Die verschobene Reform
Der Übergang von der Regionalliga in die Dritte Liga ist so kompliziert, dass der DFB eine Entscheidung wohl vertagt
Weil der DFB einen offenen Streit auf seinem Bundestag vermeiden will, bleibt in der Regionalliga vorerst alles, wie es ist: ungerecht. Beobachter bei einem DFB-Bundestag wundern sich mitunter, wie harmoniebedürftig sich die große deutsche Fußballfamilie nach außen hin gibt. Kritische Wortmeldungen und kontroverse Diskussionen gehören nicht zu den prägenden Elementen einer solchen Veranstaltung. Und damit das auch bei der außerordentlichen Zusammenkunft am heutigen Freitag ab 10.30 Uhr im Kongresszentrum der Frankfurter Messe so bleibt, kann der heikelste Tagesord- nungspunkt nicht behandelt werden. Die Reform der Regionalligastruktur soll vertagt werden – so steht es vermutlich in einer Beschlussvorlage, die den 263 Delegierten zur Abstimmung vorgelegt wird. Über die Aufstiegsregelung zur Dritten Liga wird also noch nicht entschieden – zu verfahren waren die konträren Positionen aller Protagonisten, ob Vereine oder Verbände.
Während die Zustimmung für die bis zu 150 Millionen Euro teure Akademie des Deutschen Fußball-Bundes inklusive neuer Verbandszentrale dank mühsamer Überzeugungsarbeit von Präsident Reinhard Grindel und Generalsekretär Friedrich Curtius als sicher gilt, hätte diese Thematik das Potenzial zum Spaltpilz besessen. Und weil auch in langatmiger Hinterzimmerdiplomatie zwischen Präsidiumsvertretern und den Vertretern der fünf Regionalverbände in der Nacht auf Donnerstag in der DFB-Zentrale und am Tag darauf bei der finalen Sitzung in der Villa Kennedy kein tragfähiger Kompromiss zu erzielen war, musste der offene Streit auf großer Bühne anders verhindert werden. Mit einer Arbeitsgruppe, die sich ausgeruht und un- voreingenommen dem heiklen Thema widmet. Eine neue Variante ist offenbar, unterhalb der Dritten Liga eine zweigleisige vierte Liga zu installieren. Auch darüber dürfte noch leidenschaftlich diskutiert werden.
Vorteil: Die noch zu berufenen Experten können ohne Zeitdruck eine nachhaltige Lösung austüfteln. Nachteil: Weil ihr Vorschlag erst beim Bundestag 2019 zur Abstimmung kommt, verschiebt sich die Neugestaltung bis zur Saison 2020/21. »Der zeitliche Druck muss raus. Das ist besser als ein unausgegorenes Modell zur Abstimmung zu stellen«, hatte zuvor Helmut Sandrock, Geschäftsführer des Drittligisten Karlsruher SC verlangt, der als ehemaliger DFB-Generalsekretär mit den zähen Entscheidungsprozessen im Verbandsapparat bestens vertraut ist. Dabei sind sich alle Beteiligten einig, dass der bisherige Status quo mit den drei Entscheidungsspielen – mit zwei Südwest-Vertretern sowie den Meistern der Regionalligen Nord, Nordost, West und Bayern – reformiert werden muss. Weil es ungerecht ist, wenn Meister scheitern.
Erbittert kämpfte vor allem der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV) um seine Eigenständigkeit. Laut seinem Antrag sollten für den Aufstieg »der Meister der Regionalliga Nordost und die Meister der übrigen drei Regionalligen qualifiziert sein.« Will heißen: Der Nordosten bekommt einen festen Aufsteiger – und der Rest hätte sehen können, wie er die Zusammenschlüsse regelt. Bezeichnend auch, dass der NOFV seine Flächenstruktur (»30,46 Prozent sind fast ein Drittel des Verbandsgebietes des DFB«) anführte und die Anzahl der Herrenmannschaften für »keine Hauptbemessungsgrundlage« hielt.
Grindel wiederum argumentierte genau andersherum: Der Südwesten und Bayern würden 25 000 der rund 55 000 Mannschaften stellen und könnten deshalb nicht in einer Süd-Liga zusammengelegt werden. Der Verbandsboss würde fünf Ligen bevorzugen, in dem Südwest und West ein festes Aufstiegsrecht bekommen, der Nord, Nordost und Bayern in einem rollierenden System einen Direktaufsteiger stellen, die anderen zwei noch eine Play-off-Paarung bestreiten. Dagegen hat der Landesverband Sachsen bereits eine Klage angekündigt. Was Grindel unbedingt verhindert wollte: dass sich auf der Plenarsitzung ein Ost-West-Graben auftut.
DFB-Präsident Grindel wollte unbedingt verhindern, dass sich ein Ost-West-Graben auftut.