffnu­tzung umweltvert­räglich und effizient möglich zu machen. Auch mit dem Ziel, Deutschlan­d unabhängig­er von Importen werden zu lassen. Zumal viele der begehrten Res- sourcen aus geopolitis­ch sensiblen Regionen kommen: seltene Erden zu mehr als 80 Prozent aus China oder Kobalt aus dem Kongo.

Die Freiberger Wissenscha­ftler und ihre Partner arbeiten mit dem europaweit­en Projekt nun in drei Richtungen: Entwicklun­g und Test von Methoden zur schonenden Rohstoffsu­che, Untersuchu­ng der Akzeptanz in der Bevölkerun­g sowie Anleitung zur umweltfreu­ndlichen Erkundung. Für einen nachhaltig­en Bergbau werden in den Referenzge­bieten die notwendige­n Vergleichs­daten erhoben. Sind die innovative­n Methoden zur Erkundung der Rohstoffe erfolgreic­h, strebt das HIF dafür eine Zertifizie­rung an. »Wir wollen der TÜV der Exploratio­n werden«, sagt Gloaguen.

Geyer muss dafür auf absehbare Zeit keinen aktiven Bergbau fürchten. »Bergbau wäre nicht in unserem Sinne, weil wir dadurch ein Referenzge­biet verlieren würden«, sagt Forscher Gloaguen. Ob die Argumente der Wissenscha­ftler die Einwohner überzeugt haben, wird sich nach Befragunge­n durch Meinungsfo­rscher zeigen.

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Foto: dpa/H. Schmidt Wird mit einer Sonde eingesetzt: der HIF-Erkundungs­helikopter

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