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Ein Solist fürs Lehrbuch

Sean Backman ist die personifiz­ierte Torgefahr in der Deutschen Eishockey Liga. Die Berliner Eisbären sind froh, dass er für die NHL zu klein war

- Von Manfred Hönel

Es ist lange her, dass die Eisbären Berlin mal den besten Torschütze­n der DEL stellten. Dass Sean Backman überhaupt nach Deutschlan­d fand, ist auch seiner geringen Körpergröß­e geschuldet. Die Berliner Eisbären stehen in der Deutschen Eishockey Liga (DEL) nach vier gewonnenen Spielen in Serie an der Tabellensp­itze. Das kam in jüngster Vergangenh­eit eher selten vor. Zum Erfolg trägt dabei vor allem Stürmer Sean Backman bei. Und bei dem US-Amerikaner kommt einem unweigerli­ch der alte Filmtitel »Kleiner Mann – ganz groß« in den Sinn. Als kleinster Berliner Spieler – Backman misst gerade mal 1,75 Meter – traf er bisher schon 16 Mal den Puck ins gegnerisch­e Tor. Damit führt er nach 28 Spieltagen die Torschütze­nliste der Liga an. Auch das hat ein Berliner schon lange nicht mehr von sich sagen können.

Dabei war der Beginn von Backmans Zeit bei den Eisbären nicht einfach. Als die Familie am 23. Juli in Berlin landete, war seine Frau Kelsey schon schwanger. Dann zog sich der werdende Vater bei einem der ersten Trainingse­inheiten einen Muskelfase­rriss zu. Der heilte jedoch schneller als erwartet, und als im September Sohn Bo Richard endlich zur Welt kam, fiel erst mal eine große Last ab. »Die Geburt hat zwölf Stunden gedauert, danach waren wir beide platt. Kelsey sowieso. Ich aber auch«, erinnert sich Backman. »Durch unseren Sohn sind wir als Familie nun immer mit Berlin verbunden« sagt er glücklich, auch wenn ihm jetzt die Zeit für seine Lieblingsf­ilme von Quentin Tarantino fehlt.

Backman scheint bei den Eisbären eine zweite Heimat gefunden zu haben: »Die Jungs hier sind fabelhaft. Manchmal plagen einen schon Bedenken, wenn man neu zu einer Mannschaft stößt. Hier war das aber nicht so. Ob Mannschaft­skameraden oder Trainersta­b: alle haben mir meine Eingewöhnu­ngszeit erleichter­t.« Das dürfte den Kollegen aber auch nicht sonderlich schwer gefallen sein, denn der schnelle Stürmer spielt groß auf. Sein 1:0 durch ein sensatione­lles Solo beim Heimspiel gegen den Meister aus München wäre in jedem Eishockeyl­ehrfilm eine Bereicheru­ng.

Backmans Form hat sich auch in Übersee herumgespr­ochen, weshalb ihn die Nationaltr­ainer für das Team der USA beim Deutschlan­d-Cup im November nominierte­n. Daran ist eigentlich nur erstaunlic­h, dass er Mann 31 Jahre alt werden musste, bevor er eingeladen wurde, denn die Karriere konnte sich schon vorher sehen lassen. Schon lange vor der Schulzeit in seinem Heimatort Cos Cob in Connecticu­t lief er über das Eis. In der Highschool spielte er für die »Old Farms«. Als bester Torschütze lotsten ihn die Scouts zur Yale-Universitä­t. Vier Jahre spielte er an der Eliteuni für die Bulldogs in der NCAA. 2010 wurde er sogar als bester Spieler der Conference geehrt. Den Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn sieht der Stürmer aber bei den Monarchs in Manchester, New Hampshire, die 2014 Meister der AHL wurden, also quasi in der Zweiten Liga Nordamerik­as. »Die meisten Spieler von uns fanden danach den Weg in die NHL.«

Dass dem Torjäger der Sprung in die stärkste Eishockeyl­iga der Welt nicht glückte, lag das in erster Linie wohl an seiner fehlenden Körpergröß­e. Für NHL-Manager sind Spieler unter 1,90 Meter nur Zwerge. »In unserer Familie gibt es trotzdem zwei NHL Spieler«, sagt Backman augenzwink­ernd: »Meine jüngere Schwester Jaclyn hat Jonathan Quick, den Torwart der Los Angeles Kings geheiratet, und meine ältere Schwester führt eine glückliche Ehe mit Matt Moulson von den Buffalo Sabres.«

Berlins Trainer Uwe Krupp freut sich jedenfalls, dass der Amerikaner bei seinem ersten Auslandsau­fenthalt zu den Eisbären gefunden hat: »Sean hilft uns in der Offensive. Er weiß, wo man hingehen muss, um den Gegner zu ärgern.« Mittlerwei­le hat sich Backman nicht nur an die vier Meter längere und zwei Meter breitere europäisch­en Eisfläche gewöhnt. Er zieht sogar einen Vorteil aus dem erweiterte­n Aktionsrau­m: »Auf der größeren Fläche kann ich meine Schnelligk­eit und meine Schussgena­uigkeit noch besser einsetzen.« Diese Eigenschaf­ten haben sich längst in der ganzen Liga herumgespr­ochen.

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Foto: imago/Bernd König Sean Backman

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