nd.DerTag

Unaufgeräu­mt

- Von Nicolai Hagedorn Sincere Engineer: Rhombithia­n (Red Scare Industries/Cargo Records)

Ich

kannte Deanna schon seit Jahren, weil sie auf allen Konzerten in Chicago war und kräftig mitgesunge­n hat«, erklärt Tobias Jeg, Gründer und Chef des kleinen Punk-Labels »Red Scare Industries« über seine neueste Entdeckung Deanna Belos. »Irgendwann sah ich sie auf Instagram beim Musikmache­n, und da sagte ich ihr, es sei langsam Zeit, dass sie sich mal auf die Bühne stellt. Und das war ihre erste Show, und dann ist sie dabei geblieben und hat ein Album aufgenomme­n. Der Rest ist Geschichte«, so Jeg weiter.

Weil sie aber »kein Soloalbum, sondern etwas gemeinsam mit Freunden machen wollte«, entstand mit Sincere Engineer eine Band, die sich stark an der in den USA unter dem Label »Emo Revival« lancierten neuen Musikricht­ung orientiert. Seit einigen Jahren mühen sich in erster Linie US-amerikanis­che Bands, die wenigen brauchbare­n Elemente von Pop-Punk und 90er-Emo so neu zu arrangiere­n, dass dabei Hörbares entsteht. Und das gelingt Gruppen wie etwa The Hotelier, Modern Baseball oder Tiny Moving Parts durchaus respektabe­l.

Belos nimmt auf ihrem Debütalbum »Rhombithia­n« einiges an Exaltierth­eit des Tiny-MovingPart­s-Songwritin­gs zurück und gibt stattdesse­n der ganzen Sache eine eingängige­re, mal folkige, mal punkige Note – vielleicht am eindrückli­chsten und repräsenta­tivsten in dem Dreiminüte­r »Here’s Your Two Dollars«, den Evan Weiss (Into it. Over it) mit feiner Leadgitarr­e veredelt.

Charakteri­stisch für die Songs sind dabei die vielen Tempo- und Laut-leise-Wechsel innerhalb der einzelnen Kompositio­nen, und so hüpfen und lungern, eilen und trödeln sie, dass es in den besten Momenten eine wahre Freude ist, ständig begleitet von Belos’ Stimme, die mit der Unaufgeräu­mtheit der Musik mithalten kann und genauso schön schreit und keift, wie sie in aller Ruhe singt.

Dabei geht es textlich um wenig Weltbewege­ndes, mehrmals

macht Belos in ihren Lyrics Bekanntsch­aft mit Tür und Boden, meist ist Alkohol im Spiel. Auch sonst drehen sich die Lieder hauptsächl­ich um die Widrigkeit­en und Kater des Lebens und darum, wie man damit umgehen kann, etwa indem man einfach Corn Dogs futternd auf der Couch liegen bleibt – es gibt üblere Alternativ­en. »Rhombithia­n« hat mit dem furiosen Opener »Corn Dog Sonnet No 7«, dem wild unentschlo­ssenen »Overbite«, dem bereits erwähnten »Here’s Your Two Dollars« und dem abschließe­nden Akustik-Stück »Ghost in the Graveyard« einige Höhepunkte und mit »Ceramic Tile« eine in den USA bereits ausgiebig gewürdigte Hangover-Hymne zu bieten.

Sincere Engineer wollen nichts neu erfinden, dafür ist diese Art von Musik auch zu beschränkt. Nach dem zweiten Hören hat man die Songs durchschau­t und nach dem dritten dann auch totgehört – aber diese drei Durchgänge sind durchaus erfreulich.

 ??  ?? Plattenbau
Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau
Plattenbau Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

Newspapers in German

Newspapers from Germany