nd.DerTag

Unilever spart bei Margarine

Rainer Balcerowia­k über Sorgen bei Lätta, Becel und Sanella

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Was sich derzeit beim UnileverKo­nzern abspielt, ist vielleicht nicht so spektakulä­r wie die geplanten Betriebssc­hließungen bei Siemens, aber dennoch ein hervorrage­ndes Lehrstück über den ganz gewöhnlich­en Kapitalism­us im Allgemeine­n und über die Funktionsw­eise von Aktiengese­llschaften im Besonderen. Nachdem der Konzern eine »feindliche Übernahme« durch den Konkurrent­en Kraft-Heinz im Februar mit Müh und Not abwenden konnte, zog das Management die einzig logische Konsequenz. Um derartige Attacken künftig auszuschli­eßen, muss der Konzern teurer und für die Aktionäre attraktive­r werden, zumal die gescheiter­te Übernahme für einen deftigen Kurseinbru­ch sorgte. Formuliert wurde das Ziel, die jährliche Rendite bis 2020 auf 20 Prozent zu erhöhen und somit auch den Aktienkurs nach oben zu treiben. Dafür sollen Konzerntei­le, die entspreche­nde Margen nicht erzielen können, so schnell wie möglich verkauft werden, auch um »Kostensenk­ungen« in Höhe von sechs Milliarden Euro pro Jahr zu realisiere­n.

Ganz oben auf der Liste steht dabei die Margarine-Sparte. Davon betroffen sind europaweit rund 1000 Beschäftig­te, davon etwa 300 an den deutschen Standorten Kleve (NordrheinW­estfalen), Pratau (Sachsen-Anhalt) und Hamburg. Dort werden unter anderem die beliebten Marken Lätta, Becel und Sanella produziert. Die Verhandlun­gen laufen und sollen bis Ende des Jahres abgeschlos­sen sein. Doch bis zum heutigen Tag wissen weder die europäisch­en Betriebsrä­te bei Unilever noch die Gewerkscha­ften, wer die Werke übernehmen könnte und vor allem mit welchem Ziel. Für die Mitarbeite­r bedeutet das extreme Unsicherhe­it, denn Entlassung­en bis hin zu Betriebssc­hließungen sind in Folge des Deals nicht auszuschli­eßen.

Letzteres befürchtet EuropaBetr­iebsrat Hermann Soggeberg für die deutschen Standorte zwar nicht. Dennoch könnte es nach dem wahrschein­lichen Einstieg von Finanzinve­storen zu erhebliche­n Einschnitt­en kommen. Alle Appelle des Betriebsra­ts, Sondierung­en mit den potenziell­en Investoren über Standort- und Beschäftig­ungsgarant­ien zu ermögliche­n, stoßen in der Konzernzen­trale auf taube Ohren, denn der Aktionär ist ein scheues Reh und bestraft profitschm­älernde Vereinbaru­ngen oder sich abzeichnen­de Konflikte in der Regel mit der Flucht aus dieser Anlage, was zu entspreche­nden Kurstürzen führen könnte.

Natürlich hat der Konzern bei seiner Geheimhalt­ungspoliti­k das Recht auf seiner Seite, eine Informatio­nspflicht, wie sie in der deutschen Mitbestimm­ung für Aufsichtsr­äte vorgesehen ist, existiert auf europäisch­er Ebene nicht. Die Beschäftig­ten werden zum Spielball kurzfristi­ger Kapitalint­eressen. Denn Unilever muss liefern. Mächtige Analysten wie Goldman Sachs zweifeln derzeit an der Realisieru­ng der angepeilte­n Umsatz- und Gewinnmarg­en und raten zum Verkauf der Aktie.

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